Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss und der erstinstanzliche Sachbeschluss werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
Das Begehren des Antragstellers, es werde „gegenüber den Miteigentümern der Liegenschaft in EZ ***** GB *****, bestehend aus der GStNr 128/1, Baufläche (Gebäude), landwirtschaftlich genutzt, festgestellt, dass er gegen Leistung eines jährlichen Betrags von 400 EUR an die Miteigentümergemeinschaft berechtigt sei, die in der einen integrierenden Bestandteil [des Antragsschriftsatzes] bildenden Planskizze ausgewiesenen verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft für den Betrieb eines Gastgartens zu nutzen", wird abgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, den 27. und 28. Antragsgegnern deren mit 930,24 EUR (darin 155,04 EUR USt) bestimmte Verfahrenskosten erster Instanz, die mit 464,54 EUR (darin 77,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 767,28 EUR (darin 92,88 EUR USt und 210 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Antragsteller und sämtliche Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, auf der die Häuser W*****straße 2 und W*****straße 4 errichtet sind.
Mit den Miteigentumsanteilen des Antragstellers an dieser Liegenschaft ist das Wohnungseigentum an GR 27, LR 28, GR 2 und W 6 verbunden. Er betreibt im Erdgeschoß des Objekts W*****straße 2 ein Cafe-Restaurant. Dem gesamten Geschäftslokalbereich samt Wintergarten ist eine 2,15 m breite, ca 17 m lange Fläche vorgelagert, die von einem Eingang zu den Wohnungen des Hauses W*****straße 2 zu einem Hof führt, von dem aus man das Objekt W*****straße 4 erreicht. Diese Fläche stellt die einzige ebenerdige Verbindung zwischen den Gebäuden W*****straße 2 und W*****straße 4 auf der im gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaft dar. Steht diese Fläche nicht zur Verfügung, muss, um von einem Haus zum anderen zu gelangen, der öffentliche Gehsteig benützt werden. Der dadurch zurückzulegende Umweg ist allerdings äußerst geringfügig und beträgt nach der Planskizze etwa 4,5 m. Der Gehsteig schließt nämlich unmittelbar an die beschriebene Fläche an und ist von dieser nur durch Blumentröge getrennt.
Die Gebäude W*****straße 2 und W*****straße 4 verfügen über eine gemeinsame Tiefgarage. Aus dieser ist ein Zugang in beide Häuser möglich.
Sowohl der Rechtsvorgänger des Antragstellers als auch er selbst haben diese Fläche zumindest bis Sommer 2007 als Gastgarten genützt. Sind auf dieser Fläche Tische und Sessel zum Betrieb des Gastgartens aufgestellt, ist ein Durchgang kaum möglich.
Der Rechtsvorgänger des Antragstellers benützte die Terrassenfläche zum Betrieb eines Gastgartens aufgrund einer prekaristischen Vereinbarung mit der Eigentümergemeinschaft. In einer Eigentümerversammlung vom 1. 6. 2005 wurde das Prekarium aufgelöst. Zu einer neuen Vereinbarung mit dem Antragsteller kam es nicht.
Ein Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer über eine Genehmigung der Benützung der Terrasse wurde durch gerichtliche Entscheidung über Begehren der 27. und 28. Antragsgegner aufgehoben, weil für eine Benützungsregelung gemäß § 17 Abs 1 WEG Schriftlichkeit und Einstimmigkeit erforderlich ist (vgl GZ 18 Msch 7/08f-23 des Bezirksgerichts Bregenz).
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt der Antragsteller gemäß § 17 Abs 2 WEG eine Benützungsregelung wie aus dem Spruch ersichtlich. Überdies erklärte er sich bereit, die Bepflanzung der diese Fläche begrenzenden Blumentröge vorzunehmen und den Winterdienst im gegenständlichen Bereich zu verrichten, was der Eigentümergemeinschaft zum Vorteil gereiche. Er sei wirtschaftlich vom Gastgartenbetrieb abhängig. Die beanspruchte Fläche sei kein notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft und daher einer Benützungsregelung zugänglich. Es sei nur beabsichtigt, sieben Tische aufzustellen und diese stirnseitig nicht zu bestuhlen, sodass Fußgängern ein Durchgang entlang des Gebäudes zur Verfügung stehe.
Am Verfahren haben sich von den Miteigentümern nur die 27. und 28. Antragsgegner beteiligt. Sie bestritten das Vorbringen des Antragstellers und beantragten Abweisung des Antrags. Bei der gegenständlichen Fläche handle es sich um einen Verkehrsweg und sohin einen zwingend allgemeinen Teil der Liegenschaft, weshalb eine Benützungsregelung daran unzulässig sei. Die vom Antragsteller beanspruchte Fläche stelle den Verbindungsweg zwischen den beiden Häusern der Wohnungseigentumsanlage dar. Bei Betrieb eines Gastgartens auf dieser sei der Durchgang erheblich beeinträchtigt.
