OGH 13Os50/09s

OGH13Os50/09s23.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen DI Johann F***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ing. Ingo T***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Dezember 2008, GZ 13 Hv 28/08f-154, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten DI Johann F***** und Ing. Ingo T***** sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen. Mit seiner Berufung wird Ing. Ingo T***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch unbekämpfte Freisprüche enthaltenden Urteil wurden DI Johann F***** jeweils mehrerer (richtig:) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I/A) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I/B), Ing. Ingo T***** mehrerer (richtig:) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (II) schuldig erkannt.

Nach dem Urteilstenor haben die Angeklagten in Graz vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich (I) DI Johann F*****

A) durch Nichterklären von Scheckeingängen sowie Geltendmachen von

Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen aus Scheinrechnungen um 82.764,60 Euro an Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 und 2002 sowie um 124.847,31 Euro an Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2000 und

B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994

entsprechenden Voranmeldungen um 6.831,87 Euro an Umsatzsteuer für das Jahr 2001, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt,

(II) Ing. Ingo T*****

1) als steuerrechtlich Verantwortlicher der A***** GmbH sowie der mit dieser eine wirtschaftliche Einheit bildenden A***** GmbH durch Nichterklären von Erlösen für die Jahre 1997 bis 2000 um 87.254,62 Euro an Umsatzsteuer sowie um 119.136,55 Euro an Kapitalertragsteuer, für das Jahr 2000 überdies um 14.744,30 Euro an Körperschaftsteuer und

2) durch das Legen von Scheinrechnungen als Beitragstäter (§ 11 dritter Fall FinStrG) zu Verkürzungen der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 durch DI Johann F***** um 21.060 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Ing. Ingo T*****. Die Mängelrüge (Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Schuldspruchs II/2 keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält. Darüber hinaus überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde, dass das Erstgericht in Bezug auf die subjektive Tatseite generell keine Konstatierungen traf, womit die Schuldsprüche beider Angeklagten schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben waren (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Beschwerde das bekämpfte Urteil auch in weiteren Punkten mit Recht kritisiert:

Die Mängelrüge weist zutreffend darauf hin, dass das Erstgericht bezüglich der im Rahmen des Bauvorhabens Mag. P***** bewirkten Verkürzungen an Umsatz- und Kapitalertragsteuer für das Jahr 1999 (II/1) die Aussage des Zeugen Anton As***** unerörtert ließ (Z 5 zweiter Fall). Mit Blick auf die Urteilsannahme, Baumaterialien mit einer Bruttorechnungssumme von 403.273,54 S (ds 29.307,03 Euro) seien zwar nach der Buchhaltung der A***** GmbH (im Folgenden: A*****), nicht jedoch tatsächlich für dieses Bauvorhaben verwendet worden (US 17 f), bedarf es aber beweiswürdigender Überlegungen zur Aussage des Zeugen As*****, er habe als zuständiger Bauleiter die Baumaterialien bestellt, die Lieferscheine überprüft und dafür gesorgt, dass alle bestellten Materialien bei diesem Bauvorhaben verarbeitet werden (ON 150 S 317 f).

Auch der Einwand, dass die angefochtene Entscheidung zum Schuldspruch II/2 keine Begründung enthält (Z 5 vierter Fall), trifft zu. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) zeigt in Bezug auf das Bauvorhaben H***** (US 23) einen - im Übrigen den gesamten Schuldspruch wegen Verkürzung der Umsatz- und der Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 betreffenden - Begründungsmangel hinsichtlich der Abgabenerklärungen der A***** auf. Mit Blick auf die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer sei (nur) bis zum 1. März 2001 handelsrechtlicher Geschäftsführer der A***** gewesen (US 9, 32), lässt die Entscheidung nämlich Erwägungen dahin vermissen, aus welchem Grund sie davon ausgeht, dass diesem die Verantwortung für die hier bis zum 31. März 2001 (§ 134 Abs 1 BAO idF BGBl 1972/224) einzureichenden Abgabenerklärungen zugekommen ist.

Hinsichtlich der Abgabenschuld für das Jahr 1999 bleibt festzuhalten, dass die Urteilsfeststellungen zum Bauvorhaben Mag. P***** die angenommene Menge der nicht buchhaltungskonform verwendeten Baumaterialien und solcherart die insoweit dem Schuldspruch zugrunde liegende Sachverhaltsbasis nicht zweifelsfrei erkennen lassen (US 17 f).

Im zweiten Rechtsgang werden zunächst exakte Feststellungen zur abgabenrechtlichen Verantwortlichkeit zu treffen sein. Mit Blick auf § 33 Abs 3 lit a FinStrG wird überdies zu klären sein, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt, Abgabenerklärungen erstattet worden sind.

In Bezug auf die hier gänzlich unterlassenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite wird auf die unterschiedlichen Vorsatzerfordernisse des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG hingewiesen.

Anders als in der angefochtenen Entscheidung, die sich im Wesentlichen in der Wiedergabe der Anklageschrift (ON 121) erschöpft, werden die Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite in einer § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechenden Weise zu begründen sein. Dabei wird zu beachten sein, dass zwar einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven finanzstrafrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen zukommt (RIS-Justiz RS0087030), dies das erkennende Gericht aber nicht von der Verpflichtung entbindet, sämtliche Beweismittel gewissenhaft auf ihre Beweiskraft zu prüfen (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit bedeutet dies zunächst, dass der bloß pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern vielmehr die nachvollziehbare Bezugnahme auf - konkret zu bezeichnende - Aktenteile erforderlich ist. Fallbezogen fällt in diesem Zusammenhang auf, dass die abgabenbehördlichen Akten dem Gerichtsakt nur rudimentär (in Fotokopie) angeschlossen sind und das Urteil - wohl deswegen - kaum konkrete beweiswürdigende Verweise auf die Ergebnisse des abgabenrechtlichen Verfahrens enthält. Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass Beweisergebnisse, die den erstrichterlichen Annahmen entgegenstehen - wie im ersten Rechtsgang die Aussage des Zeugen As***** - auch dann einer § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechenden Erörterung bedürfen, wenn die in Rede stehenden Urteilsfeststellungen den Annahmen der Abgabenbehörde folgen. Mit seiner Berufung war Ing. Ingo T***** auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

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