Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - im Schuldspruch B./ sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Harald L***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe B./ die ihm in seiner Eigenschaft als Angestellter der Dkfm. Gerold B***** GesmbH eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er im Zeitraum von September 2001 bis März 2003 namens von Klienten der Dkfm. Gerold B***** GesmbH in insgesamt 15 Angriffen die Auszahlung von deren Steuerguthaben bei Finanzämtern in Wien und Niederösterreich beantragte und sich diese Beträge auf sein eigenes Konto bzw auf die Konten seiner Gattin Ulrike L***** und seiner Tochter Bianca L***** anweisen ließ, und dadurch nachgenannten Vollmachtgebern einen Vermögensnachteil in einem Gesamtbetrag von 58.085,48 Euro zugefügt, nämlich,
- 1) am 6. September 2001, N***** GmbH, Schaden 1.918,56 Euro;
- 2) am 2. Juli 2002, Elfriede H*****, Schaden 2.845,05 Euro;
- 3) am 3. November 2002, Franz H*****, Schaden 1.472,50 Euro;
- 4) am 4. Dezember 2002, Martin P*****, Schaden 6.527,96 Euro;
- 5) am 5. Dezember 2002, Josef K*****, Schaden 3.701,41 Euro;
- 6) am 6. Jänner 2003, Christian H*****, Schaden 14.703,93 Euro;
- 7) am 7. Jänner 2003, Franz D*****, Schaden 2.736,28 Euro;
- 8) am 8. Jänner 2003, Josef B*****, Schaden 2.419,31 Euro;
- 9) am 13. Jänner 2003, Berta und Rudolf R*****, Schaden 4.008,71 Euro;
- 10) am 10. Februar 2003, L***** OEG, Schaden 4.439,74 Euro;
- 11) am 11. Februar 2003, Klaus P*****, Schaden 1.889,54 Euro;
- 12) am 12. Februar 2003, Albin S*****, Schaden 1.057,91 Euro;
- 13) am 13. Februar 2003, Gerhard U*****, Schaden 507,26 Euro;
- 14) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 4. März 2003, Tanzkapelle J*****, Schaden 2.512,97 Euro;
15) am 15. März 2003, Hermann C*****, Schaden 7.344,35 Euro;
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für das ihm unverändert zur Last liegende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A./I./ und II./ des Ersturteils) und das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (C./ des Ersturteils) wird über ihn nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten verhängt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wird.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Harald L***** der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (A./I./) und nach § 133 Abs 2 erster Fall StGB (A./II./) - richtig: zu A./I./ und II./ des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB - sowie der Verbrechen - richtig: des Verbrechens - der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (B./ und C./) schuldig erkannt.
Soweit hier von Bedeutung hat er in Amstetten
B./ von 6. September 2001 bis 15. März 2003 die ihm in seiner Eigenschaft als Angestellter der Dkfm. Gerold B***** GmbH eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er namens von Klienten der Dkfm. Gerold B***** GmbH in insgesamt 15 Angriffen die Auszahlung von deren Steuerguthaben bei Finanzämtern in Wien und Niederösterreich beantragte und sich diese Beträge auf sein eigenes Konto bzw auf die Konten seiner Gattin Ulrike L***** und seiner Tochter Bianca L***** anweisen ließ, und dadurch 15 im Urteil näher angeführten Vollmachtgebern einen Vermögensnachteil in einem Gesamtbetrag von 58.085,48 Euro zugefügt.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Schuldspruch B./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist im Recht.
Die Rechtsrüge stützt sich auf die Urteilsfeststellungen, dass der Beschwerdeführer den zu B./ verursachten Schaden dadurch gutmachte, dass er am 10. April 2003 die von ihm unrechtmäßig einbehaltenen Finanzamtsguthaben der Klienten unter massivem Druck der Situation zurückzahlte, weil ihm klar war, dass er in diesem sensiblen Beruf (gemeint: Bilanzbuchhalter und Vermögensberater [US 6]) sonst in der gesamten Steuerberatungsbranche keine Anstellung und als Unternehmensberater keine Klienten mehr bekommen hätte, weil sich solche Malversationen auch in der Branche herumgesprochen hätten (US 9).
