OGH 11Os69/10x

OGH11Os69/10x22.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Spreitzer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Astrit B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 24 Hv 193/09a des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. Dezember 2009, GZ 24 Hv 193/09a-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Michel, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. Dezember 2009, GZ 24 Hv 193/09a-24, mit dem die vom Landesgericht Linz am 21. Juli 2009, AZ 20 BE 346/09t, gewährte bedingte Entlassung widerrufen wurde, verletzt § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO vom Widerruf der dem Angeklagten mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. Juli 2009, AZ 20 BE 346/09t, gewährten bedingten Entlassung abgesehen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. Oktober 2007, GZ 25 Hv 84/07a-19, wurde Astrit B***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Zufolge Beschlusses des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 21. Juli 2009, AZ 20 BE 346/09t (ON 45 in den Urteilsakten), wurde der Verurteilte am 24. August 2009 aus dem unbedingten Teil der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Aufgrund neuerlicher Delinquenz in der Probezeit wurde Astrit B***** mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. Dezember 2009, GZ 24 Hv 193/09a-24, des Verbrechens des „schweren gewerbsmäßigen“ Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 StGB (mit überflüssiger Erwähnung der den jeweiligen Schuldsprüchen zu Grunde liegenden Straftatbestände [ON 24 S 5] ersichtlich nur) nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO fasste der Einzelrichter des Landesgerichts Linz zugleich den Beschluss, vom Widerruf der bedingten „Strafe“ (gemeint: der gewährten bedingten Strafnachsicht) zu AZ 25 Hv 84/07a des Landesgerichts Linz abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern. Weiters wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Gemäß § 53 Abs 1 StGB (iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO) wurde unter einem der Widerruf der dem Angeklagten mit Beschluss des Landesgerichts Linz zu AZ 20 BE 346/09t gewährten bedingten Entlassung des Strafrests von einem Monat und zwanzig Tagen ausgesprochen.

Mit Endverfügung vom 23. Dezember 2009 wurde der Vollzug des - in der Folge bis 14. Februar 2010 verbüßten (ON 38) - Strafrests angeordnet (ON 26).

Das Urteil und die Beschlüsse erwuchsen unbekämpft in Rechtskraft (ON 24 S 7; ON 25).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 23. Dezember 2009 zu GZ 24 Hv 193/09a-24, mit dem die vom Landesgericht Linz am 21. Juli 2009, AZ 20 BE 346/09t, gewährte bedingte Entlassung widerrufen wurde, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Gemäß § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Demnach ist ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe unzulässig, wenn zugleich (wie hier) vom Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe abgesehen wird (RIS-Justiz RS0125448).

Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, war der Feststellung der Gesetzesverletzung in Ausübung des durch § 292 letzter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof eingeräumten Ermessens konkrete Wirkung zuzuerkennen und vom Widerruf der bedingten Entlassung abzusehen.

Nach der - auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) - Bestimmung des § 270 Abs 4 Z 2 StPO hat eine gekürzte Urteilsausfertigung im Fall einer Verurteilung außer den in § 270 Abs 2 StPO enthaltenen Angaben auch die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten.

Durch ein vollständiges Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) wird indes dem Gesetz (dessen Verletzung die Generalprokuratur zwar rügt, aber nicht festzustellen begehrt) Genüge getan (eingehend 12 Os 49/10p).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte