Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde der Angeklagte Paul K***** des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. März 2009 in Anif in einer durch langjähriges feindseliges Verhalten des Paul K***** sen. (seines Vaters) begründeten allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung sich dazu hinreißen lassen, Paul K***** sen. durch fünf Stiche mit einem Fleischermesser mit 18 cm langer Klinge in den Oberkörper, wodurch dieser infolge eines Herzpumpenversagens bei zweifachem Herzstich verstarb, vorsätzlich zu töten.
Die Geschworenen hatten die (anklagekonform) nach dem Verbrechen des Mordes gemäß § 75 StGB gestellte Hauptfrage verneint und die Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags gemäß § 76 StGB bejaht.
Diesen Schuldspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf Z 6 und Z 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand einer Fragenrüge nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO ist die Geltendmachung der Verletzung einer der in den §§ 312 bis 317 enthaltenen Vorschriften. Nach § 314 Abs 1 dritter Fall StPO ist eine Eventualfrage an die Geschworenen (nur) dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge, welche die vorschriftswidrige Stellung einer Eventualfrage moniert, verlangt solcherart die (methodengerecht abgeleitete) Darlegung, dass durch das in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachensubstrat der Tatbestand der von der Eventualfrage erfassten strafbaren Handlung nicht verwirklicht wird (vgl - umgekehrt - zur Rüge einer unterbliebenen Fragestellung RIS-Justiz RS0119418, RS0117447; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23, 43). Der somit vorzunehmende Vergleich der in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen mit der der Eventualfragestellung zu Grunde liegenden rechtlichen Kategorie ist nicht auf der Grundlage einzelner, isoliert betrachteter Beweisergebnisse, sondern unter Berücksichtigung sämtlicher (für die in Rede stehende Subsumtionsfrage entscheidender) Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit zu führen (vgl RIS-Justiz RS0120766).
Diesen Anforderungen wird die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerecht:
Denn zum Nachweis behaupteter fehlender allgemeiner Begreiflichkeit der (auch von der Anklagebehörde nicht in Frage gestellten) tataktuellen heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten verweist die Beschwerdeführerin mit dem Argument, dass „die auch vom Angeklagten als berechtigt angesehenen Forderungen aus dem Übergabevertrag sowie die Beschimpfungen seines beinahe 83-jährigen alten Vaters und dessen mangelnde Gesprächsbereitschaft bei einem rechtstreuen Durchschnittsmenschen einen derartigen Affektsturm nicht auszulösen vermögen“, bloß einzig und isoliert auf die (unmittelbar) affektauslösende Tatsituation. Sie lässt damit - und ebenso mit dem kein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung relevierenden, sondern spekulativen Argument, wonach „der Angeklagte nicht dermaßen überrascht sein konnte, dass ein daraus [nämlich aus dem verbal aggressiven Verhalten seines Vaters] resultierender Affektsturm allgemein begreiflich wäre“, mit dem im Übrigen außer Acht gelassen wird, dass eine Vorhersehbarkeit des Affekts für den Täter der Anwendung des § 76 StGB nicht entgegensteht (Leukauf/Steininger Komm³ § 76 RN 14; RIS-Justiz RS0092271 [T2]) - die Vorgeschichte des affektauslösenden (vgl dazu die Ausführungen des psychiatrischen Experten ON 55 S 71 f) Anlasses, nämlich die vom Angeklagten (ON 55 S 13 ff, va 25 u 27) sowie den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Marianne K***** (der Gattin des Angeklagten, ON 55 S 76 ff), Gertrud R***** (der Schwester des Angeklagten, ON 55 S 86 ff), Dr. Franz P***** (ON 55 S 51 ff), Ludwig Kn***** (ON 55 S 93 ff), Paul K***** jun. (ON 55 S 97 ff) und Gertrude H***** (ON 55 S 99 ff) geschilderte gleichsam tyrannenhaft-systematische Feindseligkeit des Tatopfers gegenüber dem Angeklagten und dessen Familie gänzlich unberücksichtigt. Damit übergeht die Anklagebehörde aber für die Beurteilung der allgemeinen Begreiflichkeit der tataktuellen heftigen Gemütsbewegung entscheidende Verfahrensergebnisse. Ob eine heftige Gemütsbewegung allgemein begreiflich ist, kann nämlich nur nach einem objektiv-normativen Maßstab beurteilt werden, wobei im Sinn eines anzulegenden individualisiert-objektiven Maßstabs alle konkreten Tatumstände und psychologischen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, somit (gerade im Fall lange andauernder persönlicher Konfliktsituationen) auch die Vorgeschichte der (unmittelbar) affektauslösenden Tatsituation (RIS-Justiz RS0092271 [T5]; 13 Os 51/04, 14 Os 20/04; Moos in WK² § 76 Rz 33, 44 f).
Bezugspunkt einer Subsumtionsrüge (Z 12) im Geschworenenverfahren ist der Vergleich der ausschließlich im Wahrspruch selbst enthaltenen Feststellungsbasis (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613) mit dem darauf angewendeten Gesetz. Der Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift gehört nicht zum Wahrspruch und kann daher nicht zum Gegenstand einer Subsumtionsrüge gemacht werden (RIS-Justiz RS0100846; vgl Philipp, WK-StPO § 331 Rz 9, Ratz, WK-StPO § 345 Rz 71). Indem die Staatsanwaltschaft ausgehend von den in der Niederschrift zum Ausdruck kommenden Überlegungen der Geschworenen, nicht aber auf der Grundlage der in deren Wahrspruch getroffenen Tatsachenfeststellungen eine angeblich rechtsirrige Annahme allgemeiner Begreiflichkeit der zur Tatzeit vorgelegenen heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten moniert, verfehlt sie demgemäß die prozessordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie schon die Generalprokuratur zutreffend darlegte - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1, 344 StPO).
Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft obliegt damit dem Oberlandesgericht (§§ 285i, 344 StPO).
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