Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft, errichtete das Haus W***** in ***** und veräußerte die in diesem Objekt gelegenen Wohnungen an die Antragsteller, die die Wohnungen zwischen 1998 und 2000 bezogen.
Am 23. 12. 2003 stellte Dr. Herbert T*****, der hier als Vertreter sämtlicher Antragsteller einschreitet und selbst Wohnungseigentümer ist, im eigenen Namen einen Antrag nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG auf Prüfung der Angemessenheit der Kaufpreise. Dieses Verfahren wird vor dem Bezirksgericht Donaustadt zu AZ 6 Msch 6/03p geführt und ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen (vgl 5 Ob 145/09y). In jenem Verfahren, das nur vom Bezeichneten als Antragsteller eingeleitet wurde, wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. 4. 2004 der Antragsgegnerin die Vorlage einer detaillierten Abrechnung der Grund- und Baukosten der Wohnungseigentumsanlage sowie die Vorlage eines Verzeichnisses aller Vertragspartner im Sinn des § 13 Abs 1 WGG aufgetragen, welcher Beschluss am 20. 4. 2004 per Hausanschlag auf allen Stiegen des Wohnungseigentumsobjekts zugestellt wurde.
Am 5. 7. 2004 (Datum des Vorlageschriftsatzes 2. 7. 2004) legte die Antragsgegnerin dem Gericht die Grund- und Baukostenendabrechnung samt einem Verzeichnis der Vertragspartner vor. Mit Beschluss vom 9. 7. 2004 trug das Bezirksgericht Donaustadt dem dortigen Antragsteller auf, binnen 6 Monaten die behaupteten Berechnungsfehler kurz und vollständig anzugeben. Gleichzeitig wurde den übrigen Vertragspartnern der Antragsgegnerin, also den Antragstellern im gegenständlichen Verfahren, mitgeteilt, dass sie berechtigt seien, in gleicher Weise behauptete Berechnungsfehler binnen 6 Monaten anzugeben. Dieser Beschluss wurde am 14. 7. 2004 durch Hausanschlag auf allen Stiegen des Wohnungseigentumsobjekts zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 11. 11. 2004 erhob der dortige Antragsteller Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Endabrechnung, die er in einer Vielzahl von Einzelpunkten darlegte.
Die Antragsteller haben in der ihnen gesetzten Frist im dortigen Verfahren keine Berechnungsfehler bekannt gegeben.
Sie stellten ihrerseits (erst) am 30. 9. 2005 und 7. 10. 2005 bei der zuständigen Schlichtungsstelle einen Antrag auf Überprüfung der Preisangemessenheit im Sinn des § 15 WGG und leiteten damit das gegenständliche Verfahren ein. Mit dem Antrag verbanden sie ein Begehren auf Rückzahlung überhöhter Preisbestandteile gemäß § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 4 MRG.
Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren und wendete Präklusion gemäß § 18 Abs 3 WGG ein. Die Baulichkeit sei 1998 bezogen worden, die dreijährige Präklusionsfrist für eine Antragstellung sei daher abgelaufen. Weiters machte die Antragsgegnerin geltend, dass den Antragstellern im Verfahren 6 Msch 6/03p bereits gemäß § 22 Abs 4 Z 3 WGG Parteistellung eingeräumt und ihnen die Möglichkeit gegeben worden sei, binnen 6 Monaten behauptete Berechnungsfehler anzugeben. Auch diese Frist sei präkludiert. Die Rechtskraft des in 6 Msch 6/03p ergehenden Sachbeschlusses erstrecke sich zufolge § 22 Abs 4 Z 6 WGG auch auf die nunmehrigen Antragsteller; der Antrag sei infolge Streitanhängigkeit unzulässig.
