OGH 11Os31/10h

OGH11Os31/10h23.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsumy als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nina S***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 22. Jänner 2010, GZ 36 Hv 157/09a-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nina S***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (A./) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 25. August 2009 in Wien - zusammengefasst wiedergegeben -

A./ zur Ausführung der strafbaren Handlung des Razvan B*****, nämlich dem vorschriftswidrigen Überlassen von morphinhältigen Compensan-Tabletten durch in gewerbsmäßiger Absicht ausgeführten Verkauf an Evelyne K*****, beigetragen, indem sie ihm die Abnehmerin vermittelte;

B./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich morphinhältige Compensan-Tabletten und eine buprenorphinhältige Suboxone-Tablette besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10a StPO - der Sache nach auch Z 9 lit a und b - gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider kommt dem Umstand der Tatplanung im Vorfeld keine Bedeutung für entscheidende Tatsachen zu, weswegen das Gericht auch nicht gehalten war, sich mit einzelnen Aussagedetails der geständigen Angeklagten auseinanderzusetzen.

Mit Blick auf die Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, sie habe Compensan-Tabletten auf Ersuchen des Razvan B***** und im Wissen, dass dieser die Tabletten verkaufen wollte, eingesteckt sowie Evelyne K***** mit den Worten „Alex die will was von dir“ bloß an Razvan B***** verwiesen, bekämpft sie die erstgerichtliche Annahme der Herstellung des Kontakts zur Suchtgiftabnehmerin sowie jene der subjektiven Tatseite.

Diesbezüglich genügt der Hinweis, dass die kritisierten Urteilsannahmen in dem in der Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragenen (ON 53 S 11), auf eigene Beobachtung basierendem Amtsvermerk des Alexander Sch***** hinreichend Deckung finden, wonach K***** von Nina S***** und einer weiteren weiblichen Person mit den Worten, „Du brauchst Compi? Komm mit, wir haben welche“ angesprochen und mit dem Bemerken „Sie da braucht Compensan“ zu Razvan B***** gebracht worden sei (S 37 in ON 3 in ON 18; US 4). Weil die Tabletten überdies bei Nina S***** sichergestellt wurden (S 3 und 39 in ON 3 in ON 18), bedurfte es im Hinblick auf deren geständige Verantwortung und mit Bedacht auf das Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) eines Eingehens auf einzelne weitere Aussagedetails der Beschwerdeführerin nicht.

Im Übrigen wurde die Tat nicht unter § 27 Abs 1 Z 1 neunter Fall SMG subsumiert und der Angeklagten auch die geforderte untergeordnete Tatbeteiligung zugebilligt, weshalb die Frage der Kontaktaufnahme unter dem Blickwinkel des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und des unbestritten gebliebenen Hinweises auf den Bedarf der Evelyne K***** an Compensan-Tabletten keine entscheidende Tatsache betrifft.

Indem die Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter Fall) lediglich behauptet, es hätte Konstatierungen zum Lauf und zur Dauer der Probezeit bedurft, macht sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (der Sache nach Z 9 lit a) geltend, ohne prozessordnungsgemäß aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb es zur Subsumtion des konstatierten Tatgeschehens unter § 27 Abs 1 Z 1 zweiter bzw achter Fall SMG derartiger Feststellungen bedurft hätte.

Der weiters im Rahmen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ausgesprochene Umstand einer die Angeklagte betreffenden der Urteilsfällung vorangehenden Erledigung eines Strafverfahrens wegen § 127 StGB und § 27 Abs 1 SMG (US 3) durch Diversion fand bereits durch die Erörterung mit der Angeklagten (ON 53 S 11) in die Hauptverhandlung Eingang.

Die Darstellung einer Diversionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO ist unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 Abs 1 und 2 StPO bzw nach §§ 35 Abs 1 und 2 iVm § 37 SMG auf Basis der Urteilsfeststellungen methodisch vertretbar zu entwickeln.

