OGH 11Os106/09m (11Os108/09f)

OGH11Os106/09m (11Os108/09f)13.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nenad T***** und Osvaldo L***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Anträge der Verurteilten T***** und L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Jänner 2008, GZ 8 Hv 83/06d-741, wurden Nenad T***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter, fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweiter Fall StGB, teilweise iVm § 15 StGB und Osvaldo L***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter, fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach haben vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar in Bezug auf eine das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge

I./1./ teils ein- und ausgeführt, teils ein- und auszuführen versucht, und zwar

a./ Leonid V***** und Osvaldo L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken auch mit anderen Personen, indem sie

aa./ am 3. November 2004 insgesamt cirka 270,4 Kilogramm Kokain (cirka 232,5 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) in einem Container versteckt auf dem Seeweg von Callao, Peru, aus versandten, wobei der über die Bahamas, die Vereinigten Staaten von Amerika, Belgien und Deutschland führende Transport des Suchtgifts nach Österreich lediglich aufgrund der Sicherstellung der Drogen durch Beamte der US-Behörden im Hafen von Charleston (USA) unterblieb,

bb./ am 23. November 2004 insgesamt cirka 140 Kilogramm Kokain (105 +/- 6,4 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) in einem Container versteckt auf dem Seeweg von Callao, Peru, aus über die Dominikanische Republik, die Bahamas, die Vereinigten Staaten von Amerika und Belgien nach Bremerhaven, Deutschland, sandten, wobei der weitere Transport nach Österreich per LKW von verdeckten Ermittlern des Bundesministeriums für Inneres durchgeführt wurde,

2./ einem anderen überlassen, und zwar Nenad T***** am 9. August 2004 in Unterpremstätten cirka drei Kilogramm Kokain (mit 2.400 +/- 35 Gramm Kokain in Reinsubstanz), indem er dieses Suchtgift, das zuvor Zvonimir N***** von Kroatien aus über Slowenien nach Österreich einführte, an einen verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres übergab,

3./ anderen zu überlassen und zu verschaffen versucht, und zwar Leonid V***** und Osvaldo L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Personen, indem sie

aa./ am 3. November 2004 durch die zu I./1./a./aa./ geschilderte Tathandlung cirka 270 Kilogramm Kokain (cirka 232,5 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz) und

bb./ am 23. November 2004 durch die zu I./1./a./bb./ geschilderte Tathandlung cirka 140 Kilogramm Kokain (105 +/- 6,4 Kilogramm Kokain in Reinsubstanz)

an Nenad T*****, Zlatko A*****, Zoaran Ch***** und weitere, bislang unbekannte Personen lieferten, wobei die Tatvollendung lediglich aufgrund der Sicherstellung der Drogen durch Beamte der US-amerikanischen bzw österreichischen Behörden unterblieb,

II./ Nenad T***** die nachgenannten Personen zu den nachangeführten strafbaren Handlungen bestimmt, und zwar

1./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten des Jahres 2003 oder 2004 Leonid V***** und Osvaldo L***** zu den oben geschilderten Tathandlungen, und zwar zur Lieferung, sohin zur Aus- und Einfuhr und Überlassung und Verschaffung von cirka 270,4 Kilogramm Kokain (232,5 Kilogramm in Reinsubstanz) sowie cirka 140 Kilogramm Kokain (105 +/- 6,4 Kilogramm in Reinsubstanz), indem er bei den Genannten diese angeführten Mengen Suchtgift in Form von Kokain bestellte und deren Lieferung von Südamerika nach Österreich (zwecks allfälliger Weiterverbringung in den südosteuropäischen Raum oder die EU) in Auftrag gab,

2./ am 8. August 2004 in Karlovac, Kroatien, den Zvonimir N***** zu der oben unter I./2./ angeführten Tathandlung, und zwar zur Lieferung, sohin zur Aus- und Einfuhr und Überlassung und Verschaffung von cirka drei Kilogramm Kokain mit 2.400 Gramm +/- 35 Gramm Reinsubstanz, indem er diesen aufforderte, die angeführte Menge Kokain von Karlovac über Slowenien nach Österreich zu schmuggeln (und ihm zwecks Weitergabe an den vermeintlichen Suchtgiftkäufer zu übergeben).

