Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Der Klägerin wurde von der beklagten Partei anlässlich der Geburt ihres Sohnes Fabio am 7. 9. 2002 unter anderem auch für den Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 31. 12. 2002 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von insgesamt 857,27 EUR zuerkannt und ausbezahlt. Sie wurde im Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 20. 12. 2002 von ihrem Dienstgeber als Pflegehelferin im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche bei der beklagten Partei zur Sozialversicherung angemeldet. Sie erbrachte während dieses Zeitraums keine Arbeitsleistung; die Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgte nur deshalb, damit die Klägerin ihren noch offenen Urlaubsanspruch verbrauchen konnte. Gleichzeitig wurden ihr noch offene Sonderzahlungen aus dem Zeitraum vor Eintritt des Mutterschutzes ausbezahlt. Die Klägerin erhielt für November 2002 1.269,43 EUR (brutto) an Gehalt und 357,72 EUR (brutto) an Sonderzahlungen sowie für Dezember 2002 906,73 EUR (brutto) an Gehalt.
Mit Bescheid vom 3. 12. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgelds für den Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 31. 12. 2002 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von insgesamt 857,27 EUR binnen vier Wochen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung des Kinderbetreuungsgelds für den Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 31. 12. 2002 in Höhe von 857,27 EUR nicht gegeben seien und daher eine Verpflichtung zur Rückzahlung des genannten Betrags nicht bestehe. Sie macht insbesondere geltend, die Sonderzahlungen stellten keinen auf die Zuverdienstgrenze anrechenbaren Verdienst dar und seien völlig überraschend von ihrem Arbeitgeber in jenem Zeitraum zur Auszahlung gebracht worden. Im Übrigen habe sie im relevanten Zeitraum nicht gearbeitet, sondern nur offene Urlaubstage konsumiert. Die beklagte Partei müsse jedenfalls im Hinblick auf eine allfällige, bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze aufgrund des Vorliegens eines Härtefalls von der Rückforderung Abstand nehmen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung. Die Sonderzahlungen seien bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens für die Zuverdienstgrenze ohnedies nicht berücksichtigt worden. Für die Berechnung sei lediglich die Lohnsteuerbemessungsgrundlage des im strittigen Zeitraum von der Klägerin bezogenen Gehalts herangezogen worden. Die gemäß § 8 KBGG ermittelten Einkünfte der Klägerin für das Jahr 2002 errechneten sich mit 15.162,26 EUR, womit die maßgebliche Zuverdienstgrenze von 14.600 EUR um 562,26 EUR überschritten worden sei. Die Anwendung der zu § 31 Abs 4 KBGG erlassenen KBGG-Härtefälle-Verordnung falle in die ausschließliche Kompetenz des Sozialversicherungsträgers und sei von den Sozialgerichten nicht überprüfbar.
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab und erkannte sie schuldig, der beklagten Partei das im Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 31. 12. 2002 zu Unrecht bezogene Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 857,27 EUR in monatlichen Teilbeträgen von je 285,76 EUR zurückzuzahlen. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass die Klägerin, auch wenn sie nur ihren offenen Urlaubsanspruch verbraucht habe, im Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis 20. 12. 2002 ihr Gehalt weiter bezogen habe. Dieser Weiterbezug des Gehalts sei bei der Errechnung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte der Klägerin (§ 8 KBGG) zu berücksichtigen. Aufgrund einer Überschreitung der Zuverdienstgrenze um 562,26 EUR sei die Klägerin zum Rückersatz des im Zeitraum vom 3. 11. 2002 bis einschließlich 31. 12. 2002 bezogenen Kinderbetreuungsgelds verpflichtet. Eine Kompetenz zur Anwendung der KBGG-Härtefälle-Verordnung komme den Sozialgerichten nicht zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin - nach Vorliegen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 26. 2. 2009, G 194/08 ua, mit dem ein Gesetzesprüfungsantrag des Berufungsgerichts abgewiesen wurde - keine Folge. Es vertrat im Wesentlichen die Rechtsansicht, die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für einen gänzlichen oder teilweisen Verzicht auf die Rückforderung vorliegen, stelle nach dem klaren Wortlaut des § 31 Abs 4 KBGG eine Ermessensentscheidung dar, welche der gerichtlichen Kontrolle im Wege der sukzessiven Zuständigkeit nicht unterliege. