Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ist die Mutter trotz Betreuung durch den Jugendwohlfahrtsträger im Ausmaß von 25 Monatsstunden nicht in der Lage, die Erziehungsaufgaben hinsichtlich der mittlerweile fünfjährigen Minderjährigen wahrzunehmen. Drei weitere Geschwister der Minderjährigen sind bereits fremduntergebracht und ohne Kontakt zur Mutter. Die Minderjährige weist psychologische und motorische Entwicklungsstörungen auf und benötigt intensive logopädische Förderung. Sowohl diese Förderung als auch eine gebotene medizinische Versorgung ermöglicht die Mutter nur teilweise und überdies verspätet und ausschließlich auf Druck des Jugendwohlfahrtsträgers. Das Erziehungssystem der Mutter ist als sehr labil und am Rande des Zusammenbruchs einzuschätzen, wofür insbesondere die Konflikte der Mutter mit ihrem Vater, in dessen Haushalt sie derzeit (wieder) lebt, ursächlich sind.
Rechtliche Beurteilung
Ausgehend von diesen Feststellungen stellt die Beurteilung der Vorinstanzen, es lägen die Voraussetzungen für die Entziehung der Obsorge wegen einer konkreten Gefährdung des Wohls der Minderjährigen vor, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:
Unter dem Begriff der Gefährdung des Kindeswohls ist nicht geradezu ein Missbrauch der elterlichen Befugnisse zu verstehen. Es genügt, dass die elterlichen Pflichten (objektiv) nicht erfüllt oder (subjektiv) gröblich vernachlässigt worden sind und die Eltern (hier: Mutter) durch ihr Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden (RIS-Justiz RS0048633). Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der aktuellen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS-Justiz RS0048632; zuletzt 6 Ob 48/10t und 10 Ob 18/10k).
Der im Verfahren ergangene Beschluss des Rekursgerichts, wonach die vom Jugendwohlfahrtsträger beantragte vorläufige Fremdunterbringung der Minderjährigen nicht genehmigt wurde, entfaltet entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung keine Bindungswirkung für die hier getroffene und bekämpfte endgültige Obsorgeentscheidung. Nach Ergehen dieses Beschlusses hat das Erstgericht weitere umfangreiche Erhebungen durchgeführt, die Mutter sowie eine Mitarbeiterin des Jugendwohlfahrtsträgers und die Schwester der Mutter einvernommen und eine mündliche Ergänzung des im Verfahren eingeholten und bereits einmal ergänzten Sachverständigengutachtens vornehmen lassen (insbesondere ON 58). Davon ausgehend hat das Erstgericht die eingangs auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen getroffen, aus welchen abzuleiten ist, dass die im Verfahren zwischenzeitlich eingetretene Besserung der Erziehungssituation nicht mehr besteht.
Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Entziehung der Obsorge als eine dem Art 8 MRK widerstreitende unverhältnismäßige Maßnahme anzusehen ist.
Den bereits im Rekursverfahren gerügten behaupteten Verfahrensmangel erster Instanz verneinte das Rekursgericht unanfechtbar (RIS-Justiz RS0050037). Besondere Umstände, die eine Durchbrechung dieses Grundsatzes aus Gründen des Kindeswohls gerechtfertigt erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0050037 [T4]), sind nicht ersichtlich.
Die Rüge im Revisionsrekurs, das Rekursgericht sei auf die Frage der Rechtmäßigkeit der vom Erstgericht iSd § 44 Abs 1 AußStrG angeordneten vorläufigen Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit der Obsorgeentscheidung nicht eingegangen, lässt außer Acht, dass gemäß § 44 Abs 2 AußStrG gegen Entscheidungen über die vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit ein Rechtsmittel nicht zulässig ist.
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