Das Schöffengericht verhängte nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG über Nenad T***** eine Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren, über Osvaldo L***** eine solche von zwölfeinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung im Sanktionsrahmen zwischen einem Jahr und fünfzehn Jahren Freiheitsentzug wurde als mildernd gewertet die „Unbescholtenheit in Österreich" und die lange Verfahrensdauer, bei T***** ein Teilgeständnis und bei L*****, dass es beim Versuch geblieben ist, als erschwerend jedoch das Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge um ein Vielfaches (US 162).

Die Tatrichter hielten fest, dass es sich um einen Fall der Schwerstkriminalität handelt, Suchtgift in bester Qualität vom Ursprungsland nach Europa verbracht wurde, um hier Konsumenten in großem Stil zu versorgen, und dass derartigen Organisationsstrukturen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten ist. Weiters führten sie aus, „dass naturgemäß aus dem profimäßigen und arbeitsteiligen Agieren der Angeklagten sich auch eindeutig die Gewerbsmäßigkeit aus dem professionellen Vorgangsbereich ergibt, dies auch in Verbindung mit den in Rede stehenden Kokainmengen und angesichts des Zusammenwirkens von zahlreichen Personen auf zwei Seiten der Tätergruppierungen. Dass hiebei eine Bereicherung im großen Umfang angestrebt und erreicht werden hätte sollen, liegt in der Natur der Sache und wird schon durch die große Suchtgiftmenge und auch die Preisgestaltung (bei der Abnahme von Teilmengen) dokumentiert. Diese Gewerbsmäßigkeit (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG) war aber infolge Gesetzesänderung nicht mehr relevant".

Der Oberste Gerichtshof wies mit Erkenntnis vom 21. Jänner 2009, GZ 15 Os 161/08b-5, die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden des Nenad T***** und des Osvaldo L***** zurück.

Das Oberlandesgericht Graz setzte am 1. April 2009, AZ 9 Bs 74/09i (ON 831 in Band 55 der Hv-Akten), die Freiheitsstrafen bei T***** auf zehn, bei L***** auf zwölf Jahre herab. Das Berufungsgericht führte unter anderem aus, dass sich die gewerbsmäßige Begehungsweise wegen des dadurch erhöhten Gesinnungs- und Handlungsunwerts nach § 32 Abs 2, Abs 3 StGB zusätzlich erschwerend auswirkt (US 8, 10). Die überlange Verfahrensdauer und die unzulässige Tatprovokation erkannte das Oberlandesgericht als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK an und bewertete diese Umstände bei jedem der Angeklagten mit jeweils sechs Monaten Freiheitsstrafe (US 9, 10 f).

Osvaldo L***** (11 Os 106/09m) und Nenad T***** (11 Os 108/09f) stellen in gesonderten, inhaltlich allerdings im Wesentlichen übereinstimmenden Schriftsätzen Anträge auf Erneuerung ihrer Strafverfahren im Sinne von § 363a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es sich bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS-Justiz RS0122737).

Soweit ein Strafzumessungsgrund (als rechtliche Kategorie: sog Strafzumessungstatsache) vom Gericht tatsächlich in Anschlag gebracht, mit anderen Worten über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen rechtlich abgesprochen wurde, ist dieser Ausspruch des Gerichts einer Rechtskontrolle zugänglich und nicht mehr bloß die Möglichkeit gegeben, das geübte Ermessen durch dasjenige der Rechtsmittelinstanz zu ersetzen.