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass im § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung dem Krankenversicherungsträger konkret vorgegeben sei, unter welchen Voraussetzungen er auf die Rückforderung zu verzichten habe. Im Übrigen wende sich die Härtefallbestimmung des § 31 Abs 4 KBGG nur an den Krankenversicherungsträger. Das Sozialgericht habe nur die Möglichkeit einer Ratengewährung nach § 89 Abs 4 ASGG. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von einer mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die Klägerin wendet sich in ihren Revisionsausführungen ausschließlich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Beurteilung der Frage, ob ein Härtefall im Sinn des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege, durch den Sozialversicherungsträger nicht der gerichtlichen Kontrolle im Wege der sukzessiven Zuständigkeit unterliege. Es handle sich dabei entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen um keine Ermessensentscheidung, da der Sozialversicherungsträger bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Härtefalls nach § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung jedenfalls einen Verzicht auf die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Leistung auszusprechen habe. Diese Ansicht stehe daher auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, wonach bei reinen Ermessensentscheidungen des Sozialversicherungsträgers grundsätzlich von keiner Überprüfungskompetenz der Sozialgerichte auszugehen sei. Es sei daher entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen die Anwendbarkeit der KBGG-Härtefälle-Verordnung im gegenständlichen Verfahren zu bejahen und aufgrund der Erfüllung der Kriterien des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung der Verzicht auf die Rückforderung auszusprechen.
Diesen Ausführungen kommt im Sinne der beschlossenen Aufhebung Berechtigung zu.
§ 31 Abs 4 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) sieht unter anderem vor, dass der Krankenversicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (Härtefälle), insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,
1.) die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrags in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,
- 2.) die Rückforderung stunden,
- 3.) auf die Rückforderung verzichten kann.
Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Kriterien für Härtefälle sowie Art und Weise der Rückforderung festzulegen.
Nach § 1 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405) gelten in Bezug auf die Einkommensgrenze als Härtefälle:
a) Fälle einer geringfügigen, unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung liegt nur dann vor, wenn die Grenzbeträge gemäß den §§ 2 Abs 1 Z 3 und 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 10 % überstiegen werden. In solch einem Fall ist auf die Rückforderung zu verzichten.
b) Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Rückforderung dem Grunde nach erfüllt sind, jedoch aufgrund der individuellen Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der Verpflichteten eine Rückforderung ganz oder teilweise oder zum gegebenen Zeitpunkt als unbillig erscheint.
Seit der Änderung der KBGG-Härtefälle-Verordnung durch die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, ausgegeben am 26. 2. 2004 (BGBl II 2004/91), gilt eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der in § 2 Abs 1 Z 3 KBGG und § 9 Abs 3 KBGG vorgesehenen Zuverdienstgrenzen um nicht mehr als 15 % als Härtefall, bei dem von einer Rückforderung der ausbezahlten Leistungen abzusehen ist. Nach § 4 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2004/91) tritt lit a in der Fassung dieser Verordnung mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und gilt für Geburten nach dem 31. 12. 2001.
Die Bestimmung des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG wurde zwar mit der Novelle BGBl I 2007/76 insofern geändert, als an die Stelle der Verordnungsermächtigung der Verweis auf die §§ 60 bis 62 BHG trat, weshalb die KBGG-Härtefälle-Verordnung mit Ablauf des 31. 12. 2007 außer Kraft getreten ist; sie ist jedoch auf Anspruchsüberprüfungen der Kalenderjahre 2002 bis 2007 weiterhin anzuwenden (§ 49 Abs 15 KBGG).
