OGH 15Os175/09p

OGH15Os175/09p21.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Charlene F***** wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 8 Hv 72/09s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Juli 2009, GZ 8 Hv 72/09s-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Juli 2009, GZ 8 Hv 72/09s-8, verletzt §§ 27 Abs 2, 30 Abs 3 Z 1 SMG sowie § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG und § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 488 Abs 1 StPO.

Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch sowie der unter einem verkündete Beschluss gemäß § 494a Abs 1 StPO aufgehoben und es wird die Sache zur Neudurchführung des Verfahrens an das Bezirksgericht Graz-Ost verwiesen.

Text

G r ü n d e :

Mit in gekürzter Form ausgefertigtem, rechtskräftigem - auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden - Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Juli 2009, GZ 8 Hv 72/09s-8, wurde Charlene F***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (als Zusatzstrafe) verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie im Jänner 2007 sowie im Zeitraum von Oktober 2007 bis April 2008 in Graz

1. vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, indem sie unbekannte Mengen morphinhältige Substitolkapseln à 200 mg von unbekannten Dealern kaufte und konsumierte,

2. vorschriftswidrig einen psychotropen Stoff erworben und besessen, indem sie zehn Streifen Rivotril-Tabletten, einen Streifen Somnubene-Tabletten und einen Streifen Praxiten-Tabletten von einer unbekannten Person ankaufte (US 3).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 35 Abs 1 SMG (in der hier anzuwendenden, mit 1. Jänner 2008 in Kraft getretenen Fassung; hinsichtlich Tatzeiten vor dem 1. Jänner 2008 vgl §§ 1, 61 StGB) hat die Staatsanwaltschaft unter den in den Abs 3 bis 7 leg cit genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach §§ 27 Abs 1 und 2 oder 30 SMG, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten.

Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.

Wer Arzneimittel, die einen psychotropen Stoff enthalten, sofern es sich nicht um eine die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigende Menge handelt, für den persönlichen Gebrauch oder für einen Bedarf eines Tieres erwirbt, besitzt, befördert, einführt oder ausführt, ist nach § 30 Abs 1 und Abs 2 SMG nicht zu bestrafen (Abs 3 Z 1 leg cit).

Nach der - auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) - Bestimmung des § 270 Abs 4 Z 2 StPO (in der zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Urteilsfällung geltenden Fassung [§ 514 Abs 5 StPO] des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52) hat eine - unter den in § 270 Abs 4 StPO genannten, hier vorgelegenen Voraussetzungen zulässige - gekürzte Urteilsausfertigung im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen - sei es auch durch bloßen Verweis auf einen diese Tatsachen enthaltenden Urteilsspruch - in gedrängter Darstellung zu enthalten.

Sowohl in Ansehung der Urteilsannahme eines Erwerbs und Besitzes von Suchtgift und dessen nachfolgender Konsumation, die überdies (von der Generalprokuratur nicht gerügt, aber von Amts wegen festzustellen [§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 39]) die - hier aber unterbliebene - Tatprivilegierung nach § 27 Abs 2 SMG verwirklicht hätte, als auch hinsichtlich des (bloßen) Ankaufs psychotroper Stoffe, wurden solchermaßen nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO erforderliche klare Tatsachenannahmen in Richtung eines nicht nach § 35 Abs 1 SMG privilegierten Missbrauchs und eines nicht bereits unter den Strafausschließungsgrund des § 30 Abs 3 Z 1 SMG fallenden Erwerbs und Besitzes psychotroper Stoffe nicht getroffen.

Der Einzelrichter hätte daher ausdrückliche Feststellungen zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs 3 Z 1 (allenfalls auch Z 2) SMG, im Übrigen aber entweder in Richtung einer - nicht privilegierten - ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines anderen, aber zum Vorteil der Angeklagten erfolgten Suchtgiftdelinquenz zu treffen oder aber die - (nunmehr) an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen - zwingenden Diversionsbestimmungen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG anzuwenden und demzufolge grundsätzlich eine Auskunft sowie eine Stellungnahme gemäß § 35 Abs 3 Z 1 und 2 SMG und die Zustimmung der Angeklagten zu allfällig notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen (§ 35 Abs 6 SMG) einzuholen gehabt (vgl bereits 15 Os 182/09t).

Da dies vorliegend unterblieb, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verurteilung, der Angeklagten zum Nachteil gereichend (§ 292 letzter Satz StPO), zu Punkt 2 der Strafausschließungsgrund des § 30 Abs 3 Z 1 SMG, darüber hinaus aber das temporäre Verfolgungshindernis nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG entgegenstand (RIS-Justiz RS0113620 [T2]; Rosbaud in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 35 Rz 7).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil in seinem schuldigsprechenden Teil, demgemäß auch den Strafausspruch sowie den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 StPO aufzuheben und die Sache an das zuständige Bezirksgericht Graz-Ost zu verweisen.

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