Stehen ordentliche Rechtsmittel offen, kann das Absprechen über einen Strafzumessungsgrund (die Entscheidung, über das Vorliegen der Strafbemessungskategorie zu erkennen oder nicht) zwar in der Regel nur mit Berufung geltend gemacht werden und ist solcherart einer Rechtskontrolle entzogen (Ausnahmen sind nach Maßgabe der Reichweite des § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO möglich, etwa dann, wenn behauptete Tatprovokation durch staatliche Organe schlicht übergangen wird; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 724). Hat das Gericht zum Zweck der Sanktionsfindung indes über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Strafbemessungskategorie rechtlich abgesprochen, war diese also tatsächlich bei der Sanktionsfindung maßgeblich, ist die darauf fußende Rechtsanwendung auch einer Kontrolle mit Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) und Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zugänglich (Fabrizy, StPO10 § 23 Rz 3; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 8), weil Z 11 zweiter Fall, ebenso wie Z 5, jedoch im Gegensatz zu Z 5a des § 281 Abs 1 StPO, rechtsfehlerhaftes Handeln anspricht, das vom Obersten Gerichtshof übrigens auch bejaht wird, wenn die Sachverhaltsgrundlagen für die Strafbemessung durch ein Berufungsgericht willkürlich ermittelt wurden (12 Os 160/08h, EvBl 2009/71, 471).

Die Sanktionsfrage betreffende Umstände, die nicht Gegenstand einer Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) sind, sondern in den Bereich der Berufung fallen, können nicht mit dem - wie erwähnt innerstaatlich subsidiären - Rechtsbehelf eines Erneuerungsantrags ohne vorherige Anrufung des EGMR geltend gemacht werden. Daraus folgt unter anderem, dass über die Inhalte der in grundrechtliche Kritik gezogenen Entscheidungen hinausgehendes Vorbringen in einem derartigen Erneuerungsantrag unbeachtlich ist.

Die Erneuerungswerber vermeinen sich in ihrem (Grund-)Recht auf Parteiengehör (Art 6 Abs 1 MRK) und auf Vermutung ihrer Unschuld (Art 6 Abs 2 MRK) verletzt, weil das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht „ohne Beweiswiederholung" die „gewerbsmäßige Begehung" als zusätzlich erschwerend wertete, obwohl „im Erkenntnisverfahren ... die Frage der Gewerbsmäßigkeit nie erörtert" wurde und die „Angeklagten ... nie die Möglichkeit" hatten, „zu dieser Frage Stellung zu nehmen".

Im Gegenstand konnten die Verurteilten durch die kritisierten Ausführungen des Berufungsgerichts indes nicht überrascht - und somit an wirksamer Verteidigung gehindert - werden: Die Anklage der Staatsanwaltschaft Graz vom 31. Mai 2006, AZ 11 St 237/04i (ON 419 in Band X der Hv-Akten des Landesgerichts für Strafsachen Graz) erhebt ausdrücklich den Vorwurf der Absicht, „sich durch die wiederkehrende Durchführung derartiger Suchtgiftdeals eine fortlaufende Einkommensquelle zu erschließen" (S 39 der Anklageschrift = S 325/X der Hv-Akten), was sich „aus der professionellen Vorgangsweise, den in Rede stehenden Kokainmengen sowie dem arbeitsteiligen Zusammenwirken zahlreicher Personen auf Seiten beider Tätergruppen" ergebe (S 44 der Anklageschrift = S 330/X der Hv-Akten). Das Landesgericht für Strafsachen Graz traf diesbezüglich die Feststellung, „sämtliche Angeklagten agierten hiebei in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten in Form der wiederholten Suchtgifttransporte eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen" (US 75), wiewohl daran zufolge Gesetzesänderung (SMG-Novelle 2007 BGBl I 110) keine Folge für die Subsumtion geknüpft wurde (US 165).

Von der behaupteten Grundrechtsverletzung - die überdies hinsichtlich des Schöffengerichts bereits im ordentlichen Rechtsmittelverfahren hätte geltend gemacht werden müssen, was unterblieb (ON 760, 789, 831) - kann daher keine Rede sein.

Bleibt nur zu bemerken, dass nach dem Vorbringen der Erneuerungswerber und dem zu Grunde liegenden Schuldspruch dadurch keine entscheidende Tatsache betroffen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 474). Nur vor überraschenden Feststellungen zu solchen wird ein Angeklagter aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO geschützt: Wird er in einem solchen Fall nicht gewarnt, um ihm Gelegenheit zu sachgerechter Antragstellung zu geben, steht ihm die Aufklärungsrüge offen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Im Gegenstand fehlt es somit an einer für den subsidiären Rechtsbehelf erforderlichen Anknüpfungsmöglichkeit.