Wie der Oberste Gerichtshof in der erst jüngst ergangenen Entscheidung 10 ObS 63/09a vom 12. 5. 2009 ausgeführt hat, legt die KBGG-Härtefälle-Verordnung grundsätzlich zwei unterschiedliche Härtefalltatbestände fest:
Gemäß § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung gelten als Härtefälle jene Fälle einer geringfügigen (nicht mehr als 15 %) und unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. In solchen Fällen ist auf die Rückforderung zu verzichten. Dieser Härtefalltatbestand richtet sich in erster Linie an den Krankenversicherungsträger, der nach Feststellung der Überschreitung der Zuverdienstgrenze eruieren muss, ob die Überschreitung nicht mehr als 15 % beträgt und ob sie unvorhersehbar war. Liegen diese beiden genannten Voraussetzungen für ein Absehen von der Rückforderung vor, so erfolgt keine bescheidmäßige Rückforderung. Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor und ist der Rückforderungstatbestand erfüllt, ergeht ein Rückforderungsbescheid. Prüfungen des Tatbestands des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung stellen somit ein „vorgeschaltetes" Verwaltungsverfahren dar. In einem nachfolgenden Gerichtsverfahren ist daher auch von den Sozialgerichten gegebenenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung zu überprüfen.
Demgegenüber handelt es sich in den Fällen des § 1 lit b der KBGG-Härtefälle-Verordnung um ein „nachgeschaltetes" Verwaltungsverfahren. Liegt infolge der Erfüllung eines Rückforderungstatbestands (§ 31 KBGG) ein rechtskräftiger Bescheid oder ein rechtskräftiges Urteil gegen einen Leistungsbezieher vor, so besteht gegen ihn ein hoheitlicher Rückforderungsanspruch des Bundes aufgrund einer zu Unrecht empfangenen Leistung. Für das durchzuführende Rückforderungsverfahren, insbesondere im Hinblick auf die Gewährung von Zahlungserleichterungen bzw Forderungsverzicht sowie die Aussetzung und Einstellung der Einziehung von Forderungen, sind im Wesentlichen die §§ 60 bis 62 BHG zu beachten (vgl § 2 KBGG-Härtefälle-Verordnung). Dieses Ermessen kann erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheids oder Urteils ausgeübt werden. Es trifft die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu, dass der Gesetzgeber des ASGG durch die Bestimmung des § 89 Abs 4 ASGG bei Rückersatz oder Kostenersatzpflicht des Versicherten auch den Sozialgerichten die Möglichkeit der Festlegung einer (längeren) Leistungsfrist und der Ratengewährung eingeräumt hat, während den Gerichten in dieser Gesetzesbestimmung die Kompetenz für eine gänzliche oder teilweise Nachsicht der Rückzahlungspflicht nicht übertragen wurde (vgl RIS-Justiz RS0085706).
Gemäß § 107 Abs 3 ASVG kann der Versicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,
- 1.) auf die Rückforderung verzichten oder
- 2.) die Erstattung des zu Unrecht bezahlten Betrags in Teilbeträgen zulassen. Auch zu dieser Bestimmung wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass dem Gericht in § 89 Abs 4 ASGG zwar die Festlegung einer Zahlungsfrist und die Gewährung von Raten ausdrücklich eingeräumt werde, eine entsprechende Bestimmung für den Fall des Verzichts jedoch fehle, sodass es sich bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für einen gänzlichen oder teilweisen Verzicht auf den Rückersatz im Sinn des § 76 Abs 3 Z 1 GSVG (entspricht inhaltlich § 107 Abs 3 Z 1 ASVG) vorliegen, um eine Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers (arg: „kann ... verzichten") handle, welche der gerichtlichen Kontrolle im Wege der sukzessiven Zuständigkeit nicht unterliege (vgl 10 ObS 210/98z = SSV-NF 12/85).
