Spruch:
Beide Rekurse werden zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind je zur Hälfte schuldig, der beklagten Partei deren mit 346,74 EUR (57,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gemäß der Regelung des letzten Satzes des § 510 Abs 3 ZPO, der kraft Größenschlusses auch für die Zurückweisung eines von der zweiten Instanz wegen einer - in Wahrheit nicht vorliegenden - erheblichen Rechtsfrage zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren nach § 519 Abs 2 ZPO gilt (RIS-Justiz RS0043691), kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften in einem Stadtgebiet. Zur Liegenschaft der Beklagten gehört das Grundstück Nr 264/12, zu jener der Kläger das Grundstück Nr 2/2.
Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen,
1. die Benützung des Grundstücks Nr 264/12 für Zu- und Abfahrten und als Gehweg durch die Eigentümer der Liegenschaft der Kläger zu dulden, und
2. binnen 14 Tagen ab Aufforderung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über das Grundstück Nr 264/12 zu dem Grundstück Nr 2/2 einzuwilligen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Kläger hätten die Servitut des Gehens und Fahrens über das als Durchgang und Zu- und Abfahrt benutzte Grundstück Nr 264/12 (ein Grundstreifen mit einer Breite von 3,5 m an der einen Grundstücksgrenze und einer Breite von 3,7 m an der anderen Grundstücksgrenze) ersessen. Die Beklagte könne sich nicht auf einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb ihrer Liegenschaft im Jahr 2000 berufen, habe doch ihr Geschäftsführer schon seit 1995 vom „gegenständlichen Durchfahrtsrecht" gewusst. Eine Servitut gehe unter, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung widersetze und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend mache. Der Voreigentümer des belasteten Grundstreifens habe 1997 durch die Errichtung eines Schanigartens und der Geschäftsführer der Beklagten habe 2001 durch das Anbringen von Lampen, die die Zufahrt „großer LKW" insofern behinderten, „als es sehr eng" geworden sei, die Ausübung der Dienstbarkeit zwar nicht verhindert, aber beschränkt, was die Kläger mehr als drei Jahre lang hingenommen hätten. Insoweit habe die Beklagte ein Stück Freiheit ihres Eigentums ersessen. Die Auflösung des Schanigartens oder die Entfernung der Beleuchtungskörper könne von den Klägern wohl nicht mehr verlangt werden. Im Übrigen stehe ihnen aber das Geh- und Fahrrecht über das Grundstück nach wie vor zu, stehe doch nicht fest, dass der Geschäftsführer der Beklagten mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage den Durchgang bzw die Durchfahrt untersagt hätte. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Aus diesen Feststellungen lasse sich aber kein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht ableiten, wie es die Kläger begehrten. Selbst das Erstgericht gehe in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass die Beklagte durch die Betreibung eines Schanigartens und die Anbringung von Beleuchtungskörpern, die die Durchfahrt mit großen LKW behinderten, im Sinn des § 1488 ABGB „ein Stück Freiheit ihres Eigentums ersessen" habe. Die Ersitzungsfrist sei zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des dienenden Grundstücks durch die Beklagte bereits abgelaufen gewesen. Das Ausmaß der ersessenen Dienstbarkeit ergebe sich nach allgemeinen Regeln aus den Besitzergreifungshandlungen. Der Besitz müsse in dem Umfang, in dem die Dienstbarkeit in Anspruch genommen werde, während der gesamten Ersitzungszeit ausgeübt werden. Dies betreffe einerseits die räumlichen Grenzen der Dienstbarkeit, andererseits auch Art und Intensität der Ausübung des Rechtsbesitzes. Der Inhalt der ersessenen Dienstbarkeit bestimme sich somit nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet worden sei, sofern der Verwendungszweck nicht im Verlauf der Ersitzungszeit eingeschränkt worden sei. Nur innerhalb der durch diesen Verwendungszweck abgesteckten Grenzen könne der Berechtigte das ersessene Recht ausüben. Über den Inhalt und Umfang der „gegenständlichen" Servitut und deren teilweise Einschränkung (§ 1488 ABGB) habe das Erstgericht aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Hiezu sei jedenfalls auch die Höhe der durch den Geschäftsführer der Beklagten angebrachten Beleuchtungskörper relevant, weil nur danach beurteilt werden könne, mit welcher Art von LKW noch eine Durchfahrt möglich und daher zulässig sei. Die Bezeichnung „kleinere LKW" sei dafür zu unbestimmt. Da aber durch die Anbringung der Lampen eine Ausübung des Fahrrechts nicht zur Gänze verhindert werde, seien Feststellungen über den diesbezüglichen Umfang erforderlich, zumal ein eingeschränktes Geh- und Fahrrecht über das dienende Grundstück, wie es von den Klägern begehrt werde und ihnen auch zugesprochen worden sei, sich aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht ableiten lasse. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 519/88 ausgesprochen, ein Klagebegehren, dass auf ein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht abziele, sei abzuweisen, wenn sich herausstelle, dass nur ein beschränktes derartiges Recht bestehe, auch wenn dies in erster Instanz nicht erörtert worden sei. Diese Auffassung könne jedoch im Hinblick auf die mit der Zivilverfahrensnovelle 2002 eingefügte Bestimmung des § 182a ZPO und die dazu ergangene oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der Rekurs zulässig sei, weil das Berufungsgericht von der oberstgerichtlichen Entscheidung 7 Ob 519/88 abweiche und neuere oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit des Zuspruchs eines „Minus" bei Grunddienstbarkeiten nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse beider Streitteile gegen den Aufhebungsbeschluss sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 3 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der vom Berufungsgericht bezeichneten Rechtsfrage ab. Erhebliche Rechtsfragen (§ 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO) werden auch in den Rechtsmitteln nicht geltend gemacht.
