OGH 4Ob90/09b

OGH4Ob90/09b8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** Privatstiftung, *****, 2. Thomas R*****, beide vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gisela W*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Thomas Wallentin, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Zahlung von 20.084,04 EUR sA, Rechnungslegung und Zahlung eines noch unbestimmten Geldbetrags (Gesamtstreitwert 62.084,04 EUR), über den Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 2007, GZ 4 R 199/06y-32, mit welchem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 23. März 2006, GZ 17 Cg 2/07m-12, in der mit Beschluss vom 29. November 2006, GZ 17 Cg 2/07m-24, berichtigten Fassung, teilweise aufgehoben und die Klage im Umfang der Aufhebung unter Nichtigerklärung des darüber geführten Verfahrens zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.229,78 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 538,30 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist eine österreichische Stiftung, deren Zweck unter anderem die Wahrung und Pflege des künstlerischen Nachlasses eines bekannten Sängers ist. Stifterin war ua die Mutter des Sängers, die als Erbin über dessen Urheber- und Leistungsschutzrechte verfügte und diese Rechte in die Stiftung einbrachte. Der Zweitkläger gehörte der Musikgruppe des Sängers an und betreibt in Wien ein Tonstudio.

Die in München ansässige Beklagte vertrieb Videoaufnahmen (DVDs) und Tonaufnahmen (CDs) eines Konzerts, das der Sänger mit seiner Musikgruppe im Jahr 1993 gegeben hatte. Für die DVDs hatten ihr der Zweitkläger und die Mutter des Sängers (als Rechtsvorgängerin der Erstklägerin) eine Lizenz eingeräumt, die sich auf die Verbreitung der DVD in Österreich, Deutschland und der Schweiz bezog. Die Verbreitung der CDs war vom Lizenzvertrag nicht erfasst. Der Zweitkläger hatte darüber hinaus auch die Verpflichtung übernommen, den Konzertmitschnitt gegen ein gesondertes Entgelt technisch zu bearbeiten.

Die Kläger begehren vor dem Handelsgericht Wien aufgrund teilweise bekannter DVD-Verkaufszahlen Lizenzentgelt in Höhe von 20.084,04 EUR. Weiters soll der Beklagten aufgetragen werden, über die Gesamtzahl der verkauften DVDs und CDs Rechnung zu legen und ein sich daraus ergebendes weiteres Entgelt zu zahlen. Für diese Ansprüche stützen sich die Kläger bei den DVDs auf den Lizenzvertrag, bei den CDs auf den nicht durch eine Vereinbarung gedeckten Eingriff in ihr Urheberrecht. Die Zuständigkeit des Erstgerichts ergebe sich aus Art 5 Nr 1 und 3 EuGVVO.

Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts. Die Kläger machten Ansprüche aus vertraglichen Vereinbarungen geltend, sodass Art 5 Nr 3 EuGVVO nicht anwendbar sei. Erfüllungsort des Vertrags sei nicht Wien, sondern München. Der Lizenzvertrag habe auch für die von ihr vertriebenen CDs gegolten. Die Lizenzentgelte seien jedoch anders als von den Klägern behauptet zu berechnen. Weiters stehe der Beklagten eine Gegenforderung von 4.445,60 EUR zu. Der Zweitkläger habe sich verpflichtet, die Tonspur des Konzertmitschnitts zu bearbeiten. Wegen dabei aufgetretener Mängel sei er zum Ersatz der vorerst von der Beklagten getragenen Kosten einer weiteren Bearbeitung verpflichtet. Die Erstklägerin sei zudem nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht verwarf in der vorbereitenden Tagsatzung die Unzuständigkeitseinrede, ohne die Verhandlung auf diese Frage zu beschränken. Den Beschluss fertigte es zunächst nicht aus.

In der Sache stellte das Erstgericht mit Teilurteil das Bestehen der Klageforderung mit 19.802,04 EUR und das Nichtbestehen der Gegenforderung fest und verpflichtete die Beklagte demgemäß zur Zahlung von 19.802,04 EUR sA; das Mehrbegehren von 282 EUR sA wies es ab. Weiters gab es dem Rechnungslegungsbegehren statt und behielt die Entscheidung über das Zahlungsbegehren der Endentscheidung vor. Den die Unzuständigkeitseinrede verwerfenden Beschluss fertigte das Erstgericht letztlich gesondert aus. Der Gerichtsstand der Schadenszufügung nach Art 5 Nr 3 EuGVVO sei wegen der Verbreitung der CDs in Österreich begründet. Aus prozessökonomischen Gründen sei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für den gesamten Sachverhalt zu bejahen.

