OGH 7Ob79/09g

OGH7Ob79/09g13.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter B*****, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren AZ 3 S 21/08t des Bezirksgerichts Schärding über das Vermögen des Johannes Z*****, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagte Partei W*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 73.100,65 EUR (sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2009, GZ 4 R 195/08m-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 23. Juni 2008, GZ 5 Cg 45/07z-8, infolge Berufung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Bezeichnung der klagenden Partei wird dahin berichtigt, dass sie anstatt „Johannes Z*****" richtig „Dr. Peter B*****, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren AZ 3 S 21/08t des Bezirksgerichts Schärding über das Vermögen des Johannes Z*****" zu lauten hat.

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 73.100,65 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. 6. 2005 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Zuspruch der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und der Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 6.734,66 EUR (darin enthalten 343,11 EUR USt und 4.676 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johannes Z***** (im Folgenden der Einfachheit halber Kläger genannt) schloss bei der Beklagten ab 1. 12. 1997 für 15 Jahre eine Lebens- und Krankenvorsorgeversicherung mit einer Versicherungssumme von 1.005.887 ATS = 73.100,65 EUR ab. Am 18. 8. 2003 erlitt er bei einem Unfall eine Bandscheibenverletzung, die auch eine psychische Beeinträchtigung zur Folge hatte und ist deshalb dauernd erwerbsunfähig. Er erhob Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag wegen Erwerbsunfähigkeit, die die Beklagte, die das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit bezweifelte, mit Schreiben vom 22. 6. 2004 unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 12 Abs 3 VersVG (Leistungsfreiheit, wenn der Anspruch nicht innerhalb eines Jahres ab Zustellung des Schreibens vom Kläger gerichtlich geltend gemacht werde) ablehnte.

Am 22. 6. 2005 brachte der Kläger beim Bezirksgericht Salzburg zu 11 C 1107/05w eine (mit 4.000 EUR bewertete) Klage auf Feststellung der Haftung der Beklagten für die Folgen seines Unfalls vom 18. 8. 2003 ein. Aufgrund von ärztlichen Untersuchungsergebnissen und Privatgutachten meinte der Kläger damals, nur vorübergehend erwerbsunfähig zu sein. Als sich aus einem neuropsychologischen Gutachten seine dauernde Erwerbsunfähigkeit ergab, stimmte die Beklagte einer Umstellung der Feststellungsklage auf eine die bezirksgerichtliche Wertzuständigkeit überschreitende Leistungsklage über 73.100,65 EUR nicht zu. Der Kläger schränkte sein Begehren auf Kosten ein. Am 16. 3. 2007 wurde das Verfahren geschlossen.

Mit am selben Tag beim Erstgericht eingebrachter Klage begehrte der Kläger von der Beklagten 73.100,65 EUR aus dem Versicherungsvertrag. Durch die beim Bezirksgericht Salzburg zu 11 C 1107/05w eingebrachte Feststellungsklage habe er die Frist des § 12 Abs 3 VersVG gewahrt.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Klagsforderung sei gemäß § 12 Abs 3 VersVG verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aufgrund der Ablehnung der Beklagten, die aus dem Versicherungsvertrag resultierende Forderung zu zahlen, habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der beim Bezirksgericht Salzburg erhobenen Feststellungsklage gehabt. Die Feststellungsklage habe die Verjährung nach § 12 Abs 3 VersVG unterbrochen. Aufgrund der dauernden Erwerbsunfähigkeit des Klägers ergebe sich die Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag.

