Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Text
G r ü n d e :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard P***** von der Anklage, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts K***** vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung an Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996 um insgesamt 2.633.704 S (ds 191.398,73 Euro) bewirkt, freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde aus Z 5, von Letzterer überdies aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind im Recht.
Vorweg ist festzuhalten, dass der gesamte Akteninhalt und der des Verfahrens 21 Hv 176/04x des Landesgerichts Linz einverständlich in der Hauptverhandlung vorgetragen worden (§ 252 Abs 1 Z 4 und Abs 2 StPO iVm § 252 Abs 2a StPO: ON 38 S 4) und solcherart bei der Urteilsfällung zu berücksichtigen gewesen (§ 258 Abs 1 StPO) sind.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Nach der Anklageschrift (ON 6) resultiert der dort angenommene Hinterziehungsbetrag (ON 6 S 26) daraus, dass der Angeklagte einkommensteuerpflichtige Provisionszahlungen, geldwerte Sachleistungen und Spekulationsgewinne aus Aktienkäufen nicht erklärt habe (ON 6 S 142 bis 151). Dabei stützt sich die Anklagebehörde auf die diesbezügliche Anzeige des Finanzamts K***** (ON 4), die ihrerseits auf den Ergebnissen der hinsichtlich des Angeklagten für die Jahre 1994 bis 1996 durchgeführten Betriebsprüfung (ON 4 S 11 bis 51) fußt.
Die Tatrichter gründen den Freispruch darauf, dass das Beweisverfahren nach ihrem Dafürhalten den Verdacht der Verschleierung von Spekulationsgewinnen überhaupt nicht und den nicht ordnungsgemäß erklärten Bezug von Provisionszahlungen nicht in einem Umfang zu erhärten vermochte, der einen insgesamt 75.000 Euro übersteigenden Ausfall an Einkommensteuer zur Folge gehabt hätte.
Wie die Mängelrüge (Z 5) zutreffend ausführt, lässt das Erstgericht dabei Verfahrensergebnisse außer Acht, die seinen den Freispruch tragenden Feststellungen entgegenstehen und solcherart aus dem Blickwinkel des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erörterungsbedürftig sind (Z 5 zweiter Fall).
So weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die angefochtene Entscheidung die Aussage des Zeugen Manfred S*****, der Angeklagte habe in den Jahren 1995 und 1996 2.561.004,45 S (ds 186.115,45 Euro) an Vermittlungsprovisionen erhalten (ON 2 S 84), nicht erörtert. Allein aus diesem Betrag resultiert aber bei Anwendung des 50%igen Steuersatzes schon eine Abgabenschuld in der Höhe von mehr als 93.000 Euro.
Der Umstand, dass der Zeuge seine Depositionen im Rahmen der Hauptverhandlung zum Teil relativierte (so zu verstehen wohl US 6), vermag das Erstgericht nicht von der Verpflichtung zu entbinden, sich mit dessen früherer, den Urteilsfeststellungen widersprechender Aussage auseinanderzusetzen. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass Manfred S***** nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 34) angab, dass seine auf die - hier gegenständlichen - Jahre 1995 und 1996 bezogenen Depositionen im Vorverfahren sehr wohl der Wahrheit entsprachen (ON 34 S 32).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde:
Im Ergebnis zutreffend hält die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) fest, dass das Erstgericht die Ergebnisse der Betriebsprüfung mit offenbar unzureichender Begründung verworfen hat.
Abgabenbehördliche Ermittlungsergebnisse sind - soweit sie (wie hier) in der Hauptverhandlung vorgekommen sind - Beweismittel, auf die das erkennende Gericht gemäß § 258 Abs 1 StPO bei der Urteilsfällung Rücksicht zu nehmen hat. Trifft es diesen gegenteilige Feststellungen, muss es seine diesbezüglichen Überlegungen mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechender Begründung darlegen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Da einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Judikatur die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des jeweils aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS-Justiz RS0087030), erfordert die dargelegte Begründungspflicht insoweit die detaillierte Auseinandersetzung mit den Prämissen und Schlussfolgerungen des abgabenbehördlichen Verfahrens, wobei es unerheblich ist, ob die Grundlagen für die Abgabenerhebung und Festsetzung der Abgaben durch Prüfung der Abgabenerklärungen (§§ 161 bis 165 BAO), Beweisaufnahmen (§§ 166 bis 183 BAO) oder abgabenbehördliche Schätzung (§ 184 BAO) ermittelt worden sind. Werden also - wie hier - Schätzungen angezweifelt, muss sich das Gericht unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit mit deren Grundlagen auseinandersetzen und darlegen, aus welchen - konkret zu bezeichnenden - Verfahrensergebnissen es aufgrund welcher Überlegungen zu Feststellungen gelangt ist, die von den Ergebnissen des Abgabenverfahrens abweichen. Die ohne konkrete Bezugnahme zu den Bescheidgrundlagen erfolgten, demnach bloß pauschalen Behauptungen, das „tatsächliche“ Einkommen des Angeklagten im inkriminierten Zeitraum sei „nicht exakt feststellbar“ (US 6), die Gewinnzuschätzung der Abgabenbehörde sei „durch keine Beweisergebnisse gestützt und damit nicht positiv feststellbar“ (US 7), es würden „Anhaltspunkte“ für die Annahme der Werthaltigkeit einer bestimmten Transaktion (US 8) fehlen und es stehe der Grundsatz „in dubio (richtig:) pro reo“ der Übernahme der Schätzungsergebnisse in die Urteilsfeststellungen entgegen (US 10), werden diesem Erfordernis nicht gerecht.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Erstgericht - wie sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der Finanzbehörde aufgezeigt - zahlreiche Verfahrensergebnisse nicht erörtert hat, die zwar isoliert betrachtet nicht subsumtionsrelevant sind, bei gebotener Gesamtbetrachtung aber durchaus geeignet sind, die Ergebnisse des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens zu stützen und demgemäß bei deren kritischer Würdigung berücksichtigt werden mussten. So etwa die - der diesbezüglichen Urteilsfeststellung (US 5) widersprechenden, durch eine aktenkundige Urkunde (ON 2 S 64) untermauerten - Aussagen der Zeugen Adolf W***** (ON 2 S 60), Dr. Walter B***** (ON 4 S 497) und Manfred S***** (ON 2 S 52 f, 174) sowie des Angeklagten (ON 276 S 97, 101, 102 in 21 Hv 176/04x des Landesgerichts Linz), wonach dieser auch - mit einem gegenüber den der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Wertpapieren erhöhten Provisionsanteil von 15 % versehene - S*****-Aktien vermittelt habe, was überdies auch der vom Angeklagten der Finanzbehörde vorgelegten Aufstellung zu entnehmen ist (ON 37 S 9). Hinzu kommen zahlreiche Verfahrensergebnisse über betraglich konkretisierte, vom Angeklagten vermittelte Wertpapiertransaktionen (ON 2 S 53, 56 f, 60, 64, 66; ON 4 S 433, 439, 485, 497, 529; ON 37 S 9; ON 276 S 97, 98, 101, 102 in 21 Hv 176/04x des Landesgerichts Linz) sowie Angaben des Angeklagten zur Werthaltigkeit auf eigene Rechnung durchgeführter Wertpapiergeschäfte (ON 37).
Aufgrund der dargelegten Begründungsmängel war die angefochtene Entscheidung zur Gänze aufzuheben.
Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde.
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