Die Abweisung des Teilbegehrens von 282 EUR sA wurde rechtskräftig. Die Beklagte bekämpfte in ihrer Berufung die Zuständigkeitsentscheidung des Erstgerichts und beantragte primär die Zurückweisung der Klage. Weiters brachte sie - unter Hinweis auf Zeitungsberichte - vor, dass die Mutter des Künstlers bei Einbringung der Verwertungsrechte in die Erstklägerin geschäftsunfähig gewesen sei. Daher stehe die Erstklägerin „vor der Auflösung". Das Urteil sei zudem nichtig, hilfsweise mit einem Verfahrensmangel behaftet, weil das Erstgericht die „Bejahung der Aktivlegitimation" nicht begründet habe.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts auf, soweit sich das angefochtene Urteil auf Ansprüche aufgrund der Verbreitung der DVDs bezogen hatte (Zahlung von 19.802,04 EUR sA und Rechnungslegung), erklärte das darüber geführte Verfahren für nichtig und wies die Klage insofern und auch in Bezug auf das unbestimmte Zahlungsbegehren zurück. Im Übrigen - also in Bezug auf die Ansprüche aufgrund der Verwertung der CDs - verwarf es die Berufung, soweit die Beklagte damit Nichtigkeit geltend gemacht hatte, und bestätigte den Ausspruch über die Rechnungslegungspflicht.

Art 5 Nr 3 EuGVVO sei auf vertragliche Ansprüche nicht anwendbar. Eine österreichische Zuständigkeit könne sich daher nur aus dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 5 Nr 1 EuGVVO ergeben. Die Erteilung einer Lizenz sei keine Dienstleistung im Sinn von Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO. Daher sei nach Art 5 Nr 1 lit a Brüssel I - VO der nach der lex causae bestimmte Erfüllungsort der strittigen Hauptleistungspflicht maßgebend. Strittig sei im konkreten Fall die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Lizenzentgelts. Diese Geldschuld sei sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht am Wohnsitz der Beklagten in Deutschland zu erfüllen. Für die vertraglichen Ansprüche in Bezug auf die DVDs bestehe daher keine österreichische Zuständigkeit. Hingegen bestehe der außervertragliche Anspruch auf Rechnungslegung über die Verwertung der CDs zu Recht; die insofern gerügte Nichtigkeit liege nicht vor.

Gegen diese Entscheidung richteten sich Rechtsmittel beider Seiten. Die Kläger bekämpften die teilweise Zurückweisung der Klage und strebten eine Sachentscheidung auch über ihre vertraglichen Ansprüche an; die Beklagte wandte sich in ihrer Revision gegen die Entscheidung über die außervertraglichen Ansprüche wegen der Verwertung der CDs.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Beklagten zurück (4 Ob 165/07d). Aufgrund des Rekurses der Kläger ersuchte er den EuGH um Auslegung von Art 5 Nr 1 EuGVVO. Der EuGH hat dieses Ersuchen mit Urteil vom 23. April 2009, Rechtssache C-533/07 , wie folgt beantwortet:

1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, mit dem der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums seinem Vertragspartner das Recht zu dessen Nutzung gegen Entgelt einräumt, kein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Bestimmung ist.

2. Welches Gericht gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 für die Entscheidung über eine Klage auf Zahlung des Entgelts zuständig ist, das aufgrund eines Vertrags geschuldet wird, mit dem der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums seinem Vertragspartner das Recht zu dessen Nutzung einräumt, ist weiterhin nach den Grundsätzen zu beurteilen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik geänderten Fassung ergeben.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung brachten die Kläger in einem „Antrag auf Fortsetzung des Revisionsverfahrens" vor, dass der Erfüllungsort der Geldschuld aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-306/06 beim Gläubiger liege. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass diese Entscheidung nur die Frage der Rechtzeitigkeit einer Banküberweisung betreffe und daher keine Auswirkungen auf die Bestimmung des gesetzlichen Erfüllungsorts habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Kläger ist nicht berechtigt.

