Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.509,58 EUR (darin 556,63 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 25. 1. 2006 einen „Sportwetten-Annahmestellenvertrag“, dem sie die „Vertriebsaufgaben und Bestimmungen zur Führung einer Sportwetten-Annahmestelle“ (im Folgenden nur: AGB) zugrundelegten. Laut P. 5.1 und P. 5.2 AGB begründeten sie damit ein Agenturverhältnis, in dessen Rahmen der Kläger im Namen und auf Rechnung der beklagten Partei tätig wurde und im Außenverhältnis als deren Erfüllungsgehilfe fungierte. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte es, von den Wettinteressenten Wettscheine „gegen Entrichtung des jeweiligen Preises pro Wette“ entgegenzunehmen, die Wettdaten mittels des ihm zur Verfügung gestellten, durch ein Passwort gesicherten Online-Terminals elektronisch an die beklagte Partei zu übermitteln und den Wettenden Wettscheine und Wettquittungen (wieder) auszuhändigen (P.G 3.1 AGB). Für jeden Wetteinsatz gebührte dem Kläger eine Provision in Höhe von 5 % (P. 6. AGB). Die Verrechnungsmodalitäten waren wie folgt geregelt (P. 3.2 AGB):
„Die Wetteinsätze einer Abrechnungsperiode abzüglich der dem Vertragspartner nach Punkt 6 zustehenden Provision werden [.......] von der Gesellschaft von einem vom Vertragspartner namhaft zu machenden Konto abgebucht, wobei der Vertragspartner für die rechtzeitige Dotierung des Kontos in der erforderlichen Höhe zu sorgen hat.“
Gemäß P. XIII des Vertrags wurde der Gesellschaft vom Kläger eine Einziehungsermächtigung erteilt. Die Beträge wurden auf Basis eines vom Terminal ausgedruckten „Wochenberichts“ abgebucht. Ob der Kläger die darin aufscheinenden Wetteinsätze tatsächlich vereinnahmt hatte, war für die beklagte Partei nicht erkennbar.
Der Kläger war befugt, sich zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Agenturvertrag einer dritten Person zu bedienen (P. 8.1 AGB), für die er „wie für sich selbst“ haften sollte (P. 8.2 AGB). Er beschäftigte eine Mitarbeiterin. Diese übermittelte im Zeitraum zwischen 4. und 26. 8. 2006 in Unkenntnis des Klägers über den Lotto-Terminal eigene Wettdaten an die beklagte Partei und druckte für sich die die Annahme der Wetten bestätigenden Spielscheine aus, ohne die Wetteinsätze zu bezahlen. Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. 1. 2008 wurde sie deshalb wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a StGB verurteilt und zu einer Zahlung von 25.954,05 EUR an den Kläger (als Privatbeteiligten) verpflichtet.
Der Kläger begehrte mit der am 19. 6. 2008 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der beklagten Partei Zahlung von zuletzt 24.656,35 EUR sA mit der Behauptung, sie habe den genannten Betrag zu Unrecht von seinem Konto abgebucht. Aufgrund des Vertriebsvertrags sei er nur verpflichtet gewesen, die tatsächlich eingenommenen Wetteinsätze an die beklagte Partei abzuführen. Da die Abbuchung rechtsgrundlos erfolgt sei, stehe ihm ein Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB zu. Als weitere Anspruchsgrundlage nannte er den verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch nach § 1014 ABGB. Das Schadensereignis stehe in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten. Betrügereien von Angestellten kämen häufig vor und seien nicht von vornherein als unwahrscheinlich anzusehen. Er habe die Wahlmöglichkeit, den Schaden gegen die Schädigerin oder gegen den Geschäftsherrn geltend zu machen und sei auch zur Abtretung seines Schadenersatzanspruchs an die beklagte Partei bereit.