Der rechtlichen Beurteilung des Schöffengerichts zufolge sei diese Schadensgutmachung wohl rechtzeitig erfolgt (vgl S 91/Bd I: Einlangen der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft am 21. Juni 2004), doch komme dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund tätiger Reue im Sinne des § 167 StGB nicht zustatten, weil er im sensiblen Bereich der Steuer- und Unternehmensberatung keine Anstellung mehr gefunden hätte, sohin zur Schadensgutmachung gezwungen gewesen sei (US 20). Der Rechtsrüge ist zuzustimmen, dass das Schöffengericht die Frage der Freiwilligkeit der Schadensgutmachung unrichtig beurteilt hat. Gemäß § 167 Abs 2 StGB scheidet tätige Reue dann aus, wenn der Täter zur Schadensgutmachung gezwungen war. Bei der Frage, ob sich der Täter durch den Druck der Verhältnisse zur Gutmachung des Schadens „gezwungen" sieht, kommt es ausschließlich auf seine Vorstellungen über die Möglichkeit einer erfolgreichen Verweigerung der Schadensgutmachung und nicht darauf an, ob er vermeint, unter den gegebenen Umständen bloß durch sie einer Verurteilung entgehen zu können (RIS-Justiz RS0095286). Freiwilligkeit liegt dann vor, wenn die Gutmachung unter Umständen erfolgt, unter denen es dem Täter unbenommen ist, die Schadensgutmachung mit Erfolg zu verweigern (RIS-Justiz RS0095085). Ist die Schadensgutmachung unvermeidbar, so erfolgt sie nicht freiwillig (RIS-Justiz RS0095274). Vorliegend war der Nichtigkeitswerber massivem Druck durch das Mitglied der Firmenleitung, Horst P*****, ausgesetzt, der mit Strafanzeige drohte. Dem Angeklagten war klar, dass bei Aufkommen des inkriminierten Verhaltens sein Ruf in der Branche ruiniert wäre (US 9 dritter Absatz, 13 vorletzter Absatz). Dieser vom Erstgericht angenommene Druck der Verhältnisse bleibt jedoch im Rahmen dessen, was dem Andringen des Verletzten, das von § 167 Abs 2 StGB ausdrücklich nicht als Zwang gewertet wird, regelmäßig jenes Gewicht verleiht, das den Täter zur noch freiwilligen Schadensgutmachung veranlasst (vgl RIS-Justiz RS0095070 [T2]).
Dem Angeklagten wäre es unbenommen geblieben, die Schadensgutmachung zu verweigern und in eine andere Branche zu wechseln. Sohin führten Opportunitätserwägungen und nicht unvermeidbarer Zwang zur Schadensgutmachung, der daher Freiwilligkeit nicht abgesprochen werden kann (vgl Fabrizy, StGB9 § 167 Rz 8).
Das angefochtene Urteil war daher im Schuldspruch B./ aufzuheben und es war in diesem Umfang mit Freispruch vorzugehen.
Bemerkt wird, dass es das Schöffengericht unterlassen hat, zu den Schuldsprüchen A./I. und A./II. einerseits sowie B./ und C./ andererseits nach § 29 StGB Subsumtionseinheiten zu bilden, was hinsichtlich der verbleibenden Schuldsprüche A./I./ und A./II./ Anlass für eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bot (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622 ff). Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand jedoch - mangels amtswegig beachtlichen Nachteils für den Angeklagten - kein Grund (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 24). Bei der erforderlichen Strafneubemessung für das verbleibende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A./I./ und II./) und das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (C./) wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen als erschwerend, als mildernd hingegen das lange Zurückliegen der Taten und die relativ lange Verfahrensdauer.
Unter Rücksichtnahme auf den letztgenannten Milderungsgrund, der vom Obersten Gerichtshof zugleich ausdrücklich als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) anerkannt wird, war - im Ausgleich hiefür - eine mit 21 Monaten angemessen erscheinende Freiheitsstrafe auf eine solche von 18 Monaten zu reduzieren (vgl EGMR 10. 11. 2005, Dzelili gegen Deutschland, NL 2005, 279; 11 Os 135/06x, 11 Os 130/07p, 11 Os 23/06a, 14 Os 123/08g); gleich dem Ersturteil war die Strafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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