Nach Einbringung der Berufung durch die Beklagte wurde über das Vermögen des Klägers am 21. 10. 2008 zu AZ 3 S 21/08t des Bezirksgerichts Schärding das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und Dr. Peter B***** zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 6. 11. 2008 sprach das Berufungsgericht aus, dass das Berufungsverfahren daher unterbrochen sei und stellte den Akt dem Erstgericht zurück. Auf Antrag des Masseverwalters setzte das Berufungsgericht das Verfahren fort und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, ohne allerdings die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens weiter zu beachten; eine Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei erfolgte nicht und muss daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen vom Obersten Gerichtshof vorgenommen werden.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Ob das beim Bezirksgericht Salzburg erhobene Feststellungsbegehren entgegen der von der Beklagten in der Berufung vertretenen Ansicht verfahrensrechtlich zulässig gewesen sei, sei nicht entscheidend. Die Ratio des § 12 Abs 3 VersVG liege darin, eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung zu erreichen. Dies liege im Interesse des Versicherers, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgeblichen Tatsachen erschwert werde. Dieser angestrebte Zweck werde nach oberstgerichtlicher Judikatur auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet sei, so etwa durch eine unzulässige Feststellungsklage, weil ganz oder teilweise schon Leistungsklage möglich wäre, sofern die Feststellungsklage vor Abweisung des Klagebegehrens in eine Leistungsklage umgewandelt werde. Zwar habe der Kläger vor dem Bezirksgericht Salzburg keine Umwandlung des Feststellungsbegehrens in eine Leistungsklage vornehmen können, weil die Höhe des Leistungsbegehrens die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichts bewirkt und die Beklagte einer Umwandlung der Klage nicht zugestimmt habe. Zu diesem Zeitpunkt seien aber bereits sämtliche zur Entscheidung notwendigen Beweismittel vorgelegen, weswegen einer Beurteilung des Sachverhalts durch das Bezirksgericht Salzburg grundsätzlich nichts im Wege gestanden wäre. Zulässigerweise habe die Beklagte zwar die Zustimmung zur weiteren Verhandlung vor dem Bezirksgericht verweigert, allerdings seien dafür keine anderen Gründe als die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg erkennbar. Hätte nämlich die Höhe des Leistungsbegehrens nicht die sachliche Unzuständigkeit begründet, so hätte das Bezirksgericht Salzburg die Umwandlung auch entgegen den Einwänden der Beklagten zulassen können (§ 235 Abs 3 ZPO), in welchem Fall eine Verjährung nicht zur Debatte stünde. Die sofortige Einbringung der Leistungsklage beim sachlich zuständigen Landesgericht sei daher aus rein prozessualen Gründen notwendig gewesen, was jedoch nicht dazu führen könne, dass dadurch die rechtzeitig eingebrachte Feststellungsklage - sei sie nun zulässig oder nicht - ihre fristwahrende Wirkung verloren habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob die Einbringung einer rechtzeitigen, aber nicht berechtigten Feststellungsklage beim dafür sachlich zuständigen Gericht auch dann fristwahrend im Sinn des § 12 Abs 3 VersVG wirke, wenn nach Umwandlung in eine Leistungsklage der Versicherungsnehmer beim dann zuständigen Gericht unverzüglich, aber außerhalb der einjährigen Verjährungsfrist eine Klage einbringe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin entweder mangels einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Mit Recht wendet sich die Revisionswerberin nämlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die beim Bezirksgericht Salzburg erhobene Feststellungsklage habe - ungeachtet des Umstands, dass der Kläger in diesem Verfahren, wie aus dem Akt ersichtlich, das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt und damit eine (das Feststellungsbegehren abweisende) Entscheidung in der Sache verhindert hat - ihre fristwahrende Wirkung im Sinn des § 12 Abs 3 VersVG nicht verloren. Richtig ist zwar, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 12 Abs 3 VersVG (7 Ob 143/73 VR 1974, 99 ua) nach oberstgerichtlicher Judikatur auch durch eine unzulässige Feststellungsklage gewahrt wird. Dies allerdings nur dann, wenn rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens eine Umwandlung in eine Leistungsklage vorgenommen wird (7 Ob 32/80; 7 Ob 186/99z, VersR 2000, 1131; RIS-Justiz RS0038945). Auch nach der bei vergleichbarer Rechtslage in Deutschland vertretenen Ansicht wirkt eine unzulässige Klage nur dann fristwahrend, wenn der Mangel (auch nach Fristablauf) geheilt wird, sodass keine Klagsabweisung erfolgt, sondern eine Sachentscheidung ergehen kann (Prölss in Prölss/Martin VVG27 § 12 Rn 61; Gruber in BK § 12 Rn 98, jeweils mwN aus der Rsp).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Eine (auch nach Meinung des Klägers wegen des jedenfalls zuletzt fehlenden Feststellungsinteresses notwendige) Umwandlung der Feststellungsklage in eine Leistungsklage ist im Verfahren 11 C 1107/05w des Bezirksgerichts Salzburg nicht erfolgt. Wie bereits erwähnt, hat der Kläger dort vielmehr sein Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt, nachdem die Umwandlung in eine Leistungsklage über 73.100,65 EUR an der mangelnden Zustimmung der Beklagten gescheitert war. Im bezirksgerichtlichen Verfahren konnte demnach keine Sachentscheidung ergehen; das Verfahren wurde zufolge der Einschränkung auf Kosten in der Sache selbst im Sinn des aufgrund der Ähnlichkeit der Zielsetzung auf § 12 Abs 3 VersVG analog anzuwendenden § 1497 ABGB (7 Ob 31/86 VersE 1290; 7 Ob 43/88 ua) nicht gehörig fortgesetzt. Dass eine zur Fristwahrung erforderliche Umwandlung in eine Leistungsklage aus Sicht des Klägers unfreiwillig unterblieb, ändert daran nichts: Hat es sich der Kläger doch selbst zuzuschreiben, den - schon nach seinem Vorbringen im bezirksgerichtlichen Verfahren ganz naheliegenden - Umstand, dass eine Umwandlung in eine Leistungsklage notwendig werden könnte, nicht beachtet und seine grundsätzlich - gleichgültig ob ursprünglich zulässig oder von vorne herein unzulässig - zur Fristwahrung geeignete Feststellungsklage mit entsprechend niederer Bewertung beim Bezirksgericht statt beim (für Klagen über 10.000 EUR wertzuständigen) Landesgericht eingebracht zu haben. Die Weigerung der Beklagten, beim Bezirksgericht über einen dessen Wertzuständigkeit überschreitenden Gegenstand zu verhandeln, erfolgte rechtens; ein vorhergehendes Verhalten der Beklagten, aufgrund dessen eine Zustimmung zur Umwandlung erwartet hätte werden können, wurde vom Kläger gar nicht behauptet. Die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte kann daher auch nicht als treuwidrig oder gar schikanös bezeichnet werden. Einen solchen Vorwurf hat der Kläger im Übrigen ohnehin nicht erhoben. Die vom Berufungsgericht oberstgerichtlicher Judikatur (vgl etwa 7 Ob 61/07g) folgend zutreffend dargestellte Zielsetzung des § 12 Abs 3 VersVG allein rechtfertigt es entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht, eine im Sinn des § 1497 ABGB nicht gehörig fortgesetzte Klage als dennoch fristwahrend anzusehen.

