Spruch:
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Fortsetzung der Rekursverfahren aufgetragen. Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 22. 5. 2006 wurde Dr. Stefan Müller für den Betroffenen zum Sachwalter zur Besorgung folgender Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB) bestellt: a) Regelung der finanziellen Angelegenheiten und Verwaltung des Vermögens und der Schulden. Nach Bezahlung der laufenden Verbindlichkeiten durch den Sachwalter kann die betroffene Person über den verbleibenden Teil seines laufenden Einkommens bis zu einem Betrag von maximal 3.000 EUR monatlich frei verfügen und sich verpflichten. b) Rechtliche Vertretung der betroffenen Person gegenüber Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern.
Das Erstgericht versagte mit Beschluss vom 9. 3. 2009 (ON 253) dem Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs betreffend die einvernehmliche Beendigung eines Bestandverhältnisses gegen Zahlung einer Ablösesumme durch den Mieter zum 31. 12. 2009 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung und genehmigte mit Beschluss vom 10. 3. 2009 (ON 260) die Einbringung eines Grundbuchgesuchs zur Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung einer Liegenschaft des Betroffenen pflegschaftsgerichtlich. Der anwaltlich vertretene Betroffene bekämpfte beide Entscheidungen mit Rekurs. Das Rekursgericht wies die Rekurse zurück; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Betroffener in Angelegenheiten, deren Besorgung dem Sachwalter übertragen worden sei, selbst Rechtsmittel ergreifen könne. Das Rekursgericht verwies auf seine Entscheidung vom 25. 3. 2009 zu 1 R 94/09w, wonach der Betroffene im Kernbereich der Sachwalterschaft nicht selbst rechtsmittellegitimiert sei. Dem Sachwalter seien die Angelegenheiten der Vermögensverwaltung und -verwertung übertragen worden, der in diesen Angelegenheiten bei amtswegiger Prüfung der wesentlichen Entscheidungen durch das Pflegschaftsgericht für den Betroffenen tätig werde. Dem Rekurswerber fehle die Rechtsmittellegitimation.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig: Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist jeder im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar, also auch dann, wenn dieser auf Zurückweisung eines Rekurses lautet (RIS-Justiz RS0120565 [T7, T10]). Eine erhebliche Rechtsfrage ist gegeben, weil das Rekursgericht die Frage, ob ein Betroffener im Sachwalterbetreuungsverfahren (hier:
pflegschaftsbehördliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Genehmigung von Liegenschaftsverkäufen) auch dann Rechtsmittel erheben kann, wenn die bekämpfte Entscheidung in den Wirkungskreis des Sachwalters fällt, unrichtig beurteilt hat. Das Rechtsmittel ist berechtigt.
Der Senat hat sich erst jüngst in der Entscheidung 4 Ob 100/09y (die im Verfahren über die Entscheidung des Rekursgerichts zu 1 R 94/09w ergangen ist) ausführlich mit der Frage der Handlungsfähigkeit einer Person, für die ein Sachwalter bestellt ist, auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 im Sachwalterbetreuungsverfahren der betroffenen Person, die des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt und deswegen geschäftsunfähig ist, bei Uneinigkeit zwischen ihr und dem Sachwalter über eine Maßnahme, die der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts bedarf, ein eigenes Rekursrecht gegen eine dem Willen des Sachwalters folgende gerichtliche Entscheidung auch dann zusteht, wenn die bekämpfte Entscheidung in den Wirkungskreis des Sachwalters fällt (RIS-Justiz RS0124785). Daran ist auch im Anlassfall festzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene offenkundig unfähig wäre, den Zweck einer Vollmachtserteilung zu erfassen, sind nicht zu erkennen. Das Rekursgericht wird sich daher inhaltlich mit den zulässigen Rechtsmitteln des Betroffenen auseinanderzusetzen haben. Im Verfahren betreffend die Vermögensverwaltung von Pflegebefohlenen findet kein Kostenersatz statt (§ 139 Abs 2 AußStrG).
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