Das Erstgericht wies den Überprüfungsantrag der Antragsteller ab und erachtete in rechtlicher Hinsicht, dass ausgehend vom Bezug der Wohnungen im Jahr 1998 die Anträge im Jahr 2005 zufolge § 18 Abs 3 WGG jedenfalls präkludiert seien. Die Verfahrensvorschriften des § 22 Abs 2 WGG seien im Verfahren 6 Msch 6/03p beachtet worden, die Antragsteller hätten - bei geltendem Neuerungsverbot - binnen 6 Monaten Berechnungsfehler anzugeben gehabt. Auch diese Sechsmonatsfrist sei von den Antragstellern nicht eingehalten worden. Maßgeblich sei, dass ein einheitliches Verfahren nach den Vorschriften des § 22 Abs 2 WGG abzuführen sei, sämtliche Vertragspartner der Bauvereinigung in einem solchen Verfahren Parteistellung hätten und die Rechtskraft einer stattgebenden, die Überschreitung des angemessenen Preises feststellenden Entscheidung auch diese Parteien gemäß § 22 Abs 4 Z 6 WGG erfasse. Über einen allfälligen Rückforderungsanspruch sei nicht gesondert, sondern nur als Annex im Sinn des § 37 Abs 4 MRG zu entscheiden.
Dem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz (in der Hauptsache) nicht Folge. Das Rekursgericht teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichts. Einwendungen gegen die Höhe der dem Preis zugrunde gelegten Herstellungskosten seien innerhalb der von § 18 Abs 3 WGG normierten Fristen zu erheben. Diese Frist errechnete das Rekursgericht mit Ende Jänner 2005 als abgelaufen, sodass die erst im September und Oktober 2005 eingelangten Anträge jedenfalls verfristet seien.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Berechnung der nach § 18 Abs 3 WGG zu verlängernden Frist keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn eines Zwischenbeschlusses dahin, festzustellen, dass durch die verrechneten Baukosten insgesamt der zulässige Kaufpreis überschritten werde und daher der Anspruch der Antragsteller dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag an das Rekursgericht, in eventu an das Erstgericht gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Der Gesetzgeber des 3. WÄG BGBl 1993/800 hat mit dem neu eingefügten Abs 3 in § 18 WGG eine zuvor im Verfahrensrecht, nämlich im gleichzeitig aufgehobenen § 22 Abs 3 WGG, enthaltene Regelung ins materielle Recht verlagert und klargestellt, dass die „Einwendungen“ gegen die dem Preis nach § 15 WGG zugrundegelegten gesamten Herstellungskosten (§ 13 Abs 2 WGG) innerhalb einer bestimmten Präklusionsfrist geltend zu machen sind. Zum Unterschied von der früheren Regelung, die eine Frist von drei Jahren vorsah und den Beginn mit Erteilung der baubehördlichen Benützungsbewilligung regelte (§ 22 Abs 3 WGG idF vor dem 3. WÄG), besagt die materiell-rechtliche Regelung des § 18 Abs 3 WGG nun, dass die Einwendungen „binnen drei Kalenderjahren ab erstmaligem Bezug der Baulichkeit“ gerichtlich geltend zu machen sind. Diese Frist „verlängert sich jeweils um ein Kalenderjahr, sofern die Bauvereinigung nicht spätestens sechs Monate vor ihrem Ablauf dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten die endgültige Höhe des Entgelts (Preis) bekanntgegeben hat“.
Obwohl in der Regelung über die Ablaufhemmung (vgl Prader, WGG § 18 E 21) der Frist im zweiten Satz des § 18 Abs 3 WGG nur von der Bekanntgabe der „endgültigen Höhe“ des Preises die Rede ist, hat die Rechtsprechung gefordert, dass eine ordnungsgemäß gelegte, zumindest einer Überprüfung zugängliche Baukostenabrechnung vorliegen muss, um die Präklusionswirkungen des § 18 Abs 3 WGG auszulösen, und die bloße Bekanntgabe eines Endbetrags nicht ausreicht (vgl RIS-Justiz RS0112051; RS0083506; 5 Ob 156/03g = SZ 2003/127).
Ausgehend vom erstmaligen Bezug der Baulichkeit Ende Jänner 1998, der Vorlage der Grund- und Baukostenabrechnung samt Belegen (unbestrittenermaßen erstmals) im Verfahren 6 Msch 6/03p am 2./5. 7. 2004 und Erhebung der hier gegenständlichen Einwendungen durch Verfahrenseinleitung am 30. 9. bzw 7. 10. 2005 ist daher die Frage der Fristberechnung nach Jahren oder Kalenderjahren entscheidend für die Frage ihrer Rechtzeitigkeit.