Sie verfehlt aber den gesetzlichen Bezugspunkt, wenn sie die Urteilsannahmen vernachlässigt, wonach die Angeklagte den Razvan B*****, der in der Absicht handelte, sich durch wiederkehrenden Drogenverkauf eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, beim Verkauf einer - aus dessen Substitutionsration beiseite geschafften - Compensan-Tablette durch Vermittlung der Suchtgiftabnehmerin Evelyne K***** unterstützte (US 3 f), und ungeachtet der gewerbsmäßigen Vorteilsziehung durch Razvan B***** aus der Tat lediglich vorbringt, die Angeklagte würde die Voraussetzungen für einen vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung nach § 35 SMG erfüllen. Eine Gewöhnung der Angeklagten an Suchtmittel wurde nicht einmal behauptet (ON 53 S 7).

Das zum AZ 70 BAZ 283/06f der Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen die Angeklagte wegen § 127 StGB und § 27 Abs 1 SMG geführte und gemäß § 203 StPO bzw § 35 SMG beendete Verfahren (US 3) wird im Rahmen des Vorbringens zwar erwähnt, diesem aber jegliche spezialpräventive Bedeutung abgesprochen.

Die Diversionsrüge legt dabei entgegen den Prozessgesetzen nicht dar, weshalb mit Blick auf den Umstand eines vom Erstgericht tatsächlich nicht angenommenen ordentlichen Lebenswandels und einer durchgehenden Erwerbstätigkeit der Angeklagten, die Alleinerzieherin ist, eine Bestrafung nicht geboten erscheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, und weshalb die spezialpräventiven Bedenken des Erstgerichts ausgehend von einem bereits diversionell beendeten Verfahren und der Unterstützung eines gewerbsmäßig agierenden Täters im konkreten Fall die Ablehnung der Diversion nicht zu tragen vermögen (RIS-Justiz RS0119091, RS0117211).

Im Rahmen der Berufung rügt die Beschwerdeführerin die Nichtanwendung des § 191 Abs 1 und Abs 2 StPO und macht damit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO geltend. Dabei behauptet sie einen geringen Störwert der Tat ohne prozessordnungsgemäß aufzuzeigen, weshalb die Schuld als gering anzusehen sei, und legt den Anfechtungsrahmen verfehlend auch nicht dar, weshalb eine Bestrafung der Angeklagten ungeachtet des Beitrags zu einer gewerbsmäßig begangenen strafbaren Handlung nach dem Suchtmittelgesetz und einer nicht weit zurückliegenden Erledigung eines Verfahrens wegen eines einschlägigen Delikts mittels Diversion weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen geboten erscheine.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Anzumerken bleibt einerseits, dass aus dem zweiten Anwendungsfall der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO nur die rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungstatsachen bekämpft werden kann, nicht aber die Feststellung des Strafzumessungssachverhalts (RIS-Justiz RS0099869). Der Umstand, dass die Tat entgegen den Konstatierungen nicht während der Probezeit (das Vorverfahren wurde am 12. Mai 2009 durch das Bezirksgericht Purkersdorf zum AZ 8 U 68/06k endgültig beendet) begangen wurde, wird durch das Berufungsgericht zu berücksichtigen sein.

Andererseits ist unter „Verschaffen“ von Suchtgift im Sinne von § 27 Abs 1 neunter Fall SMG auch die Vermittlung des Überlassens durch einen anderen zu verstehen (RIS-Justiz RS0116841), weswegen dem Urteil demnach in Ansehung des Schuldspruchs A./ - der Angeklagten jedoch nicht zum Nachteil gereichend - der materielle Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO anhaftet, weil der Vermittler nicht als Beitragstäter zum Überlassen von Suchtgift durch einen anderen, sondern als unmittelbarer Täter tätig wird (vgl Litzka/Matzka/Zeder SMG2 § 27 Rz 26),und daher das Tatgeschehen richtigerweise unter § 27 Abs 1 neunter Fall SMG zu subsumieren gewesen wäre.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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