1. Zum Rekurs der Kläger:
1.1. Unzutreffend ist die Behauptung, die Beklagte habe sich nie auf eine Einschränkung der Servitut berufen. Sie brachte in der Verhandlungstagsatzung vom 27. 11. 2006 vor, im Gastgarten der Liegenschaft der Beklagten sei seit 2001 die - aus einem vorgelegten Foto ersichtliche - Beleuchtung angebracht, wodurch die Durchfahrt mit LKW unmöglich sei (ON 16 S 3 = AS 83).
1.2. Die Freiheitsersitzung (§ 1488 ABGB) kann auch zu einer Einschränkung einer Dienstbarkeit führen (RIS-Justiz RS0034281). Dies stellen die Rechtsmittelwerber ebenso nicht in Frage, wie dass es eine Einschränkung des Fahrrechts wäre, wenn es nicht mehr das Fahren mit „großen LKW" umfasste. Wenn das Berufungsgericht der Auffassung ist, die Feststellungen des Erstgerichts reichten nicht zur Beurteilung aus, mit welcher Art für LKW noch eine Durchfahrt möglich sei, so kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten. Ist nämlich die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutreffend, dann ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen, ob eine Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RIS-Justiz RS0042179).
2. Zum Rekurs der Beklagten:
2.1. Eine nur beschränkt zuerkennbare Dienstbarkeit kann der beanspruchten gegenüber ein Aliud darstellen, sodass in diesem Fall das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen ist (7 Ob 456/55 JBl 1956, 563; 7 Ob 519/88 JBl 1988, 730; RIS-Justiz RS0041040).
2.2. Da das Berufungsgericht selbst der vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfenden Auffassung ist, dass die Feststellungen nicht zur Beurteilung ausreichen, mit welcher Art von LKW eine Durchfahrt noch möglich ist und welchen Inhalt und Umfang die Servitut hat (hiezu enthalten die Rechtsmittelschriften keine Ausführungen), ist noch nicht geklärt, dass den Klägern die Dienstbarkeit nur beschränkt zuzuerkennen ist. Offensichtlich sind die Ausführungen des Berufungsgerichts, aus den Feststellungen des Erstgerichts lasse sich ein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht nicht ableiten und über eine teilweise Einschränkung seien keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden, dahin zu verstehen, dass eine allfällige beschränkte Freiheitsersitzung der Beklagten nach § 1488 ABGB noch nicht abschließend beurteilt werden könne (vgl jüngst 4 Ob 58/09x zur Aufhebung - auch unter dem Aspekt der Vermeidung einer Überraschungsentscheidung - der Urteile der Vorinstanzen, wenn deren Feststellungen eine Beschränkung oder allenfalls eine Verlegung der Wegedienstbarkeitstrasse indizieren).
2.3. Das Berufungsgericht ist daher weder von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 519/88 abgewichen noch stellt sich die Frage der Zulässigkeit des Zuspruchs eines Minus bei Grunddienstbarkeiten (zur Teilstattgebung, wenn die Servitut im geringeren als behaupteten Ausmaß zusteht: 5 Ob 93/70 SZ 43/117 [Die Verurteilung zur Einwilligung in die Eintragung einer zeitlich befristeten Dienstbarkeit ist ein Minus gegenüber dem Begehren auf Einräumung einer unbefristeten Servitut.]; 1 Ob 108/72: Stattgebung mit der Einschränkung der Zulässigkeit des Befahrens des Weges „mit ortsüblichen landwirtschaftlichen Fuhrwerken" ist ein Minus.).
2.4. Wenn die Beklagte ausführt, das Klagebegehren wäre vom Berufungsgericht abzuweisen gewesen, weil den Klägern nach den Feststellungen des Erstgerichts nur eine eingeschränkte Dienstbarkeit zugesprochen werden könnte, und das Berufungsgericht sei zu Unrecht von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 519/88 abgewichen, so genügt es, auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung der Beklagten gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses der Kläger obsiegt, indem er zutreffend auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies (RIS-Justiz RS0123222).
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