Die beklagte Partei hielt dem Bereicherungsanspruch das Bestehen gültiger Vertragsverhältnisse entgegen. Die Abbuchung sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Gegen einen Anspruch des Klägers nach § 1014 ABGB wandte sie ein, die Zufügung des Nachteils sei durch seine ihm selbst zuzurechnende Angestellte erfolgt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Entgegennahme von Wettscheinen gegen Entrichtung des jeweiligen Preises falle zur Gänze in den Aufgabenbereich des Klägers. Der rechtfertigende Grund für die Vermögensverschiebung zu Gunsten der beklagten Partei liege darin, dass diese infolge der Weiterleitung der Wettdaten vom Abschluss einer Wette ausgehen habe müssen und sie ihrerseits ihre vertraglichen Pflichten sowohl gegenüber dem Kläger (durch Zahlung der Provision) als auch gegenüber der Wettenden (durch Zahlung allfälliger Wettgewinne) erfüllt habe. Auch die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1014 ABGB lägen nicht vor. Die Angestellte des Klägers sei nicht in Erfüllung ihres Dienstverhältnisses tätig geworden, sondern habe diese Stellung zu deliktischem Handeln ausgenützt. Es sei ausschließlich Sache des Klägers gewesen, seine Mitarbeiterin zu überwachen und zu kontrollieren.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es mit Zwischenurteil das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Klägers, wonach die beklagte Partei zur Abbuchung gar nicht entrichteter Wetteinsätze vom Konto des Klägers nicht berechtigt gewesen sei. Rechtsgrundlage für dessen Anspruch sei aber nicht § 1431 ABGB, weil es nicht durch eine Leistung des Klägers zu einer Bereicherung der beklagten Partei gekommen sei. Maßgeblich sei § 1041 ABGB, der auch bei Bereicherungen zur Anwendung komme, die durch einen Eingriff des Bereicherten in die Güter des Verkürzten erfolge. Ein Verwendungsanspruch nach dieser Bestimmung sei zwar ausgeschlossen, wenn ein die Vermögensverschiebung rechtfertigender Vertrag mit dem Verkürzten bestehe. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die der beklagten Partei vertraglich eingeräumte Befugnis, Gelder vom Konto des Klägers abzubuchen, diene nur der „Abwicklung“; die Regelung solle klarstellen, wie die beklagte Partei zu den vom Kläger vereinnahmten Wetteinsätzen kommt. Dass dieser das gesamte Risiko nicht bezahlter Wetteinsätze tragen solle, gehe aus dem Vertrag nicht hervor. Auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung sei ein solches Ergebnis nicht zu erzielen: Einerseits lukriere die beklagte Partei fast den gesamten wirtschaftlichen Vorteil aus den Wettverträgen, sodass es durchaus billig erscheine, ihr das Risiko betrügerischer Vorgangsweisen aufzubürden; andererseits stehe nur sie in einer Vertragsbeziehung zu den Wettenden, weshalb es auch nur ihr möglich sei, Ansprüchen der Wettenden deren Vertragsverletzung entgegenzuhalten. Der Verwendungsanspruch sei auch nicht deshalb erloschen, weil der Kläger bereits über einen Exekutionstitel gegen seine ehemalige Mitarbeiterin verfüge.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig. Der Auslegung einer typischen Vertragsbestimmung, die für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsam sein könnte - die beklagte Partei behauptet nachvollziehbar eine Vielzahl gleichlautender Verträge -, kommt erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit zu (RIS-Justiz RS0042871 [T10, T11 und T14]). Dazu kommt, dass die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts unvertretbar ist.
Die beklagte Partei macht geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht vom Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Vertragsverhältnisses ausgegangen; das Gegenteil ergebe sich aus P. 3.2 AGB.
Hiezu wurde erwogen:
1. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch primär auf § 1431 ABGB gestützt. Leistungskondiktionen setzen eine Leistung des Verkürzten an den Bereicherten voraus, wobei unter der Leistung eine bewusste Zuwendung zur Erreichung eines bestimmten Zwecks zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0020192; Koziol in KBB² Vor §§ 1431-1437 Rz 1). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass § 1431 ABGB als Anspruchsgrundlage schon mangels Vorliegens einer Leistung des Klägers nicht in Frage kommen kann.
2. Der Verwendungsanspruch des § 1041 ABGB entfällt, wenn die Vermögensverschiebung gerechtfertigt ist; das ist vor allem dann der Fall, wenn sie durch einen Vertrag zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten gedeckt ist (RIS-Justiz RS0020032). Ob dies auch im vorliegenden Fall zutrifft, ist das Hauptthema der Revision.
3. Das als Agenturvertrag qualifizierte Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen (vgl dazu auch Binder in Schwimann, ABGB³ V § 1274 Rz 5 ff) umfasst neben den Hauptleistungspflichten (Vertragsabschlüsse im Namen und auf Rechnung der beklagten Partei gegen Zahlung einer Provision) auch Nebenleistungspflichten. Die Nebenleistungspflichten des Klägers bestanden ua darin, die Wettdaten an die beklagte Partei zu übermitteln, von den Kunden die Wetteinsätze zu kassieren und diese auf die in P. 3.2 AGB beschriebene Weise an die beklagte Partei abzuführen.