1. Lizenzverträge sind nach der im vorliegenden Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des EuGH keine Dienstleistungsverträge im Sinn von Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO. Die Zuständigkeit für sich daraus ergebende Klagen ist daher nach Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO zu beurteilen. Dafür sind weiterhin jene Grundsätze heranzuziehen, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art 5 Nr 1 EuGVÜ ergeben. Maßgebend ist damit der Erfüllungsort jener Verpflichtung, deren Nichterfüllung zur Begründung der fraglichen Klage behauptet wird (Rs 14/76 - De Bloos, Rz 13; Rs 266/85 - Shenavai, Rz 9; Rs C-288/92 - Custom Made Commercial, Rz 23; Rs C-420/97 - Leathertex, Rz 31; Rs C-256/00 - Besix, Rz 44). Dieser Erfüllungsort ist nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht (nach der lex causae) zu ermitteln (Rs 12/76 - Tessili, Rz 13; Rs C-288/92 - Custom Made Commercial, Rz 26; Rs C-440/97 - GIE Groupe Concorde, Rz 32; Rs C-420/97 - Leathertex, Rz 33; Rs C-256/00 - Besix, Rz 33 und 26).

2. Im vorliegenden Fall sind Entgeltansprüche aus einem Lizenzvertrag strittig. Es ist daher zu prüfen, wo diese Ansprüche nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht zu erfüllen sind. Da keine Rechtswahl iSv Art 3 EVÜ behauptet wurde, ist dieses Recht nach Art 4 EVÜ zu ermitteln.

2.1. Nach Art 4 Abs 1 EVÜ ist das Recht jenes Staates anzuwenden, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Dabei wird nach Art 4 Abs 2 EVÜ vermutet, dass die engste Beziehung zu jenem Staat besteht, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw ihre Hauptniederlassung hat. Diese Vermutung gilt nach Art 4 Abs 5 EVÜ nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist.

2.2. Die charakteristische Leistung erbringt beim Lizenzvertrag zumindest dann, wenn darin keine Verwertungspflicht vorgesehen ist, der Lizenzgeber (Czernich in Czernich/Heiss, EVÜ [1999] Art 4 Rz 121; Verschraegen in Rummel3 Art 4 EVÜ Rz 115; ebenso zu Art 28 EGBGB, der Art 4 EVÜ nachgebildet ist, BGH IX ZR 61/94 = BGHZ 129, 236 [251]; Magnus in Staudinger [2002] Art 28 EGBGB Rz 610; Martiny in Münchener Kommentar4 Art 28 EGBGB Rz 407; Spickhoff in Bamberger/Roth2 Art 28 EGBGB Rz 60; alle mwN). Zwar könnte erwogen werden, bei Vergabe der Lizenz für nur einen Staat eine noch engere Verbindung zu diesem Staat anzunehmen und daher nach Art 4 Abs 5 EVÜ dessen Recht anzuwenden (Nachweise bei Martiny und Spickhoff aaO). Diese Frage kann aber offen bleiben, wenn die Lizenz im konkreten Fall für mehrere Staaten erteilt wurde (BGHZ 129, 236).

2.3. Im vorliegenden Fall sind die Lizenzgeber in Österreich ansässig, eine Verwertungspflicht wurde nicht behauptet, und die Lizenz wurde für mehrere Staaten erteilt. Damit ist aufgrund der oben dargestellten Rechtslagen auf den Lizenzvertrag österreichisches Recht anzuwenden.

3. Der gesetzliche Erfüllungsort der Geldschuld lag jedenfalls nach bisherigem Verständnis des österreichischen Rechts beim Schuldner.

3.1. Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung noch aus der Natur oder dem Zweck des Geschäftes bestimmt werden, so ist nach § 905 Abs 1 ABGB an dem Ort zu leisten, wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz hatte, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Ort der Niederlassung. Geldzahlungen hat der Schuldner nach § 905 Abs 2 ABGB im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen.

3.2. Aus diesen Bestimmungen wurde abgeleitet, dass Geldschulden mangels anderer Vereinbarung qualifizierte Schickschulden sind. Zwar trage der Schuldner Kosten und Gefahr der Übersendung; der Erfüllungsort (Leistungsort) - dh jener Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung zu erbringen hat - liege aber weiterhin an seinem Wohnsitz oder seiner Niederlassung (so schon der Herrenhausbericht zur dritten Teilnovelle zum ABGB, 78 BlgHH 21. Sess 272; Binder in Schwimann ABGB3 IV § 905 Rz 22; Gschnitzer in Klang2 IV 368; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 [2007] 39 f; alle mwN). Für die Rechtzeitigkeit bargeldloser Überweisungen sei daher mangels gegenteiliger Vereinbarung der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrags beim kontoführenden Institut des Schuldners maßgebend, sofern dort entsprechende Deckung bestehe und der Betrag letztlich beim Gläubiger einlange (RIS-Justiz RS0017683, vgl auch RS0080381). Das Risiko der Verzögerung (nicht des Verlusts) bei der Übermittlung trage der Gläubiger (7 Ob 28/89 = SZ 62/166); die kontoführende Bank des Schuldners sei nicht dessen Erfüllungsgehilfe bei der Tilgung der Schuld (Gschnitzer aaO).