Darüber hinaus wendeten die 27. und 28. Antragsgegner ein, durch Verwendung dieser Fläche als Gastgarten komme es zu einer erheblichen Lärmbeeinträchtigung und gesundheitlichen Beeinträchtigung der Miteigentümer. Wirtschaftlich sei die Verwendung durch den Antragsteller auch nicht unbedingt erforderlich. Für den Fall, dass eine Benützungsregelung getroffen werde, wurde in eventu beantragt, das Benützungsentgelt mit einem Betrag von 600 EUR monatlich festzusetzen.
Ausgehend von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt erließ das Erstgericht die begehrte Benützungsregelung.
Für die Frage, ob ein notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft vorliege, der eine Benützungsregelung hindere, komme es maßgeblich auf das Vorhandensein von Zugangsalternativen an. Solche könnten wie im vorliegenden Fall ein „Angewiesensein" beseitigen. Zunächst sei ein Durchgang auch bei Betrieb eines Gastgartens nicht völlig unmöglich. Auch gebe es eine Verbindung der beiden Häuser der Wohnhausanlage über die Tiefgarage. Zumindest stelle aber die Möglichkeit der Nutzung des barrierefreien, an die gegenständliche Liegenschaft unmittelbar angrenzenden öffentlichen Gehwegs eine geeignete Alternative dar. Die gegenständliche Fläche sei daher einer Benützungsregelung zugänglich.
In Anbetracht des Umstands, dass mit Ausnahme der 27. und 28. Antragsgegner sämtliche Miteigentümer der Höhe des vorgeschlagenen Benützungsentgelts zugestimmt hätten, und des Umstands, dass der Antragsteller die Bepflanzung und den Winterdienst übernehme, erscheine das angebotene Benützungsentgelt von jährlich 400 EUR auch als angemessen.
Die Befürchtungen der 27. und 28. Antragsgegner hinsichtlich Lärmbelästigungen seien im Vorverfahren geprüft und für nicht berechtigt befunden worden.
Einem dagegen von den 27. und 28. Antragsgegnern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die in Frage stehende Fläche nicht notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft und daher einer Benützungsregelung grundsätzlich zugänglich sei. Nur allgemeine Teile einer Liegenschaft, denen kraft ihrer Beschaffenheit die Eignung fehle, selbständig und ausschließlich benützt zu werden, wozu insbesondere Zugänge oder Durchgänge zu allgemeinen Teilen der Liegenschaft zählten, die nicht in Sondernutzung einzelner stünden, seien zufolge § 2 Abs 4 zweiter Fall WEG „notwendig" allgemeine Teile einer Liegenschaft. Diese Voraussetzungen träfen hier nicht zu. Sowohl das Haus W*****straße 4 als auch das Haus W*****straße 2 seien von der öffentlichen Verkehrsfläche her selbst bei ausschließlicher Nutzung der strittigen Fläche durch den Antragsteller ungehindert erreichbar. Es treffe wohl zu, dass auf der Liegenschaft ausschließlich über die vom Antragsteller beanspruchte Fläche gegangen werden könne. Allerdings sei der „Umweg" über den Gehsteig keineswegs unzumutbar lang, sondern betrage nur wenige Meter. Als Zugangsalternative beseitige dieser Weg ein „Angewiesensein" auf die betroffene Allgemeinfläche. Diese sei daher einer Benützungsregelung zugänglich.
Zur Begründung der Benützungsregelung habe der Antragsteller wichtige Gründe geltend gemacht. Hiegegen hätten sich von allen übrigen Wohnungseigentümern nur die 27. und 28. Antragsgegner gegen eine Benützungsregelung ausgesprochen. Die von ihnen befürchteten Immissionen seien nicht derart, dass dadurch die Benützungsregelung verunmöglicht werde.
Das Rekursgericht hielt allerdings die Frage der Angemessenheit eines Benützungsentgelts, das in ortsüblicher Höhe entsprechend bestmöglicher Verwertung der gemeinschaftlichen Sache anzusetzen sei, noch für aufklärungsbedürftig und ordnete deshalb eine Verfahrensergänzung durch die erste Instanz an.
Den Rekurs (richtig: Revisionsrekurs - § 64 Abs 1 AußStrG) gegen seinen Aufhebungsbeschluss erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob Wohnungseigentümer auf öffentliche Verkehrsflächen verwiesen werden können, wenn durch eine Benützungsregelung die Verbindung zwischen verschiedenen Allgemeinflächen unterbrochen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der 27. und 28. Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags.
Der Antragsteller beantragte - soweit in einer Revisionsrekursbeantwortung zulässig - dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Soweit in der Revisionsrekursbeantwortung überdies das Begehren erhoben wird, den erstinstanzlichen Sachbeschluss wiederherzustellen, hätte ein solches Begehren die Erhebung eines gesonderten Rechtsmittels des Antragstellers erfordert, das jedoch nicht ergriffen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der 27. und 28. Antragsgegner ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist im Sinn des Begehrens auf Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auch berechtigt.