Davon unterscheidet sich jedoch nach zutreffender Rechtsansicht der Klägerin der hier zu beurteilende Härtefalltatbestand des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung. Der Verordnungsgeber räumt nämlich dem Versicherungsträger bei der Prüfung des Vorliegens dieses Härtefalltatbestands kein Ermessen ein (arg: „ist ... zu verzichten"). Es entspricht aber dem Wesen einer Ermessensentscheidung, dass es mehr als eine rechtmäßige Entscheidungsmöglichkeit gibt. Für den Personenkreis der Versicherten, bei denen die Zuverdienstgrenze unvorhersehbar um nicht mehr als 15 % überschritten wurde, ist jedoch unabhängig von den individuellen Lebensumständen ein genereller Rückforderungsverzicht vorgesehen. Diese Versicherten haben daher Anspruch darauf, dass vom Versicherungsträger auf die Rückforderung verzichtet wird, wenn die Voraussetzungen („geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der Zuverdienstgrenze") nach dieser Bestimmung vorliegen. Es ist somit Voraussetzung für eine Rückersatzverpflichtung des Versicherten nach der im vorliegenden Fall maßgebenden Rückforderungsbestimmung des § 31 Abs 2 KBGG, dass nicht bloß eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der Zuverdienstgrenze im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliegt.
Nach § 25 KBGG sind in Angelegenheiten des Kinderbetreuungsgelds sowie des Zuschusses zu dieser Leistung, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, die für Leistungssachen in der Krankenversicherung geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ASVG, GSVG, BSVG und B-KUVG anzuwenden. Durch diese Bestimmung sowie durch die Aufnahme von Ansprüchen auf Kinderbetreuungsgeld und auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG in den Katalog der Sozialrechtssachen gemäß § 65 Abs 1 Z 8 ASGG hat der Gesetzgeber in Streitigkeiten über Leistungen nach dem KBGG den Rechtsweg zum Arbeits- und Sozialgericht eröffnet. Es ist daher auch von den Arbeits- und Sozialgerichten die Frage zu prüfen, ob die Klägerin zur Rückzahlung des im hier strittigen Zeitraum bezogenen Kinderbetreuungsgelds an die beklagte Partei verpflichtet ist oder ob eine solche Rückersatzverpflichtung wegen Vorliegens des Härtefalltatbestands des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung zu entfallen hat. Die gegenteilige Rechtsansicht der Vorinstanzen würde im Ergebnis wohl darauf hinauslaufen, dass die Entscheidung des Versicherungsträgers, die er über das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Härtefalltatbestands in eigener Sache trifft, gar nicht überprüfbar wäre. Ein solches Ergebnis wäre jedoch aus Gründen des gebotenen Rechtsschutzes bedenklich. Auch das weitere Argument des Berufungsgerichts, der Oberste Gerichtshof habe die gegenteilige Rechtsansicht des Berufungsgerichts in den unter anderem zu 10 ObS 72/08y und 10 ObS 71/08a ergangenen Gesetzesprüfungsanträgen an den Verfassungsgerichtshof zumindest indirekt gebilligt, trifft nicht zu, weil sich der Oberste Gerichtshof - wie auch das Berufungsgericht selbst mit Recht einräumt - in diesen Entscheidungen mit dieser Frage inhaltlich noch nicht befasst hat.
Im vorliegenden Fall wurde die maßgebende Zuverdienstgrenze von
14.600 EUR (vgl § 2 Abs 1 Z 3 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2007/76) durch die gemäß § 8 KBGG für das Jahr 2002 ermittelten Einkünfte der Klägerin unbestritten um 562,26 EUR (= ca 4 %) überschritten, sodass eine bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze im Sinne des Härtefalltatbestands des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliegt. Es ist daher noch zu prüfen, ob diese bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze für die Klägerin unvorhersehbar war. Das Kriterium der „Unvorhersehbarkeit" wird dann gegeben sein, wenn die Überschreitung der Zuverdienstgrenze trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden konnte (vgl 10 ObS 63/09a). Da - ausgehend von einer anderen Rechtsansicht der Vorinstanzen - diese Frage mit den Parteien bisher weder erörtert noch darüber ausreichend Feststellungen getroffen wurden und es somit einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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