OGH 2Ob93/09d

OGH2Ob93/09d25.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****-GmbH, *****, vertreten durch MEKF Mörth Ecker Korp Filzmaier Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, gegen die beklagte Partei Franz W*****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen Herausgabe und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. März 2009, GZ 3 R 28/09a-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. November 2008, GZ 45 Cg 44/08a-18, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die klagende Partei hat 2006 mit der E*****-Zentrale (EZ) einen Mietkauf/Nutzungsvertrag hinsichtlich eines Audi Q7 abgeschlossen. Die beklagte Partei hat dieses Fahrzeug am 29. 4. 2008 abgeschleppt. In einem darüber geführten Besitzstörungsverfahren hat das dortige Gericht festgestellt, dass die E*****-Pool (EP) der beklagten Partei am 30. 4. 2008 den Auftrag erteilte, das Fahrzeug „sicherzustellen“ und ihr dazu eine auf sie ausgestellte Zulassungsbescheinigung, eine Medieninformation des Landeskriminalamts Baden Württemberg vom 4. 4. 2008, in der vor betrügerischer Autovermittlung durch die EZ gewarnt wird, sowie ein Schreiben deutscher Rechtsanwälte vom selben Tag übermittelt, in dem alle Fahrzeugbenutzer von Fahrzeugen, die die EP an die EZ vermietet hatte, darüber informiert werden, dass das Mietverhältnis von der EP gekündigt worden sei und die untervermieteten Fahrzeuge daher an Letztere zurückzustellen seien. Mit Beschluss vom 21. 7. 2008 nahm das Bezirksgericht Graz-Ost das Fahrzeug über Antrag der beklagten Partei als Erleger in gerichtliche Verwahrung gemäß § 1425 ABGB. Zum gerichtlichen Verwahrer bestellte es die beklagte Partei. Der Erlag wurde mit dem Zeitraum von einem Jahr ab Beschlussfassung beschränkt und ausgesprochen, dass danach der Pkw einer Verwertung zugeführt werde.

Mit der vorliegenden, am 30. 4. 2008 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die Herausgabe des Fahrzeugs, mit der Begründung, es habe kein Grund zur „Einziehung“ des Fahrzeugs bestanden. Die Anzahlung und die vereinbarten Monatsraten seien von der klagenden Partei ordnungsgemäß geleistet worden. Von der Aufkündigung des „Leasingvertrags“ habe die klagende Partei nie Kenntnis erlangt, die Verbringung des Fahrzeugs sei nicht rechtmäßig. Die beklagte Partei könne sich nicht auf eine Vollmacht der EP berufen, weil diese niemals Eigentümerin des Pkw gewesen sei. Eine Legitimation zur Abschleppung des Fahrzeugs habe nicht bestanden. Auch für eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB sei kein Raum gewesen, weil sich die beklagte Partei selbst in die Situation gebracht habe, indem sie ohne entsprechende Legitimation das Fahrzeug abgeschleppt habe. Am 29. 8. 2008 stellte die klagende Partei einen Zwischenantrag auf Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Hinterlegung.

Die beklagte Partei wandte dagegen ein, zur Abholung und Einziehung des Pkw von der Eigentümerin des Fahrzeugs, der EP, beauftragt worden zu sein. Der Angelegenheit gehe eine Betrugsaffäre der EZ voraus. Da das Fahrzeug auf die EP zugelassen gewesen sei, habe die beklagte Partei im guten Glauben davon ausgehen können, dass sie zur Abschleppung in deren Auftrag berechtigt sei. Durch die Hinterlegung habe die beklagte Partei schuldbefreiend geleistet. Das Klagebegehren sei daher jedenfalls abzuweisen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und den Zwischenantrag auf Feststellung ab. Weder die EP noch die klagende Partei könne einen Titel vorweisen, der klar und deutlich die Eigentumsverhältnisse zum Ausdruck bringe. Gerade für eine solche Situation sei § 1425 ABGB vorhanden. Die beklagte Partei habe sich nicht selbst in die Lage versetzt, sondern habe einen Auftrag zur Einziehung gehabt. Sie habe davon ausgehen können, dass ihre Vollmachtgeberin als Mieterin in der konkreten Situation den stärkeren Titel gegenüber der beklagten Partei als Nutzerin aufweise und auch ein Interesse an der Selbsthilfe in Form der Sicherstellung bestehe. Der rechtskräftig festgestellte Eingriff in die Besitzrechte der klagenden Partei sei in dieser Form für die beklagte Partei nicht erkennbar gewesen. Da die Hinterlegung mit schuldbefreiender Wirkung die einzige Möglichkeit für die beklagte Partei gewesen sei, sei auch der gestellte Zwischenantrag auf Feststellung abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die beklagte Partei habe sich zwei Forderungsprätendenten gegenüber gesehen, weshalb die Hinterlegung rechtmäßig erfolgt sei. Da die beklagte Partei beim Erlag die klagende Partei als Forderungsprätendent bezeichnet habe, sei sie durch die rechtmäßige Hinterlegung von ihrer Verbindlichkeit zur Herausgabe befreit worden. Die Ausfolgung könne nur erfolgen, wenn der Erleger und derjenige, zu dessen Gunsten erlegt wurde, zustimmten oder gegen alle ein Urteil erwirkt sei. Ob die beklagte Partei ein Verschulden an der Durchführung der von der EP beauftragten Verbringung des Fahrzeugs getroffen habe, könne dahingestellt bleiben, weil ein Herausgabe- und kein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werde. Dem Zwischenantrag auf Feststellung sei die Grundlage dadurch entzogen, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Annahme des Fahrzeugs als Gerichtserlag vorhanden sei. Auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen könne nicht geklagt werden. Die ordentliche Revision sei mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt:

Richtig ist, dass nur ein rechtmäßiger Erlag schuldbefreiende Wirkung entfaltet (RIS-Justiz RS0033636; Reischauer in Rummel³ § 1425 ABGB Rz 25) und dass die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung nicht im Hinterlegungsverfahren geprüft wird (dort erfolgt nur eine Schlüssigkeitsprüfung: Reischauer aaO Rz 17), sondern im streitigen Verfahren zu entscheiden ist (Reischauer aaO Rz 17 und 34).

Das Vorbringen der beklagten Partei läuft im Wesentlichen darauf hinaus, die Herausgabe des Fahrzeugs sei ihr im Hinblick auf die gerichtliche Verwahrung unmöglich.

Die Verurteilung zu einer Leistung kann aber selbst im Fall nachträglicher Leistungsunmöglichkeit nur dann unterbleiben, wenn keine ernstzunehmende, ins Gewicht fallende Chance besteht, dass die Leistung wenigstens später erbracht werden kann. Steht hingegen praktisch mit Sicherheit fest, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann, kann der Gläubiger nicht auf dem Erfüllungsanspruch beharren (RIS-Justiz RS0016423).

Im vorliegenden Fall wurde der Erlag aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen lediglich für ein Jahr nach Beschlussfassung angenommen und die nachfolgende Verwertung angekündigt. Selbst wenn daher der beklagten Partei für die Zeit der gerichtlichen Verwahrung die Ausfolgung der begehrten Speziessache unmöglich war, kann dies für die Zeit danach nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Auf die in der Revisionsbeantwortung vorgebrachte Tatsache, dass inzwischen im Hinterlegungsverfahren mit Beschluss die Ausfolgung des Pkw an die klagende Partei angeordnet wurde, kann im Revisionsverfahren als Neuerung nicht Bedacht genommen werden.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren nach Erörterung mit den Parteien Feststellungen zu den Chancen der Leistungserbringung zu treffen und sodann neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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