Nach § 17 Abs 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine gerichtliche Regelung über die Benützung verfügbarer allgemeiner Teile einer Liegenschaft beantragen, was bedeutet, dass solche allgemeinen Teile iSd § 2 Abs 4 zweiter Fall WEG, deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht, nicht Gegenstand einer Benützungsregelung sein können. Diese Folgerung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 WEG und entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0105691; zuletzt 5 Ob 264/08x mwN). Nicht verfügbar sind die „notwendig allgemeinen Teile" der Liegenschaft, wozu schon nach dem Sinn der Bestimmung Zugänge oder Durchgänge zu allgemeinen Teilen der Liegenschaft zählen (vgl 5 Ob 245/04x = wobl 2005/81 [Call]; RIS-Justiz RS0097520 [T1; T4]; RS0117164; RS0013189).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist die rechtliche Verfügbarkeit der vom Antragsteller beanspruchten Fläche als Voraussetzung für eine Benützungsregelung daran zu verneinen:
Richtig ist, dass Zugangsalternativen ein „Angewiesensein" auf allgemeine Teile der Liegenschaft beseitigen können (5 Ob 5/95; 5 Ob 264/08x) und dass sich Fragen der Brauchbarkeit oder Gleichwertigkeit alternativer Zugangsmöglichkeiten in der Regel wegen ihrer Einzelfallbezogenheit mit Ausnahme krasser Fehlbeurteilungen der Revisibilität entziehen (vgl 5 Ob 264/08x).
Im vorliegenden Fall ist daher entscheidungswesentlich, ob Wohnungseigentümer, um von einem Gebäude der Wohnungseigentumsliegenschaft zu einem anderen Gebäude derselben Liegenschaft zu gelangen, auf die Benützung öffentlicher Verkehrsflächen verwiesen werden können, wenn baulich eine Allgemeinfläche als Verbindungsweg zwischen beiden vorhanden ist. Die Argumentation des Rekursgerichts, dass schließlich beide Häuser der Wohnungseigentumsanlage von öffentlichen Flächen her betreten werden können, greift wohnungseigentumsrechtlich zu kurz. Es geht darum, einen bei Wohnungseigentumsbegründung vorhandenen Weg iSd § 2 WEG, der sämtliche Möglichkeiten einer Ein- oder Zuordnung von Teilen des Gesamtobjekts taxativ aufzählt, in rechtlicher Hinsicht zu qualifizieren. Weil Wohnungseigentümern an sämtlichen Allgemeinflächen der Liegenschaft Benützungsrechte zustehen, sind ex lege solche Flächen, die Allgemeinflächen miteinander verbinden, dann „notwendig" allgemeine Teile der Liegenschaft, wenn sie die einzigen derartigen Flächen der Liegenschaft sind. Die wohnungseigentumsrechtliche Qualifikation einer Fläche als „notwendig" allgemeiner Teil einer Liegenschaft ergibt sich demnach aus ihrer Anlage, aus ihrem Zweck selbst.
Ist also ein allgemeiner Teil der Liegenschaft die einzige Verbindung zwischen anderen allgemeinen Teilen der Liegenschaft, so erhält er schon dadurch den wohnungseigentumsrechtlichen Charakter des § 2 Abs 4 zweiter Fall WEG. Maßgeblich ist allein die Zweckbestimmung innerhalb der Gesamtliegenschaft, weshalb eine Einbeziehung von außerhalb der Liegenschaft gelegenen Zugangsmöglichkeiten, wie hier über öffentliche Verkehrsflächen, den wohnungseigentumsrechtlichen Charakter des hier in Frage stehenden allgemeinen Teils nicht zu beeinflussen vermag. Es kommt daher nicht darauf an, ob der „Umweg" über den öffentlichen Gehsteig lang oder kurz ist, zumutbar oder sogar günstiger, weil ohne Stufen bewältigbar oder ähnliches. Wohnungseigentumsrechtlich fehlt der vom Antragsteller beanspruchten Allgemeinfläche deren rechtliche Verfügbarkeit für die begehrte Benutzungsregelung.
Damit erweist sich das Verfahren als spruchreif im Sinn einer Abweisung des Antrags (§ 70 Abs 2 AußStrG).
Es ist daher dahin zusammenzufassen, dass einer Verbindungsfläche zwischen allgemeinen Teilen der Liegenschaft schon nach ihrer baulichen Anordnung die Zweckbestimmung eines Weges zuzumessen ist, was einer ausschließlichen Benützung entgegensteht, selbst wenn über öffentliche Verkehrsflächen eine Erreichbarkeit der in Frage stehenden allgemeinen Teile der Liegenschaft möglich wäre.
Einer weitergehenden Auseinandersetzung dazu, dass bei Verwendung der nur 2,15 m breiten und 17 m langen Fläche als Gastgarten eine unbehinderte Durchgangsmöglichkeit ausgeschlossen ist, bedarf es nicht.
Damit erweist sich der Revisionsrekurs der 27. und 28. Antragsgegner als berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt zufolge § 10 Z 3 lit b/bb RATG 2.500 EUR, die Pauschalgebühr für den Revisionsrekurs war nach TP 12 lit c Punkt 4 iVm TP 12a GGG zu bestimmen; im Rekursverfahren war eine solche allerdings nicht verzeichnet worden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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