4. Bei der Auslegung der strittigen Vertragsbestimmung ist zu beachten, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie - wie hier - nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, nach ständiger Rechtsprechung objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut so auszulegen sind, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen; Unklarheiten gehen iSd § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders (RIS-Justiz RS0008901, RS0018008), hier also der beklagten Partei. In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (2 Ob 137/08y; RIS-Justiz RS0017960).
Der Begriff „Wetteinsatz“ ist in P. 3.1 AGB als „Preis pro Wette“ definiert. In P. 3.2 AGB ist nicht vom „entrichteten“ Wetteinsatz die Rede. Vor allem aber kommt es nach dem Zweck der Regelung, der beklagten Partei die Einziehung der Wetteinsätze vom Konto des Klägers zu ermöglichen, nicht auf die tatsächliche Vereinnahmung der Wetteinsätze an. Im Sinne der dargestellten vertraglichen Nebenleistungspflichten lag es im alleinigen Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Klägers, dafür zu sorgen, dass die der beklagten Partei zur Kenntnis gebrachten Wetteinsätze mit den kassierten Beträgen übereinstimmen. Diese Notwendigkeit ergab sich schon daraus, dass die beklagte Partei bei der Ermittlung der abzubuchenden Beträge allein auf die ihr vom Kläger elektronisch übermittelten Daten angewiesen war und keine Möglichkeit hatte, die tatsächlichen Vorgänge nachzuvollziehen. Grundlage für die Abbuchung vom Konto des Klägers konnten demnach bei objektiver Betrachtung nur die über den durch Passwort gesicherten Lotto-Terminal des Klägers an die beklagte Partei weitergeleiteten Wettdaten sein. Demnach ist die strittige Vertragsbestimmung dahin auszulegen, dass die beklagte Partei zur Abbuchung der ihr mitgeteilten Wetteinsätze berechtigt war.
Dieses Auslegungsergebnis ist unabhängig davon, ob zwischen dem Wettenden und der beklagten Partei ein gültiger Wettvertrag zustande gekommen ist; die diesbezüglichen Ausführungen in der Revisionsbeantwortung des Klägers können daher auf sich beruhen. Es ist ferner nicht maßgeblich, ob die Datenübermittlung durch den Kläger persönlich, oder durch seine Mitarbeiterin vorgenommen wurde, deren er sich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber der beklagten Partei bediente.
Da der beanstandete Abbuchungsvorgang in P. 3.2 AGB vertragliche Deckung findet, steht dem Kläger auch kein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zu.
5. § 1014 ABGB normiert ua eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Gewaltgebers für allen mit der Erfüllung des Auftrags verbundenen Schaden (RIS-Justiz RS0019610). Die Haftung setzt demnach nur ein, wenn der Schaden mit der Erfüllung des Auftrags „verbunden“ ist. Es muss sich also ein spezifisches Risiko der Tätigkeit des Geschäftsbesorgers im Rahmen des erteilten Auftrags verwirklichen und ein Schaden „ex causa mandati“ entstanden sein (vgl 8 ObA 81/03x mwN; RIS-Justiz RS0019747). Das später im Schaden verwirklichte Risiko darf nicht bloß mit der Tätigkeit als solcher, sondern es muss spezifisch mit der im Rahmen der Auftragserfüllung gesetzten Aktivität verbunden sein (vgl 9 ObA 326/99b). Die (dispositive) Regelung des § 1014 ABGB beruht auf der Erwägung, dass der Geschäftsherr einerseits aus einem in seinem Interesse getätigten Geschäft alle Vorteile erlangen soll (§ 1009 ABGB), andererseits aber auch die Kosten und alle geschäftsspezifischen Risiken tragen soll, auch wenn ihn kein Verschulden trifft. Sie ist auch auf andere Fälle einer Tätigkeit im fremden Interesse analog anwendbar (Apathy in Schwimann, ABGB³ IV § 1014 Rz 1).
Diese Voraussetzungen für eine verschuldensunabhängige Haftung nach der in Rede stehenden Gesetzesstelle sind im vorliegenden Fall allerdings nicht gegeben. Im Übrigen ergibt sich auch aus der vertraglichen Regelung, wonach der Kläger bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten für die von ihm eingesetzten Personen „wie für sich selbst“ zu haften habe (P. 8.2 AGB), dass das deliktische Verhalten seiner Mitarbeiterin ausschließlich seinem persönlichen Risikobereich, nicht aber jenem der beklagten Partei zuzurechnen ist.
6. Aus den dargelegten Erwägungen ist in Stattgebung der Revision das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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