4. Die Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und deren Auslegung durch den EuGH in der Entscheidung C-306/06 (01051 Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG) führt zwar zu einer Änderung des Zeitpunkts, der für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung maßgebend ist; der Erfüllungsort wird dadurch aber nicht berührt.

4.1. Nach Art 3 Abs 1 lit c der RL 2000/35/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Gläubiger berechtigt ist, „bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er (i) seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt hat und (ii) den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die Verzögerung nicht verantwortlich ist". Diese Bestimmung ist nach der Entscheidung C-306/06 dahin auszulegen, dass bei einer Zahlung durch Banküberweisung „der geschuldete Betrag dem Konto des Gläubigers rechtzeitig gutgeschrieben sein muss, wenn das Entstehen von Verzugszinsen vermieden oder beendet werden soll".

4.2. Aus dieser - durchaus nahe liegenden - Auslegung von Art 3 Abs 1 lit c der RL 2000/35/EG ist indes nicht abzuleiten, dass sich der gesetzliche Erfüllungsort iSv § 905 ABGB geändert hätte.

4.2.1. Art 3 der RL 2000/35/EG betrifft ausschließlich die Zahlung von Verzugszinsen durch den Schuldner. Dabei handelt es sich nach Art 6 Abs 2 dieser RL um Mindestanforderungen; die Mitgliedstaaten können Regelungen einführen oder beibehalten, die für den Gläubiger günstiger sind.

Dies ist aus österreichischer Sicht insbesondere im Hinblick auf Art 3 Abs 1 lit b der RL 2000/35/EG von Bedeutung: Während dort eine dreißigtägige Frist nach bestimmten fristauslösenden Ereignissen (Erhalt einer Rechnung etc) vorgesehen ist, fordert § 1334 eine Zahlung „ohne unnötigen Aufschub" (Hawel, Rechtzeitigkeit von Banküberweisungen, RdW 2009, 189 [192]). Insofern ist das österreichische Recht daher faktisch ohnehin strenger als die Richtlinie: sollte deren dreißigtägige Frist für das Einlangen beim Gläubiger trotz einer unverzüglichen Absendung durch den Schuldner überschritten worden sein, ist nur schwer vorstellbar, dass der Schuldner dafür „verantwortlich" (Art 3 Abs 1 lit c sublit ii der RL 2000/35/EG ) sein könnte.

4.2.2. Richtig ist jedoch, dass sich aus Art 3 Abs 1 lit a iVm lit c der RL 2000/35/EG bei einer vereinbarten Zahlungsfrist eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ergibt: Zinsen sind in diesem Fall grundsätzlich schon dann zu zahlen, wenn der geschuldete Betrag nicht rechtzeitig beim Gläubiger einlangt; bisher kam es statt dessen auf die Rechtzeitigkeit der Absendung an. Damit verschiebt sich jedoch ausschließlich der Zeitpunkt der vom Schuldner zu setzenden Leistungshandlung nach vor; er hat sie so rechtzeitig vorzunehmen, dass der Erfolg nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge spätestens am letzten Tag der Frist eintritt. Ob das geltende Recht insofern richtlinienkonform ausgelegt werden kann (vgl dazu Aspöck, EuGH zur Rechtzeitigkeit von Banküberweisungen, ecolex 2008, 783 [784 f], sowie Hawel, RdW 2009, 192), ist hier nicht zu entscheiden. Eine Regelung über den Ort der Erfüllungshandlung, die zur Richtlinienwidrigkeit des § 905 ABGB führen könnte, wird damit jedenfalls nicht getroffen.

