OGH 15Os66/10k

OGH15Os66/10k17.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wöss als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ersel D***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 30 Hr 57/10k des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. Mai 2010, AZ 7 Bs 222/10w, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

 

Spruch:

Ersel D***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Ersel D***** liegen nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 18. Mai 2010 zu I./1./ die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, zu I./2./a) und b) die Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, zu II./ die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB, zu III./ die Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB, zu IV./ die Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1, § 12 zweiter Fall StGB und zu V./ das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zur Last.

Danach habe er in I*****

I./ an/von bzw mit der am 2. Juli 1995 geborenen, mithin unmündigen Ahu D*****

1./ von zumindest Anfang 2005 bis Ende Juni 2009 in wiederholten, teils wöchentlichen Angriffen außer zeitlicher Konnexität zu den unter I./2./ dargestellten Tathandlungen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen, und zwar dadurch, dass er ihren Scheidenbereich intensiv betastete und streichelte, ihre entblößten bereits entwickelten sowie noch nicht entwickelten Brüste bei begonnener Pubertät intensiv betastete, sich die Hoden massieren ließ, sich am entblößten Penis küssen ließ, sich am entblößten Penis mit der Hand betasten ließ, sich am entblößten erigierten Penis Masturbationsbewegungen, teils bis zum Samenerguss, durchführen ließ sowie seinen entblößten erigierten Penis ohne Penetrationsvorsatz an ihrem entblößten Scheidenbereich intensiv rieb;

2./ außer zeitlicher Konnexität zu den unter I./1./ dargestellten Tathandlungen ab vermutlich Frühjahr 2008 bis Ende Juni 2009

a) in wiederholten, teils wöchentlichen, teils sogar mehrmals wöchentlichen Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar dadurch, dass er sich von ihr an seinem Penis einen Mundverkehr, teils bis zum Samenerguss, durchführen ließ;

b) zumindest in einem Fall den Beischlaf unternommen, indem er seinen entblößten erigierten Penis mit Penetrationsvorsatz an ihrem entblößten Scheidenbereich intensiv rieb bzw an ihrer Scheide ansetzte, wodurch es zu einem Kontakt seines Penis mir ihrer Vagina kam;

II./ durch die zu I./1./ und 2./ beschriebenen Tathandlungen sowie dadurch, dass er die zu I./1./ und 2./a) beschriebenen Tathandlungen nach Vollendung des 14. Lebensjahres (am 2. Juli 2009) durch Ahu D***** bis einschließlich Dezember 2009/Anfang Jänner 2010 fortsetzte, und in diesem Tatzeitraum in ca sechs Angriffen an ihr den Analverkehr vollzog, mit seiner minderjährigen Tochter eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw an sich von ihr vornehmen lassen;

III./ ab Frühjahr 2008 bis Ende 2009 dadurch, dass er in Gegenwart seiner am 2. Juli 1995 geborenen Tochter Ahu D***** wiederholt Pornofilme bzw selbst mittels Digitalkamera des Mobiltelefons erstellte Videos darstellend Geschlechtsakte zwischen ihm und seiner Ehegattin Hülya D***** abspielte und kommentierte, Handlungen, die geeignet waren, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer zunächst unmündigen, letztlich vor einer seiner Erziehung unterstehenden Person unter 16 Jahren vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen;

IV./ von 2005 bis Ende Dezember 2009/Jänner 2010 pornografische Darstellungen einer minderjährigen Person (§ 207a Abs 4 Z 1 und Z 3 lit a) und lit b) StGB) hergestellt, und zwar:

1./ mehrere digitale Bild- und Videodateien genannten Inhalts mit der Digitalkamera seines Mobiltelefons durch Abfotografieren bzw Abfilmen der zu I./ und II./ dargestellten geschlechtlichen Handlungen an Ahu D*****;

2./ indem er Ahu D***** durch die Aufforderung, sie solle Ablichtungen aus unmittelbarer Entfernung ihres entblößten Vaginalbereichs mit der Digitalkamera seines Mobiltelefons anfertigen, dazu bestimmte;

V./ im Jahr 2009, Ahu D***** durch einen Biss in den rechten Oberschenkel, was ein Hämatom zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt.

Am 20. April 2010 wurde über Ersel D***** die Untersuchungshaft verhängt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2010 verfügte der Ermittlungsrichter die Fortsetzung der Haft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO. Einer dagegen vom Genannten erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge gegeben und es wurde die Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten.

Soweit sie die Schlussfolgerungen des Oberlandesgerichts zum Haftgrund der Fluchtgefahr, wonach der Angeklagte zwar freiwillig nach Österreich zurückgekehrt, dabei aber über die Schwere des gegen ihn gerichteten Tatverdachts nicht informiert gewesen sei, als in Widerspruch zur Annahme eines dringenden Tatverdachts stehend kritisiert, ist sie rational nicht nachvollziehbar, weil sie - empirisch verfehlt - das Wissen um eine Tat mit dem Wissen um deren Publizität gleichsetzt. Im Übrigen scheitert die damit verbundene Kritik an der Annahme eines dringenden Tatverdachts bereits daran, dass der Angeklagte diese Haftkomponente in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss nicht bekämpft und somit den Instanzenzug nicht erschöpft hat (§ 1 Abs 1 GRBG).

Den Ausführungen zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr zuwider hat das Oberlandesgericht den Kontaktabbruch zwischen Angeklagtem und Ahu D***** nicht mit Stillschweigen übergangen (BS 10: „...an den neuerlichen Versuch einer Kontaktaufnahme mit seiner Tochter ... zu denken“).

Die Kritik an der Berichtigung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die darin verfehlt angeführte Haftfrist geht ins Leere, weil der Mitteilung des Ablauftags im Haftbeschluss nach ständiger Rechtsprechung nur deklarative Bedeutung zukommt (SSt 62/12; RIS-Justiz RS0097630).

Ersel D***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

Stichworte