Höchstgerichtliche Judikatur liegt dazu bisher nicht vor. Soweit der Revisionsrekurs allerdings mit der Begründung der Entscheidung 5 Ob 295/00v = wobl 2001/190 argumentiert und dass dort eine Berechnung nach Kalenderjahren erfolgt sei, ist zu entgegnen, dass dort aus übergangsrechtlichen Gründen wegen des erstmaligen Bezugs der Baulichkeit vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG die dreijährige Frist mit 1. 1. 1994 (Inkrafttreten des 3. WÄG) zu laufen begann (vgl RIS-Justiz RS0112050 [T2]), sodass sich die hier maßgebliche Frage nicht stellte.
Während Würth/Zingher/Kovanyi (in Miet- und Wohnrecht21 Rz 4 zu § 18 WGG) von einer Präklusivfrist von drei Jahren ab dem erstmaligen Bezug der Baulichkeit ausgehen, kann den Materialien zum 3. WÄG (1268 BlgNR 18. GP, 8) nur entnommen werden, dass zur Geltendmachung solcher Einwendungen „jedenfalls ein Zeitraum von mindestens drei Kalenderjahren zur Verfügung stehen sollte“ und „die Präklusionsfrist demgemäß erst mit tatsächlichem Beziehen zu laufen beginnen soll“. Schuster (in Schwimann 2 [Band 4, Wohnrecht] Rz 17 zu § 18 WGG) vertritt dazu die Ansicht, dass zwischen Jahren und Kalenderjahren sehr wohl zu unterscheiden sei, also mit der Präklusionsfrist von drei Kalenderjahren das Ende des dritten auf den Bezug folgenden Kalenderjahrs gemeint sei, die Verlängerungen jeweils wiederum um ein Kalenderjahr ex lege erfolgten.
Sonstige Autoren haben sich, soweit überblickbar, zur hier maßgeblichen Frage nicht geäußert.
Im Ergebnis ist der dargestellten Ansicht von Schuster zu folgen, weil diese allein den Gesetzeswortlaut für sich hat. Kalenderjahr ist hiebei das im Kalender festgelegte Jahr vom 1. 1. bis zum 31. 12. (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch6 918).
Damit endete die durch Hausanschlag im Juli 2004 in Gang gesetzte Ablauffrist des § 18 Abs 3 WGG mit Ablauf des nächsten Kalenderjahres, das heißt am 31. 12. 2005.
Die von den Antragstellern gerichtlich erhobenen Einwendungen waren daher rechtzeitig.
Die den Antragstellern durch Beteiligung am Verfahren 6 Msch 6/03p gesetzte und von ihnen versäumte Äußerungsfrist iSd § 22 Abs 2 lit 2 WGG bewirkte keinen materiellrechtlichen Ausschluss von Einwendungen. Bei dieser Frist zur Bekanntgabe von Berechnungsfehlern in der Endabrechnung handelt es sich nämlich nur um eine prozessrechtliche Frist (vgl 5 Ob 111/08x = wobl 2010/22).
Der Begriff der Streitanhängigkeit ist dem Außerstreitverfahren fremd (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 12 Rz 3). Nach § 12 Abs 2 AußStrG entscheidet bei mehreren Anträgen das Zuvorkommen.
Im fortgesetzten Verfahren wird unter Beachtung der in § 22 Abs 2 und 4 WGG getroffenen Anordnungen die Einheitlichkeit des Verfahrens hinsichtlich aller Nutzungsberechigter herzustellen (vgl RIS-Justiz RS0070429; RS0070599 [T1; T2; T5]; Korinek et al, WGG Anm 16 zu § 22; Popper WGG 207) und - um dies zu gewährleisten -unter Beachtung des § 12 Abs 2 AußStrG eine Verbindung dieses Verfahrens mit dem Verfahren 6 Msch 6/03b des Bezirksgerichts Donaustadt zu erwägen sein.
Da der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund somit nicht schlagend wird, war in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragsteller mit einer Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen samt Zurückverweisung an das Erstgericht vorzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 WGG.
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