OGH 5Nc15/09i

OGH5Nc15/09i24.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofrätin/den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dipl.-Ing. Karl R*****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Prammer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beklagten John Andrew Keith T*****, wegen 5.500 EUR sA, wegen Ordination gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Bezirksgericht Pregarten zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von Schmerzengeld in der Höhe von 3.000 EUR und von Verdienstentgang in der Höhe von 2.500 EUR je sA mit der wesentlichen Behauptung, der Beklagte habe ihn auf einem Flug mit einer Maschine der Austrian Airlines AG von Bangkok nach Wien-Schwechat durch Faustschläge verletzt.

Das vom Kläger gestützt auf „§ 92a JN bzw Art 5 EuGVVO/LGVÜ/EuGVÜ" angerufene Bezirksgericht Schwechat bejahte in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit, weil Österreich im Sinn der Entscheidung des EuGH vom 5. Februar 2004, C-18/02 , Danmarks Rederiforening/LO Landesorganisationen i Sverige (= wbl 2004/79 = IPrax 2006, 161 [Franzen]) als „Flaggenstaat" anzusehen sei, doch wies es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.

Der Kläger beantragte daraufhin die Überweisung der Rechtssache an das vom Bezirksgericht Schwechat im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers für nicht offenbar unzuständig erachtete Bezirksgericht Pregarten und stellte zugleich gemäß § 28 JN den Antrag an den Obersten Gerichtshof, ein inländisches Bezirksgericht (zum Beispiel das Bezirksgericht Pregarten) als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.

Das Bezirksgericht Schwechat hob daraufhin mit seinem Beschluss vom 20. Juli 2009, GZ 1 C 463/09p-2, die Zurückweisung der Klage auf und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Pregarten.

Das Bezirksgericht Pregarten legte die Akten mit dem Ordinationsantrag dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung über den Ordinationsantrag ist derzeit nicht geboten.

1. Der Rechtsstreit fällt in den Anwendungsbereich der VO (EG) 2001/44 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).

Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es nach Art 24 EuGVVO zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist. Letztgenannte Einschränkung greift hier nicht, weil keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art 22 EuGVVO in Frage kommt.

2. Nach Art 24 EuGVVO trifft den durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zuständig gewordenen Mitgliedstaat die Pflicht zur Justizgewährung (Simotta in Fasching/Konecny2 Art 24 EuGVVO Rz 62; Geimer/Schütze, Zivilverfahrensrecht2 Art 24 EuGVVO Rz 13). Das österreichische Gericht darf daher eine nach Art 24 EuGVVO heilbare internationale Unzuständigkeit nicht bei der Klagsprüfung in limine litis von Amts wegen aufgreifen und die Klage nicht a limine wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit zurückweisen (RIS-Justiz RS0111247). Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine a-limine-Zurückweisung daher nur dann zulässig, wenn - was hier nicht zutrifft - die Gerichte eines anderen Staats nach Art 22 EuGVVO ausschließlich zuständig sind; in allen anderen Fällen ist die Klage, auch wenn das angerufene Gericht international unzuständig ist, dem Beklagten zuzustellen, damit diesem die Gelegenheit gegeben wird, den Mangel der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zu heilen (Simotta in Fasching/Konecny2 Art 24 EuGVVO Rz 70; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtstands- und Vollstreckungsrecht³ Art 24 EuGVVO Rz 4). Die vom Bezirksgericht Schwechat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, angestellten Erwägungen zur internationalen Zuständigkeit waren demnach im seinerzeitigen Verfahrensstadium verfrüht.

3. Durch rügelose Einlassung nach Art 24 EuGVVO wird aber nach herrschender Ansicht nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet (Simotta in Fasching/Konecny2 Art 24 EuGVVO Rz 11 mzN; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtstands- und Vollstreckungsrecht³ Art 24 EuGVVO Rz 4; mit [hier allerdings nicht maßgeblichen] Einschränkungen Rauscher/Staudinger, EuZPR² [2006] Art 24 Brüssel I-VO Rn 8), was namentlich im Fall des Art 5 Z 3 EuGVVO auch isoliert nur für die örtliche Zuständigkeit gelten kann (Simotta in Fasching/Konecny2 Art 24 EuGVVO Rz 11). Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die vom Bezirksgericht Schwechat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, vorgenommene, allerdings unbekämpft gebliebene und inzwischen auch bereits wieder aufgehobene Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit als verfehlt.

4. Da eine allfällige rügelose Einlassung des Beklagten in das Verfahren die örtliche Zuständigkeit begründen kann, besteht derzeit auch keine Notwendigkeit zur Entscheidung des vom Kläger erhobenen Ordinationsantrags. Mit dessen Abweisung war aber ebenfalls nicht vorzugehen, weil je nach der weiteren Verfahrensgestion des Beklagten auch die künftige Notwendigkeit einer Ordination derzeit nicht auszuschließen ist.

Dem Bezirksgericht Pregarten, welches im Weiteren die Zustellung der Klage an den Beklagten zu veranlassen haben wird, waren somit die Akten ohne Entscheidung über den Ordinationsantrag zurückzustellen.

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