4.2.3. Zwar hätte der Gesetzgeber die Richtlinie auch mit einer Verschiebung des Erfüllungsorts zum Gläubiger umsetzen können; die Geldschuld wäre damit zur Bringschuld geworden (Hawel, RdW 2009, 192; Aspöck, ecolex 2008, 785). Dies hätte jedoch zu einer von der Richtlinie gerade nicht geforderten Einstandspflicht des Schuldners für Fehler der mit der Übermittlung beauftragten Bank geführt. Denn diese wäre, wenn die Leistung beim Gläubiger zu erbringen ist, Erfüllungsgehilfin des Schuldners iSv § 1313a ABGB. Eine derart überschießende Umsetzung wäre zwar nach Art 6 Abs 2 der RL 2000/35/EG möglich; erforderlich ist sie aber nicht (Hawel und Aspöck aaO; ebenso zum vergleichbaren Problem im deutschen Recht Gesell, Rechtzeitigkeit der Zahlung per Banküberweisung und Verzugsrichtlinie, GPR 2008, 165 [168]; Hilbig, Anmerkung zu C-306/06 , JZ 2008, 991 [993]; Scheuren-Brandes, EuGH kürt Geldschuld bei Banküberweisung zur Bringschuld?! ZIP 2008, 1463 [1465]).

4.2.4. Damit bestimmt sich der Erfüllungsort der Geldschuld weiterhin nach § 905 ABGB. Dies gilt nach der oben (Punkt 1.) dargestellten Rsp grundsätzlich auch für die Anwendung von Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO.

(a) Anders wäre zwar allenfalls dann zu entscheiden, wenn es nach der Richtlinie für den Beginn des Zinsenlaufs und alle sonstigen Verzugsfolgen allein auf den Leistungserfolg ankäme. Denn in diesem Fall könnte die Auffassung vertreten werden, dass ein gesetzlicher Erfüllungsort beim Schuldner rein fiktiven Charakter hätte und daher für die Bestimmung des Gerichtsstands nach Art 5 Abs 1 lit a EuGVVO nicht in Betracht käme (so für einen nur zum Zweck der Begründung eines Gerichtsstands vereinbarten Erfüllungsort EuGH Rs C-106/95 - MSG/Les Gravières Rhénanes).

(b) Eine solche Regelung enthält die Richtlinie aber nicht. Denn zum einen regelt sie nur die Verzugszinsen, nicht aber andere Folgen des Schuldnerverzugs. Zum anderen tritt nach ihrem Art 3 Abs 1 lit c sublit ii die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nicht ein, wenn der Schuldner für die Verzögerung „nicht verantwortlich" ist. Daraus leitet der EuGH zutreffend ab, dass die Zahlung von Verzugszinsen „ausgeschlossen" ist (dh - wegen Art 6 Abs 2 der RL 2000/35/EG - von den Mitgliedstaaten nicht vorgesehen werden muss), „wenn der Zahlungsverzug nicht die Folge des Verhaltens eines Schuldners ist, der den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat" (C-306/06 , Rz 30). Damit kommt es (auch) nach der Richtlinie entscheidend auf das Handeln des Schuldners an, nicht allein auf den Erfolg. Der in § 905 ABGB (auch) für Geldschulden vorgesehene Erfüllungsort beim Schuldner ist somit nicht nur nicht richtlinienwidrig, sondern er hat auch - da das Handeln des Schuldners maßgebend ist - einen realen, nicht bloß der Begründung eines Gerichtsstands dienenden Inhalt. Der Art 5 Nr 1 EuGVVO unterstellte Zweck der Sach- und Beweisnähe (EuGH Rs 12/76 - Tessili; Rs 440/97 - GIE Groupe Concorde) wird verwirklicht, wenn über die „Verantwortlichkeit" des Schuldners die Gerichte jenes Ortes entscheiden können, an dem dieser zu handeln hatte.

(c) Daraus folgt, dass die der Entscheidung Rs C-106/95 (MSG/Les Gravières Rhénanes) zugrunde liegende Wertung nicht verletzt wird, wenn der gesetzliche Erfüllungsort nach § 905 ABGB den Gerichtsstand des Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO begründet; dies gilt auch unter Bedachtnahme auf die Regelungen der RL 2000/35/EG .

5. Aus diesen Gründen ist daran festzuhalten, dass der gesetzliche Erfüllungsort einer Geldschuld nach § 905 ABGB weiterhin beim Schuldner liegt; dies gilt auch für die Anwendung von Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO. Der Rekurs der Kläger muss daher scheitern.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auch Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer zur Rechtsverteidigung erforderlichen Replik auf den „Fortsetzungsantrag" der Kläger. Bemessungsgrundlage ist das zwischen den Parteien unstrittige Rekursinteresse von 25.000 EUR.

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