Die vorliegende Leistungsklage wurde erst nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 12 Abs 3 VersVG eingebracht. Der Einwand der Beklagten, die Klage sei nach § 12 Abs 3 VersVG „verjährt", ist demnach berechtigt: Zufolge der Fristversäumnis ist der Versicherungsschutz des Klägers ungeachtet der materiellen Rechtslage untergegangen (7 Ob 206, 207/74, VR 1976, 88 ua). In Stattgebung der Revision müssen die Entscheidungen der Vorinstanzen daher in klagsabweislichem Sinn abgeändert werden.

Die Behandlung von Verfahrenskosten bei Insolvenz einer Partei bestimmt sich danach, ob sie vor oder nach Eröffnung des Konkurs- oder Schuldenregulierungsverfahrens entstanden sind. Während der Prozesskostenersatzanspruch im Allgemeinen erst mit Rechtskraft der Kostenentscheidung entsteht, wird dieser Grundsatz in den Insolvenzverfahren durchbrochen (8 Ob 13/94; Obermaier, Das Kostenhandbuch Rz 714). Die vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens entstandenen Rechtsverteidigungskosten sind Konkursforderungen, die zu ihrer weiteren Verfolgbarkeit der Anmeldung im Konkurs und der Bestreitung durch den Masseverwalter bedürfen (1 Ob 710/87, SZ 61/31; 9 Ob 162/02t uva; M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 II/1 § 53 Rz 9). Eine Anmeldung und Bestreitung ihrer vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens am 21. 10. 2008 aufgelaufenen Kosten hat die dafür bescheinigungspflichtige (§ 54 Abs 1 ZPO) Beklagte nicht behauptet. Ihr Antrag auf Zuspruch dieser Kosten ist daher zurückzuweisen.

Der Zuspruch der eine Masseforderung darstellenden Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte