OGH 15Os53/10y

OGH15Os53/10y30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Juni 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans A***** wegen Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. November 2009, GZ 14 Hv 147/07g-77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Hans A***** der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert Verfolgten und bereits rechtskräftig Verurteilten Franz P***** und Lucie S***** von Mitte 2005 bis 2. November 2006 in V***** wiederholt in der Absicht, sich durch die „wiederholte“ (gemeint: wiederkehrende) Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, 14 im Urteil genannte, bereits überwiegend als Prostituierte tätige tschechische Staatsangehörige und zwei im Urteil genannte slowakische Staatsangehörige in Österreich in seinem Bordell „C*****“ in V*****, sohin in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zur Prostitution angeworben und zugeführt, und zwar dadurch, dass er sie über die von Lucie S***** geschalteten Anzeigen in einschlägigen Magazinen zur Kontaktaufnahme aufforderte, ihnen teils persönliche, teils telefonische Zusagen über die guten Verdienst- und Wohnmöglichkeiten in Österreich zukommen ließ, ihre Anreise bezahlte bzw ihre Abholung und die Eingliederung in seinen Bordellbetrieb durchführen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hans A*****. Sie verfehlt ihr Ziel.

Entgegen dem Vorbringen (Z 5 vierter Fall) hat sich das Schöffengericht unter Bezugnahme auf die im Tatsachenbereich geständige Einlassung des Beschwerdeführers und die belastenden Zeugenaussagen mit der Frage der „Verlagerung der gesamten Lebensführung“ hinreichend auseinandergesetzt (US 10 f). Die von der Mängelrüge unter Hinweis auf die Rechtsrüge angezweifelte Richtigkeit der gezogenen rechtlichen Konsequenz betrifft nicht die Begründungsebene.

Warum die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte „Nutznießer der Prostitutionsherbeiführung“, die rechtskräftig Verurteilten Franz P***** und Lucie S***** hingegen die „eigentlichen Drahtzieher“ gewesen seien (US 13), mit Blick auf die weiteren, im Rechtsmittel ausgeklammerten Ausführungen zu den tatbestandsrelevanten Tathandlungen des Angeklagten (vgl US 5 ff) im Widerspruch stehen sollen (Z 5 dritter Fall), wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargestellt.

Die Feststellung, dass der Bordellbetrieb maßgeblich vom Nichtigkeitswerber geführt wurde, haben die Tatrichter mit Bezug auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der vernommenen Prostituierten, die den Beschwerdeführer als ihren „Chef“ und Ansprechpartner bezeichneten (US 11 letzter Absatz, 12 vorletzter Absatz), und das Eingeständnis des Angeklagten, wegen der Erkrankung seiner Ehegattin die wesentlichen Bereiche des Bordellbetriebs wahrgenommen zu haben (US 12 erster Absatz), mängelfrei begründet.

Die Darstellung der Zeugin Barbara A***** (Ehegattin des Angeklagten), ihr Mann habe mit dem Bordell eigentlich nichts zu tun gehabt, hat das Schöffengericht keineswegs übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern mit plausibler Argumentation als Schutzbehauptung zu Gunsten ihres Mannes eingestuft (US 12 zweiter und dritter Absatz).

Entgegen der Rüge (Z 5 zweiter Fall) bedurfte die Unbescholtenheit des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung keiner Erörterung, weil sie die führende Rolle in einem Bordellbetrieb keineswegs ausschließt.

Die - sich wiederholende - Rechtsrüge (Z 9 lit a), die zusammengefasst die Ansicht vertritt, der Angeklagte habe selbst überhaupt keinen aktiven Einfluss auf Prostituierte zur Verlagerung deren gesamter Lebensführung geübt, vielmehr seien Franz P***** und Lucie S***** die Drahtzieher und wahren Nutznießer gewesen, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und verfehlt so die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung (RIS-Justiz RS0099810).

Denn der Nichtigkeitswerber übergeht die essentiellen Konstatierungen, denen zufolge die Idee zwar von P***** und S***** ausging, diese jedoch mit dem Angeklagten handelseins wurden, dass er als Bordellbetreiber für die tatplankonform von Lucie S***** in Tschechien angeworbenen Prostituierten ein Taggeld samt Benzingeld an P***** und S***** bezahlen werde, diese ihm dafür ständig neue Prostituierte zuführen sollten, der Angeklagte die von P***** und S***** mit Versprechungen (US 8 zweiter Absatz) angelockten Prostituierten durch Bereitstellung des Arbeitsplatzes und einer kostenlosen Wohnung in einem seiner Objekte (sowie durch Unterstützung bei Behördenwegen und amtsärztlichen Untersuchungen) in seinen Betrieb eingliederte und damit deren Verlagerung der gesamten Lebensführung erwirkte (US 6 erster Absatz, 7 zweiter Absatz, 9 vorletzter Absatz, US 10 erster Absatz).

Der Einwand, der Beschwerdeführer selbst habe nicht den von der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0109314) geforderten aktiven und gezielten Einfluss auf die Schutzobjekte genommen, ignoriert die Feststellungen, wonach die - bereits rechtskräftig verurteilten - Mittäter (P***** und S*****) durch geschaltete Annoncen und Versprechungen genau diese Einflussnahme übten (US 6 ff) und der Beschwerdeführer als Nutznießer (US 13) dies billigend in Kauf nahm sowie in weiterer Folge die Frauen in seinen Bordellbetrieb eingliederte (US 10 erster Absatz).

Dem Vorbringen, die Handlungen des Beschwerdeführers seien bloß ein untergeordneter Tatbeitrag gewesen, genügt der Hinweis, dass eine allenfalls irrige Subsumtion unter die Begehungsform der ersten Alternative des § 12 StGB den Angeklagten nicht zu beschweren vermag, weil die erwähnten Feststellungen die Annahme einer der rechtlich gleichwertigen Täterschaftsformen des § 12 StGB jedenfalls decken (RIS-Justiz RS0117604; Fabrizy StPO10 § 281 Rz 69). Einen (sonstigen) Tatbeitrag (§ 12 dritte Alternative StGB) durch „Abnahmebereitschaft“ in Bezug auf ausländische Prostituierte räumt die Rüge im Übrigen selbst ein (Beschwerde S 4).

Die Reklamation eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zum „Anwerben“ versagt, weil zufolge der jedenfalls auch festgestellten Tatbegehung durch „Zuführen“ (US 6 ff) angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit beider Begehungsformen des § 217 Abs 1 StGB dahingestellt bleiben kann, ob neben dem „Zuführen“ auch dessen Handlungsvariante des „Anwerbens“ verwirklicht wurde (vgl Philipp in WK² § 217 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Erledigung der Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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