Mit Blick auf Art 6 MRK hat der Oberste Gerichtshof durch 14 Os 34/00, EvBl 2000/221, 909 eine grundsätzliche Weiterentwicklung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 8 StPO eingeleitet (vgl RIS-Justiz RS0113755): Der grundrechtliche Schutzzweck des § 262 StPO liegt demnach unter anderem darin, dem Angeklagten ausreichende Zeit und Gelegenheit zu seiner Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit a, lit b MRK) einzuräumen. Stets dann, wenn plausibel gemacht wird, dass mit Blick auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt die Verteidigung eine andere gewesen wäre, ist das Urteil ohne entsprechende vorherige Information in der Verhandlung wegen Anklageüberschreitung nichtig. Ein solches Vorbringen ist unnötig, wenn der Angeklagte - wenngleich ohne Abgehen vom Prozessgegenstand, der Tat im prozessualen Sinn - einer gegenüber der Anklage anderen Tat im materiellen Sinn schuldig erkannt wird. Eine entsprechende Information ist - in analoger Anwendung des § 262 StPO - auch bei jeder Änderung der Beteiligungs- oder Erscheinungsform der Tat (Vollendung - Versuch) erforderlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 545 mit Judikaturnachweisen).

Überlegungen eines Gerichts zu den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 StGB) fallen jedoch nicht in den in Rede stehenden Schutzbereich, können somit nicht Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO begründen und bieten unter diesem Gesichtspunkt auch nicht Anknüpfung für einen Erneuerungsantrag vor Anrufung des EGMR.

Eine weitere Verletzung im Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) erblicken die Erneuerungswerber in der „zu geringen Gewichtung" der überlangen Verfahrensdauer und der Tatprovokation durch das Berufungsgericht.

Die Argumentation hiezu entspricht im Wesentlichen jener im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (vgl neuerlich ON 760, 789, 831), die bereits dem Obersten Gerichtshof vorlag.

Grundrechtsverletzungen und somit unvertretbare Verstöße gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO werden solcherart nicht dargetan (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 724). Vielmehr fehlt es den Verurteilten nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz an der fortdauernden Opfereigenschaft im Sinne von Art 34 MRK, weil die Grundrechtsverletzung anerkannt und ausdrücklich, messbar und im Lichte der Judikatur der Straßburger Instanzen ausreichend (vgl Grabenwarter, EMRK³ § 13 Rz 15 und FN 70 bis 72, jüngst EGMR ÖJZ 2009/4 [MRK], 571 [Z 75]) ausgeglichen wurde.

Bleibt lediglich anzumerken, dass das zu Grunde liegende Strafverfahren ein weltumspannendes Verbrechernetz aufzuarbeiten hatte und die in den Erneuerungsanträgen aufgelisteten Termine der Hauptverhandlung ebensowenig Säumnis erkennen lassen wie eine sachlich zu Unrecht unterlassene Verfahrenstrennung. Soweit die Verurteilten ihre Delinquenz im Bereich der Schwerstkriminalität durch die Hinweise auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu bagatellisieren trachten, ist hinsichtlich ihrer massiven Tatgeneigtheit bloß auf die überaus hohen Mengen hochwertigen Kokains (ca 80 % Reinheitsgehalt - vgl Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz US 58 f) zu verweisen, die die Organisationen, für die die Erneuerungswerber tätig waren, nicht nur von Anfang an umsetzen wollten, sondern auch tatsächlich zu liefern in der Lage waren (vgl Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz US 15 ff, 19 f, 34, 86; insoweit nicht vergleichbar mit den vom EGMR behandelten Fällen Teixeira de Castro und Ramanauskas [Nr 74420/01 vom 5. Februar 2008, vor allem Z 49 bis 61]).

Die Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens - deren Vergleich mit der Sanktionierung des Leonid V***** das (faire) Verfahren der Erneuerungswerber nicht tangiert - waren somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte