OGH 9ObA38/08s

OGH9ObA38/08s2.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Norbert S*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 25.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2007, GZ 9 Ra 138/07s-31, womit das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17. Juli 2007, GZ 23 Cga 32/05a-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Versicherungs- und Finanzdienstleisterin. Der Kläger war seit 1. 10. 2001 auf Grund eines sog „Agentenvertrags" für sie tätig. Dieser Vertrag enthielt in Punkt 2.11. folgende Regelung: „Der Agent ist nicht berechtigt, während der Dauer des Agentenvertrages für Konkurrenzunternehmen von A***** oder dessen Partnergesellschaften tätig zu werden, sich an solchen Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen, oder solche in irgendeiner Weise zu unterstützen. Dieses Konkurrenzverbot bezieht sich ausschließlich auf die in Punkt 1.1. genannten Tätigkeiten." In Punkt 3.2. des Agentenvertrags war weiters festgehalten, dass ein wichtiger Grund, der A***** zur vorzeitigen Auflösung des Agentenvertrags berechtigt, insbesondere dann gegeben ist, wenn der Agent beispielsweise gegen die in Punkt 2.11. angeführten Pflichten verstößt.

Am 30. 9. 2004 kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum 31. 12. 2004 auf. Am 6. oder 7. 11. 2004 unterschrieb er einen neuen Vertrag mit der A***** F***** GmbH und der J***** GmbH wurde aber zunächst für diese beiden Unternehmen noch nicht tätig. Am 9. 11. 2004 stellte die Beklagte im Zuge der Abfrage freier Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde fest, dass der Kläger sowohl als freier Mitarbeiter der Beklagten, als auch der beiden vorgenannten Unternehmen aufschien. Die Beklagte löste daraufhin ihrerseits das Vertragsverhältnis mit dem Kläger mit sofortiger Wirkung auf. Als wichtiger Grund wurde im Auflösungsschreiben vom 9. 11. 2004 „nachweisliche Konkurrenztätigkeit" angeführt. Tatsächlich hatte der Kläger bis zum Erhalt dieses Schreibens keine Vermittlungs- oder sonstige Tätigkeiten für die A***** F***** GmbH und die J***** GmbH verrichtet.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten den Betrag von 25.000 EUR sA als Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVertrG 1993. Er habe das Vertragsverhältnis mit der Beklagten am 30. 9. 2004 zum 31. 12. 2004 gekündigt. Die Beklagte habe daraufhin ihrerseits das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 9. 11. 2004 mit sofortiger Wirkung ausgelöst, ohne dass allerdings ein wichtiger Grund für die Auflösung vorgelegen sei. Begründeten Anlass zur Kündigung gemäß § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 habe vielmehr der Kläger wegen der Heranziehung zu vertragswidrigen oder arglistig herausgelockten Zahlungen, der Nichtweiterleitung von Provisionen, der nicht widmungsgemäßen Verwendung von Zahlungen, wegen vertragswidriger Behandlung und rechtswidriger Verwendung und schließlich wegen der Beschimpfung durch Kunden der Beklagten wegen eines zu Unrecht als „krisensicher" bezeichneten Finanzprodukts gehabt. Der vom Kläger begehrte Ausgleichsanspruch beruhe auf der Zuführung von Kunden, von denen die Beklagte auch nach seinem Ausscheiden langfristig profitiere. Die Provisionseinnahmen des Klägers haben im letzten Jahr seiner Tätigkeit für die Beklagte 32.000 EUR betragen.

Die Beklagte bestreitet das Klagevorbringen, beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, dass der Kläger gegen das in Punkt 2.11. des Agentenvertrags vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen habe, indem er gleich für zwei Mitbewerber der Beklagten tätig geworden und gegenüber der Finanzmarktaufsichtsbehörde als freier Mitarbeiter gemeldet gewesen sei. Die wegen konkurrenzierender Tätigkeit des Klägers in der Kündigungsfrist vorgenommene vorzeitige Vertragsauflösung durch die Beklagte habe einen allenfalls bestehenden Ausgleichsanspruch des Klägers vernichtet. Selbst wenn die vorzeitige Auflösung aber nicht berechtigt gewesen sein sollte, sei der Ausgleichsanspruch bereits durch die Selbstkündigung des Klägers verloren gegangen. Zu einem Wiederaufleben dieses Anspruchs sei es nicht gekommen. Der Kläger habe keinen begründeten Anlass zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Die von ihm behaupteten Umstände, deren Richtigkeit bestritten werde, seien ihm zum Teil seit Jahren bekannt gewesen; eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei ihm daher nicht unzumutbar gewesen. Bei den vom Kläger vermittelten Verträgen habe es sich um typische „Einmalgeschäfte" gehandelt. Ein erheblicher Vorteil für die Beklagte aus der Tätigkeit des Klägers sei daher nicht gegeben. Im Übrigen sei der vom Kläger begehrte Ausgleichsanspruch insbesondere wegen der hohen Abwanderungsquote der Kunden von mindestens 80 % überhöht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren des Klägers mit Zwischenurteil statt, indem es feststellte, dass ein Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 24 HVertrG 1993 zu Recht bestehe; die Kostenentscheidung wurde der Endentscheidung vorbehalten. Unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, dass die bloße Unterfertigung eines Agentenvertrags mit einem Konkurrenzunternehmen, ohne dass der Agent für dieses Unternehmen tätig werde, nicht unter den Wortlaut des vereinbarten Konkurrenzverbots falle. Der Kläger sei bis zur vorzeitigen Vertragsauflösung durch die Beklagte nicht für Konkurrenzunternehmen tätig geworden; er habe somit nicht gegen das mit der Beklagten vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen. Die vorzeitige Vertragsauflösung der Beklagten vom 9. 11. 2004 sei daher nicht gerechtfertigt gewesen. Dass der Kläger seinerseits das Vertragsverhältnis zum 31. 12. 2004 gekündigt habe, stehe dem Ausgleichsanspruch nicht entgegen, weil es bereits vorher durch die vorzeitige Vertragsauflösung der Beklagten beendet worden sei. Damit sei aber der Ausgleichsanspruch des Klägers entstanden. Es sei daher unerheblich, ob die Kündigung des Klägers aus begründetem Anlass erfolgt sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Zwischenurteil des Erstgerichts erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte dieses mit der Maßgabe, dass es zu lauten habe, dass das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 25.000 EUR sA zu bezahlen, dem Grunde nach zu Recht bestehe; die Kostenentscheidung bleibe der Endentscheidung vorbehalten. Die ordentliche Revision wurde gemäß § 502 Abs 1 ZPO zugelassen. Das Berufungsgericht gab der in der Berufung erhobenen Beweisrüge der Beklagten nicht Folge und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als das Ergebnis einer plausiblen Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich beim bloßen Umstand, dass der Kläger am 9. 11. 2004 auf der Homepage der Finanzmarktaufsichtsbehörde als freier Mitarbeiter nicht nur der Beklagten, sondern zweier weiterer Unternehmen aufgeschienen sei, um kein schuldhaftes, einen wichtigen Grund im Sinn des § 22 HVertrG 1993 darstellendes bzw gegen den Punkt 2.11. des Agentenvertrags verstoßendes Verhalten des Klägers gehandelt habe. Der Kläger sei für keine Konkurrenzunternehmen der Beklagten tätig geworden. Die Beklagte habe somit den Agentenvertrag zu Unrecht vorzeitig aufgelöst. Die Voraussetzungen für den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs gemäß § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG 1993 seien daher nicht gegeben. Der Kläger habe den Ausgleichsanspruch auch nicht durch seine Eigenkündigung vernichtet. Gemäß § 24 Abs 1 HVertrG 1993 sei entscheidend, wie und wodurch das Vertragsverhältnis tatsächlich beendet werde. Der Ausgleichsanspruch sei zwar kein Abfertigungsanspruch; die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Abfertigungsanspruch entwickelten Grundsätze können jedoch auch auf den Ausgleichsanspruch übertragen werden. Werde ein Arbeitsverhältnis nach vorherigem Ausspruch der Arbeitnehmerkündigung durch eine vom Arbeitgeber während der Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund ausgesprochene Entlassung beendet, dann gebühre dennoch ein Abfertigungsanspruch. Dies gelte auch für den Ausgleichsanspruch, wenn das Vertragsverhältnis nach vorheriger Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Handelsvertreter vom Unternehmer vorzeitig aufgelöst werde, ohne dass ein Tatbestand des § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG 1993 verwirklicht worden sei.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zwar zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Agentenvertrag der Parteien vom 1. 10. 2001 durch die vorzeitige Auflösung der Beklagten vom 9. 11. 2004 - ungeachtet der Frage, ob diese Auflösung zu Recht erfolgte - jedenfalls beendet wurde. Unstrittig ist weiters, dass das Vertragsverhältnis der Parteien dem Handelsvertretergesetz (HVertrG 1993), BGBl 1993/88, unterlag.

Die Revisionswerberin macht in der Revision zwei Fragen geltend, und zwar die Verletzung des vertraglichen Konkurrenzverbots und daraus resultierend die Berechtigung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags durch die Beklagte sowie die Beendigung des Vertrags durch eine dem Ausgleichsanspruch entgegenstehende Beendigungsart (Kündigung durch den Handelsvertreter). Ausdrücklich nicht releviert wird von der Revisionswerberin die Frage der Erlassung eines Zwischenurteils durch das Erstgericht über den Ausgleichsanspruch des Klägers. Die diesbezüglich angestellten rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts können daher dahingestellt bleiben.

Den beiden von der Revisionswerberin aufgeworfenen Fragen kommt hier deshalb Bedeutung zu, weil der dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 24 Abs 1 HVertrG 1993 (unter den dort näher genannten Voraussetzungen) gebührende Ausgleichsanspruch nach Abs 3 leg cit nicht besteht, wenn - soweit hier relevant - der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben (Z 1), oder der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters vorzeitig aufgelöst hat (Z 2). Der Vertretungsvertrag kann jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teil aus wichtigem Grund gelöst werden (§ 22 Abs 1 HVertrG 1993). Als ein wichtiger Grund, der den Unternehmer zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses berechtigt, ist unter anderem anzusehen, wenn der Handelsvertreter wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt (§ 22 Abs 2 Z 3 HVertrG 1993).

Da die Kündigung des Handelsvertreters den Ausgleichsanspruch nicht ausschließt, wenn dem Unternehmer zurechenbare Umstände hiezu begründeten Anlass gegeben haben (was die Vorinstanzen bisher dahingestellt ließen), ist zuerst zu prüfen, ob die Beklagte das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG 1993 darstellenden Verhaltens des Klägers zu Recht vorzeitig aufgelöst hat. Wie bereits im Rahmen der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wiedergegeben, enthielt der gegenständliche Agentenvertrag in Punkt 2.11. die ausdrückliche Regelung, dass der Agent nicht berechtigt sei, während der Dauer des Agentenvertrags für Konkurrenzunternehmen von A***** tätig zu werden, sich an solchen Konkurrenzunternehmen zu beteiligen oder solche Unternehmen in irgendeiner Weise zu unterstützen. Es handelt sich dabei um ein in Handelsvertreterverträgen häufig enthaltenes Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot (vgl Nocker, HVertrG 1993 § 1 Rz 163 ua). Dieses Verbot knüpft an die gesetzliche Pflicht des Handelsvertreters an, bei Ausübung seiner Tätigkeit das Interesse des Unternehmers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers wahrzunehmen (§ 5 HVertrG 1993; Nocker, HVertrG 1993 § 5 Rz 22, 26 ua). Die Verletzung des Konkurrenzverbots berechtigt den Unternehmer, den Vertrag aus wichtigem Grund vorzeitig aufzulösen (Nocker, HVertrG 1993 § 5 Rz 43 ua). Eine entsprechende Regelung findet sich, wie bereits ausgeführt, auch im Punkt 3.2. des gegenständlichen Agentenvertrags, wonach ein wichtiger Grund, der die Beklagte zur vorzeitigen Auflösung des Agentenvertrags berechtigt, insbesondere dann gegeben ist, wenn der Agent beispielsweise gegen die in Punkt 2.11. angeführten Pflichten verstößt. Die Beklagte machte von den drei in Punkt 2.11. geregelten Fällen des Konkurrenzverbots nur den ersten Fall, nämlich das Tätigwerden des Klägers für Konkurrenzunternehmen der Beklagten, geltend. Ein derartiges Tätigwerden im eigentlichen Wortsinn wurde jedoch vom Erstgericht ausdrücklich verneint; die diesbezügliche Beweisrüge der Beklagten in der Berufung blieb ohne Erfolg.

Die Beklagte hatte nach der Lage ihres Vorbringens keine unmittelbaren Informationen über ein Tätigwerden des Klägers im engeren Sinn. Sie leitete es jedoch daraus ab, dass der Kläger am 9. 11. 2004 auf der Homepage der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) auch als freier Mitarbeiter anderer Unternehmen als der Beklagten aufgeschienen war. In der Revision macht sie dazu geltend, dass schon der durch die Anmeldung des Klägers als freier Mitarbeiter für ein Konkurrenzunternehmen geschaffene Sachverhalt eine Verletzung des vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbots darstelle. Es komme daher nicht darauf an, ob der Kläger in dem Sinn tätig geworden sei, dass er für andere Unternehmen Verträge vermittelt oder zu vermitteln versucht habe, also konkrete Vermittlungshandlungen gesetzt habe. Es sei zu beachten, welche rechtlichen Implikationen eine Meldung als freier Mitarbeiter gemäß § 19 Abs 2a WAG (alt) für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) und den freien Mitarbeiter habe. Grundlage für die entsprechende Meldung an die FMA sei ein entsprechendes Vertragsverhältnis zwischen dem WPDLU und dem freien Mitarbeiter. Die Meldung an die FMA habe unmittelbar nach Aufnahme der vertraglichen Beziehungen zwischen dem freien Mitarbeiter und dem WPDLU zu erfolgen, damit für die Marktteilnehmer, insbesondere auch die Kunden, transparent sei, wer für wen tätig sei. Deshalb werde die Liste der freien Mitarbeiter auch täglich aktualisiert und sei öffentlich im Internet abfragbar. Gegenüber der FMA übernehme das meldende Unternehmen die Haftung für schuldhaftes Verhalten des freien Mitarbeiters. Den freien Mitarbeiter treffe wiederum ab der Meldung die Pflicht, sich bei jedem Kundenkontakt als Mitarbeiter jener Unternehmen auszuweisen, die eine Meldung für ihn abgegeben haben. Die Meldung markiere sohin den Beginn der Tätigkeit eines freien Mitarbeiters. Im Ergebnis sei die Meldung eines freien Mitarbeiters bei der FMA viel stärker zu bewerten als die Eintragung in ein öffentliches Telefonbuch oder das Anbringen einer Firmentafel, die bereits als das Anbieten einer Dienstleistung zu qualifizieren seien. Auch die Eintragung in die Liste der FMA als freier Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens sei als das Anbieten einer Dienstleistung und damit als Verstoß gegen das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot anzusehen.

Diesen Überlegungen der Revisionswerberin kann im Ergebnis nicht beigepflichtet werden. Vorweg ist festzuhalten, dass die Beklagte - wie sie in ihrer Revision selbst nochmals bekräftigt - den angeblichen Verstoß des Klägers gegen das Verbot in Punkt 2.11. des Agentenvertrags, während der Dauer des Agentenvertrags für Konkurrenzunternehmen der Beklagten tätig zu werden, nicht darauf stützt, dass der Kläger schon während der Kündigungsfrist für Konkurrenzunternehmen Verträge vermittelt oder zu vermitteln versucht habe, also konkrete Vermittlungshandlungen gesetzt habe. Soweit sie in der Revision dennoch kurz erwähnt, dass aufgrund der großen Anzahl von Kundenbeziehungen des Klägers davon „auszugehen" sei, dass er nach Unterfertigung der Vertriebspartnerverträge mit den Konkurrenzunternehmen Kontakt mit Kunden hatte, entfernt sie sich von den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen. Nach diesen Feststellungen ist nämlich gerade nicht von der Annahme der Revisionswerberin „auszugehen". Die Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (Kodek in Rechberger, ZPO² § 506 Rz 2 mwN ua). Dies fällt jedoch nicht besonders ins Gewicht, denn im Schwerpunkt konzentriert sich die Revisionswerberin auf die Eintragung des Klägers in die Liste der FMA hinsichtlich freier Mitarbeiter der WPDLU, worauf sie sich bereits in erster Instanz gestützt hat. Ihre diesbezüglichen Überlegungen in der Revision sind somit zwar zulässig, letztlich jedoch unbegründet.

Die Revisionswerberin zielt mit ihrer Argumentation zur „Liste" freier Mitarbeiter von WPDLU auf das bei der FMA zu führende öffentliche Register ab, in das von den Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vertraglich gebundene Vermittler einzutragen sind. Gesetzlich geregelt ist dieses öffentliche Register seit dem 1. 11. 2007 in § 28 Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (WAG 2007), BGBl I 2007/60. Im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des gegenständlichen Vertragsverhältnisses (9. 11. 2004) stand diese Regelung noch nicht in Geltung. Zu dieser Zeit galt noch das Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG), BGBl 1996/753, das jedoch keine Regelungen über ein derartiges öffentliches Register enthielt. Dennoch hatte die FMA bereits damals ein Register für freie Mitarbeiter eingerichtet, das sich in der Praxis auch bewährte und schließlich in Umsetzung des Art 23 der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente im WAG 2007 besonders geregelt wurde (RV 143 BlgNR 23. GP 14 f; Kreisl in Brandl/Saria, WAG § 28 Rz 6; Neumayer/Samhaber/Bohrn/Margetich/Leustek, Praxishandbuch WAG 2007 und MIFID 43, 45 ua). Ob die Meldung eines freien Mitarbeiters bei der FMA - wie die Revisionswerberin meint - „viel stärker" zu bewerten sei als die Eintragung in ein öffentliches Telefonbuch oder das Anbringen einer Firmentafel, kann dahingestellt bleiben, weil sie bei dieser Mutmaßung den Zweck des öffentlichen Registers außer Acht lässt. Der gegenständliche Sachverhalt kann darauf reduziert werden, dass der Kläger zwei bis drei Tage vor dem 9. 11. 2004 (innerhalb der bis zum 31. 12. 2004 laufenden Kündigungsfrist) einen neuen Vertrag mit zwei Konkurrenten der Beklagten abgeschlossen hat; eine tatsächliche Tätigkeit des Klägers für diese Unternehmen wurde von den Vorinstanzen allerdings ausgeschlossen. Nun verneinte der Oberste Gerichtshof bereits zum Konkurrenzverbot nach § 7 AngG - nach dieser Bestimmung dürfen Angestellte (durchaus dem Konkurrenzverbot in Punkt 2.11. des Agentenvertrags vergleichbar) ohne Bewilligung des Dienstgebers im Geschäftszweig des Dienstgebers keine Handelsgeschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen - mit Billigung der Lehre, dass bloße „Vorbereitungshandlungen" während der Kündigungsfrist keinen Verstoß gegen § 7 AngG darstellen (vgl Pfeil in ZellKomm § 7 AngG Rz 12; Burgstaller/Preyer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 7 Rz 38; Resch in Löschnigg, AngG8 § 7 Erl 16; RIS-Justiz RS0027910 ua).

Die Revisionswerberin versucht nun (zu Recht) gar nicht, die von ihr angenommene Verletzung des vertraglichen Konkurrenzverbots am bloß vorbereitenden Abschluss eines neuen Vertriebsvertrags festzumachen. Ihr Ansatz, die Eintragung in das von der FMA bereits 2004 geführte Register in ein „Anbieten von Leistungen" durch den Kläger für Konkurrenzunternehmen umzufunktionieren, missversteht jedoch den Zweck dieses Registers, von dem auch die Revisionswerberin nicht behauptet, dass er sich vom Zweck des späteren Registers gemäß § 28 WAG 2007 unterschieden habe. Wie sie selbst mehrfach betont, solle aufgrund der Meldung freier Mitarbeiter an die FMA und der laufenden Aktualisierung der Liste vor allem für Kunden transparent sein, wer für wen tätig sei. Das meldende Unternehmen übernehme laut Revisionswerberin die Haftung für schuldhaftes Verhalten des freien Mitarbeiters (§ 19 Abs 2a WAG [alt]). Den freien Mitarbeiter wiederum treffe ab der Meldung die Pflicht, sich bei jedem Kundenkontakt als Mitarbeiter jener Unternehmen auszuweisen, die eine Meldung für ihn abgegeben haben. Die Schlussfolgerung der Revisionswerberin, dass die Meldung bzw der durch die Meldung herbeigeführte Registerstand ein „Anbieten" von Leistungen durch den freien Mitarbeiter darstelle, trifft sohin nicht zu. Es geht nicht um ein Anbieten, sondern vielmehr darum, dass jene Kunden, denen der Mitarbeiter tatsächlich seine Dienste anbietet (was hier allerdings gerade nicht der Fall war), durch das Register in die Lage versetzt werden, sich davon zu überzeugen, ob und für welche Unternehmen dieser Mitarbeiter registriert ist und Finanzdienstleistungen erbringen darf (vgl Knobl/Hysek, Aktuelle Praxisfragen des Wertpapieraufsichtsgesetzes, ÖBA 2001, 29 [40] ua).

Zusammenfassend kann in der Vertragsauslegung des Berufungsgerichts, dass die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte nicht auf eine Verletzung des vertraglichen Konkurrenzverbots nach Punkt 2.11. des Agentenvertrags (Tätigwerden des Handelsvertreters für Konkurrenzunternehmen) gestützt werden könne, keine Fehlbeurteilung erblickt werden, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste. Es ist daher auf die zweite von der Revisionswerberin relevierte Frage einzugehen, ob der vom Kläger noch vor der vorzeitigen Vertragsauflösung durch die Beklagte ausgesprochenen Kündigung des Vertrags in Bezug auf den Ausgleichsanspruch (vorbehaltlich der noch offenen Frage der Veranlassung der Kündigung durch die Beklagte) Relevanz zukommt.

Die Revisionswerberin führt dazu aus, dass sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs 3 HVertrG 1993 ergebe, dass mit wirksamer Erklärung der Kündigung durch den Handelsvertreter der Ausgleichsanspruch vernichtet werde; es sei denn, es läge ein begründeter Anlass für die Kündigung vor. Aus der Bestimmung lasse sich nicht ableiten, dass ein Entfall des Ausgleichsanspruchs dann nicht eintrete, wenn nach der Kündigung des Handelsvertreters das Vertragsverhältnis aus irgendeinem anderen Grund (etwa durch eine vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund) nicht erst zum Kündigungstermin, sondern schon vorher beendet werde. Auch der Zweck der Bestimmung gebiete die Auslegung der Revisionswerberin. Spreche ein Handelsvertreter eine Kündigung aus, so müsse er sich des Risikos bewusst sein, dass er keinen Ausgleichsanspruch habe, wenn er keinen begründeten Anlass für die Kündigung geltend machen könne. Diese Situation sei bereits beim Ausspruch der Kündigung gegeben. Es bestehe kein Grund für die Annahme, dass dem Handelsvertreter durch nachfolgende Ereignisse (zB eine unberechtigte vorzeitige Auflösung des Vertrags durch den Unternehmer) eine Rechtsposition verschafft werde, die er bereits bewusst aufgegeben habe.

Auch diesen Überlegungen der Revisionswerberin kann nicht beigepflichtet werden. Zunächst kann von einem „eindeutigen Wortlaut" im Sinn der Auslegung der Revisionswerberin keine Rede sein. Wenn in § 24 HVertrG 1993 von „nach Beendigung des Vertragsverhältnisses" (Abs 1 und Abs 5), „wenn das Vertragsverhältnis ... endet" (Abs 2), „aus Anlass der Beendigung des Vertragsverhältnisses" (Abs 3 Z 3) bzw „das Vertragsverhältnis ... gedauert" (Abs 4) die Rede ist, dann spricht dies eher für eine auf die Beendigung des Verhältnisses abstellende Auslegung. Wesentlich ist nämlich die Erkenntnis, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 24 Abs 1 HVertrG 1993 erste formelle Voraussetzung für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs ist (Nocker, Handelsvertretervertrag Rz 457; ders, HVertrG 1993 § 24 Rz 236 ua). Von einer „Eindeutigkeit des Wortlauts" kann aber auch insoweit nicht gesprochen werden, weil in § 24 HVertrG 1993 nicht nur die Beendigung an sich, sondern auch die verschiedenen Beendigungserklärungen bzw -tatbestände angesprochen werden, die mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses in zeitlicher Hinsicht zusammenfallen können. Auf diesen Aspekt des § 24 HVertrG 1993 eindeutig eingehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt bisher. In 8 ObA 65/06a musste diese Frage nicht abschließend beantwortet werden, nachdem die Sache ohnehin bereits vom Berufungsgericht zur Klärung, wie das Verhältnis beendet wurde, aufgehoben worden war (vgl dazu auch Jabornegg in DRdA 2008/16, 244). In 7 Ob 328/99g ging es auch um einen Ausgleichsanspruch, im Vordergrund stand jedoch die Frage des Versicherungsbeginns im Rahmen eines Deckungsprozesses.

Im österreichischen Schrifttum hat sich vor allem Nocker mit der Frage auseinandergesetzt, was rechtens sei, wenn nach ausgleichsanspruchschädlicher Eigenkündigung des Handelsvertreters während der Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt vorzeitig aufgelöst wird. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht auf den Ausspruch oder den Zugang der Kündigung, sondern darauf ankommt, wie oder wodurch das Vertragsverhältnis tatsächlich beendet wird (Nocker, Handelsvertretervertrag Rz 462; ders, Ausgleichsanspruch Rz 148; ders, HVertrG § 24 Rz 263; ebenso Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG § 24 Rz 8 und wohl auch Jabornegg in DRdA 2008/16, 244 [Glosse zu 8 ObA 65/06a]; differenzierend Tschuk, Ausgleichsanspruch 77 ff; siehe auch zur vergleichbaren deutschen Rechtslage: Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB² § 89b Rn 82; Hopt, Handelsvertreterrecht³ § 89b HGB Rn 53; ders in Baumbach/Hopt, HGB33 § 89b Rn 53; aA hingegen MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 89b Rn 156 ua). Der Senat folgt dem Standpunkt von Nocker und der überwiegenden Lehre. Diese Auffassung entspricht nämlich auch der einhelligen Lehre und Rechtsprechung zum Abfertigungsanspruch nach § 23 AngG (bzw nach dem Arbeiterabfertigungsgesetz [ArbAbfG], BGBl 1979/107) unter dem Aspekt des Abfertigungsausschlusses wegen Vorliegens einer anspruchsvernichtenden Beendigungsart im Sinn des § 23 Abs 7 AngG. Danach hängt der Abfertigungsanpruch davon ab, wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich endete (Mayr in ZellKomm § 23 AngG Rz 7 f; ders in Löschnigg, AngG8 § 23 Erl 7 f; Löschnigg, Arbeitsrecht10 582; 9 ObA 128/07z ua). Die Abfertigung gebührt daher einem Arbeitnehmer auch dann, wenn er zwar selbst gekündigt hat, dann aber während der Kündigungsfrist vom Arbeitgeber ohne wichtigen Grund entlassen wird (RIS-Justiz RS0028772 ua). Mit dem Ausspruch der Kündigung wird das Arbeitsverhältnis nämlich noch nicht aufgelöst, sondern tritt nur in die Auflösungsphase (vgl Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 20 Rz 135; Reissner in ZellKomm § 20 AngG Rz 42; 9 ObA 128/07z; RIS-Justiz RS0028293 ua). Dabei wird hier nicht verkannt, dass es sich beim Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG 1993 um keinen Abfertigungsanspruch handelt (Nocker, Handelsvertretervertrag Rz 453 ua). Die der Berücksichtigung anspruchsvernichtender Beendigungsarten zugrundeliegenden Wertungen sind jedoch durchaus der Situation beim Ausgleichsanspruch vergleichbar.

Zusammenfassend ist somit die Revision der Beklagten nicht berechtigt, weshalb ihr ein Erfolg versagt bleiben muss.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die § 393 Abs 4, § 52 Abs 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte