OGH 11Os95/09v

OGH11Os95/09v8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ersen B***** wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 33 Hv 243/07v des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 15. Jänner 2009, AZ 7 Bs 422/08w, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Ersen B***** wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 33 Hv 243/07v des Landesgerichts Salzburg, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 15. Jänner 2009, AZ 7 Bs 422/08w, soweit darin Ersen B***** zu Punkt 1./ des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 83 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen (einschließlich des Ausspruchs über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens) unberührt bleibt, wird in seinem Schuldspruch wegen §§ 15, 83 Abs 1 StGB (1./) sowie im Strafausspruch aufgehoben und erkennt der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst:

Ersen B***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 19. November 2006 auf der Fahrt von Salzburg nach W***** Sanela K***** durch heftiges Reißen an den Haaren in Form von Rötungen am Haaransatz vorsätzlich am Körper verletzt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 StGB, der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB wird Ersen B***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 99 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. März 2008, GZ 33 Hv 243/07v-22, das auch Teilfreisprüche enthält, wurde Ersen B***** der zwischen 13. Juli 2006 und 27. Mai 2007 jeweils zum Nachteil der Sanela K***** begangenen Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 StGB (A./1./a./ bis f./), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A./2./), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (A./3./a./ bis e./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./4./a./ und b./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./1./ und 2./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 StGB nach § 99 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Nach dem - hier allein wesentlichen - Schuldspruchpunkt A./4./b./ hat Ersen B***** am 19. November 2006 auf der Fahrt von Salzburg nach W***** Sanela K***** „durch heftiges Reißen an den Haaren in Form von Rötungen am Haaransatz" vorsätzlich am Körper verletzt. Nach den Feststellungen des Einzelrichters hatte der Verurteilte die genannten Verletzungen billigend in Kauf genommen (ON 22 S 217, 224). Im Übrigen hat er - zusammengefasst -

A./ Sanela K*****

1./ zwischen Juli 2006 und Februar 2007 in sechs Angriffen mit Gewalt und durch gefährliche Drohungen, nämlich durch Zerren an ihrer Hand aus einem Lokal sowie die Ankündigung von Schlägen und damit, er werde sie umbringen, zu Handlungen, Duldungen und Unterlassungen genötigt und zu nötigen versucht;

2./ am 19. November 2006 widerrechtlich gefangen gehalten, indem er sie in sein Fahrzeug zerrte, die Türen versperrte und mit ihr wegfuhr;

3./ zwischen Juli 2006 und Jänner 2007 in fünf Angriffen mit zumindest weiteren Körperverletzungen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er jeweils ankündigte, er werde sie schlagen, krankenhausreif schlagen oder umbringen;

4./ am 13. Juli 2006 durch Versetzen einer Ohrfeige und von Fußtritten vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch sie Prellungen und Abschürfungen erlitt;

B./ vorsätzlich fremde Sachen beschädigt und zwar im Jahr 2006 sowie am 27. Mai 2007 den Pkw, eine SIM-Karte und das Mobiltelefon der Sanela K*****, wobei der Schaden 3.000 Euro nicht überstieg. In teilweiser Stattgebung der Berufung des Ersen B***** wegen Nichtigkeit sowie aus deren Anlass hob das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 15. Jänner 2009, AZ 7 Bs 422/08w, die Schuldsprüche zu den Punkten A./3./e./ und A./4./b./ des Ersturteils sowie den Strafausspruch auf, sprach Ersen B***** von Punkt A./3./f./ des Strafantrags ON 19 (= Punkt A./3./e./ des Ersturteils) gemäß § 259 Z 3 StPO frei und erkannte ihn zu A./4./b./ des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig. Dazu führte das Berufungsgericht aus, bloß länger anhaltende Hautrötungen seien tatbildlich im Sinn des § 83 Abs 1 StGB. Die durch den Erstrichter festgestellten Rötungen am Haaransatz reichten für einen Schuldspruch wegen (vollendeter) Körperverletzung nicht aus, vermöchten jedoch einen solchen wegen Vergehens nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB zu tragen (S 10 der Berufungsentscheidung). Im Übrigen wurde der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge gegeben und über den Angeklagten erneut eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt, deren Vollzug unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 15. Jänner 2009, AZ 7 Bs 422/08w, soweit darin Ersen B***** des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (Punkt 1./) schuldig erkannt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Das Oberlandesgericht Linz führte nämlich richtig aus, dass die festgestellten Rötungen - auch angesichts mangelnder Erkennbarkeit von Verletzungen auf den noch am Tattag angefertigten Lichtbildern (ON 2 S 69) - die für die Beurteilung als Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung im Sinn des § 83 Abs 1 StGB erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht erreichten (Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 83 Rz 8 ff).

Mangels tatbestandsmäßigen Erfolgs vermögen damit aber auch die durch das Rechtsmittelgericht übernommenen erstgerichtlichen Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite des Verurteilten, wonach dieser eben diese (nicht tatbildlichen) Rötungen am Haaransatz zumindest billigend in Kauf nahm (Ersturteil S 10), einen Schuldspruch nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB nicht zu tragen, weil der festgestellte Vorsatz demnach auch nicht auf die Verwirklichung eines Sachverhalts gerichtet war, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (Reindl in WK2 § 5 Rz 5 ff).

Der deshalb mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftete Schuldspruch wegen Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB wirkt sich zum Nachteil des Ersen B***** aus. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2009, AZ 7 Bs 422/08w, in diesem Punkt aufzuheben und Ersen B***** von der entsprechenden Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen. Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe war als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, die Begehung während anhängigen Strafverfahrens (Schuldsprüche zu A./1./f./ und B./1./) sowie die einschlägige Vorstrafe zu werten, als mildernd das Alter unter 21 Jahren, die teilweise (wenn auch insgesamt geringfügige) subjektive Schadensgutmachung und das längere Zurückliegen der Taten. Hievon ausgehend erweist sich eine Freiheitsstrafe von vier Monaten als schuld- und täterpersönlichkeitsangemessen, die schon im Hinblick auf das Verschlimmerungsverbot unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, deren Lauf bereits am 16. Jänner 2009 begonnen hat, bedingt nachgesehen werden musste.

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