Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die in Dornbirn wohnhafte Klägerin wählte für die bevorstehende Geburt ihrer dritten Tochter die Hausentbindung. Sie nahm eine in Feldkirch ansässige Hebamme zur Betreuung ihrer Hausgeburt in Anspruch. Die Hebamme verrechnete für ihre Leistungen (näher aufgeschlüsselt) 1.202,68 EUR. Nach Begleichung dieser Rechnung durch die Klägerin hat die beklagte Vorarlberger Gebietskrankenkasse einen Betrag von 615,94 EUR erstattet.
Die beklagte Partei hat Verträge mit Hebammen, die in Hard, Ludesch, Bürs, St. Gallenkirch und Riezlern wohnen. Nächstgelegen zum Wohnort der Klägerin wäre eine in Hard ansässige Hebamme, die jedoch keine Hausgeburtbetreuung anbietet. Hausgeburtbetreuung wird ausschließlich von den in Riezlern (im Kleinen Walsertal), in St. Gallenkirch (im hinteren Montafon) und in Bürs ansässigen Hebammen angeboten.
Das Erstgericht wies das auf Erstattung auch des Betrags von 586,74 EUR gerichtete Begehren der Klägerin ab. Gemäß § 159 ASVG iVm § 131 Abs 1 ASVG gebühre der Klägerin für die von einer „Nicht-Vertragshebamme" erbrachten Leistungen Erstattung in Höhe von 80 % jenes Betrags, der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners von der beklagten Partei aufzuwenden gewesen wäre, im konkreten Fall 615,94 EUR. Eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gebe es in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Überdies würde ein voller Kostenersatz für eine Hausgeburt bei Inanspruchnahme einer Nicht-Vertragshebamme zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung gegenüber anderen Versicherten führen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die Revision im Hinblick auf die klare Gesetzeslage nicht zu.
Während die Beziehungen der Sozialversicherungsträger zu Ärzten, Apothekern und Dentisten zwingend durch Gesamtverträge zu regeln seien, gelte für die Berufsgruppe der Hebammen die in § 349 Abs 3 ASVG enthaltene Kann-Bestimmung. Damit werde den Krankenversicherungsträgern keine Verantwortlichkeit für etwaige vertragslose Zustände aufgebürdet. Eine Kostenerstattung, die über 80 % der in dem von der beklagten Partei abgeschlossenen Gesamtvertrag geregelten tariflichen Leistungen hinausgehe, sei weder gesetzlich noch in der Satzung der beklagten Partei vorgesehen. Auch der Hinweis auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit könne einen Kostenerstattungsanspruch in voller Höhe der tatsächlich bezahlten Kosten nicht begründen.
Mit der Behauptung der mangelnden und nicht ausreichenden Umsetzung des Gesamtvertrags (Stellenplans) und des Fehlens einer ausreichenden Anzahl an vertraglich gebundenen Hebammen werde in Wahrheit ein Schadenersatz- bzw Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, der nicht in die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts falle.
Wenn der Gesetzgeber den Versicherungsfall der Mutterschaft hinsichtlich der Sachleistung und der Kostenerstattung gleich regle wie den Versicherungsfall der Krankheit, dann sei dies durchaus sachlich gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision führt die Klägerin zusammengefasst aus, dass ihr schlussendlich eine Hausgeburt verwehrt und ihre Wahlfreiheit (für eine Hausgeburt) massiv eingeschränkt werde, weil die beklagte Partei einerseits keine ausreichende und flächendeckende Versorgung durch Vertragshebammen gewährleiste und andererseits das Ausmaß der Kostenerstattung nicht (in ihrer Satzung) erhöhe. Angesichts des Umstands, dass Hausgeburten billiger seien als Geburten in Krankenhäusern, grenze das Verhalten der beklagten Partei nahezu an Willkür, vor allem bei finanziell schlechter gestellten Müttern. Durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten habe die beklagte Partei den Betrag von 586,74 EUR auch aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Im Übrigen sei es sachlich nicht gerechtfertigt, die Versicherungsfälle der Krankheit und der Mutterschaft hinsichtlich der Rechtsfolgen gleich zu behandeln, weshalb ein Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich § 159 ASVG angeregt werde.
Damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass ein grenzüberschreitender (gemeinschaftsrechtlich relevanter) Bezug im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
2. Warum die auf §§ 134, 135 und § 131 ASVG verweisende Regelung des § 159 ASVG sachlich ungerechtfertigt sein soll ist nicht erkennbar. Der Grund dafür, dass das ASVG einen eigenen Versicherungsfall der Mutterschaft kennt, liegt allein darin, dass es sich bei Schwangerschaft und Entbindung bei normalem Verlauf nicht um eine Krankheit handelt (anstatt vieler Grillberger, Österreichisches Sozialrecht7 [2008] 43). Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlass zu einem Gesetzesprüfungsantrag.
3. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers beruht die österreichische soziale Krankenversicherung auf dem Sachleistungsprinzip (§ 133 Abs 2 Satz 3 ASVG; Selb/Schrammel in Tomandl, SV-System [15. ErgLfg] 569 [5.3.1.2.]). Dabei verschafft der Sozialversicherungsträger dem Versicherten die Heilbehandlung über eigene Einrichtungen oder über seine Vertragspartner gegen direkte Verrechnung der Kosten mit dem Vertragspartner. Der Anspruchsberechtigte hat aber auch die Möglichkeit, die Leistung eines von ihm gewählten Arztes oder sonstigen Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen, der mit dem Krankenversicherungsträger keine Vertragsbeziehungen unterhält. In diesem Fall ist die Leistung vorerst privat zu zahlen; seit dem Inkrafttreten des SRÄG 1996, BGBl 1996/411 besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung im Ausmaß von (nur mehr) 80 % derjenigen Kosten, die dem Krankenversicherungsträger bei der Konsultierung eines Vertragsarztes entstanden wären (§ 131 Abs 1 ASVG). Mit Erkenntnis vom 18. 3. 2000, G 24/98 ua, hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit der „80-Prozent-Regelung" bejaht (SozSi 2000, 738; dazu etwa Kletter, Das VfGH-Erkenntnis zur Kostenerstattung, SozSi 2000, 704, und Karl, Die Auswirkungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf die Kostenerstattung, DRdA 2002, 15). Höhere Erstattungssätze kann die Satzung für den Fall eines vertragslosen Zustands vorsehen (§ 131 Abs 6 ASVG), was aber hier nicht der Fall ist.
Die Klägerin leitet einen Anspruch auf volle Kostenerstattung aus ihrer Wahlfreiheit zugunsten einer Hausgeburt und aus dem Umstand ab, dass sich die beklagte Partei nicht ausreichend um eine entsprechende Sachleistungsvorsorge gekümmert habe. Dieser Schluss kann jedoch aus dem Krankenversicherungsrecht nicht gezogen werden. Dieses geht von einer freien Wahl des Leistungserbringers, nicht aber von einer freien Methoden- oder Therapiewahl aus (10 ObS 382/98v = SSV-NF 13/65 = RIS-Justiz RS0084811 [T3] zu Alternativmethoden). Wenn ein ganz bestimmter Leistungserbringer (etwa ein solcher, der zu einer besonderen Leistung bereit ist) in Anspruch genommen wird, der in keinem Vertragsverhältnis zum Krankenversicherungsträger steht, kommt es daher nicht zu einem Anspruch auf Erstattung der vollen Kosten zu Marktpreisen (vgl 10 ObS 53/04y).
4. Da Gegenstand des Rechtsstreits nur eine Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASVG ist, kann ein Schadenersatz- oder Amtshaftungsanspruch im nunmehrigen Verfahren nicht geltend gemacht werden (zuletzt 10 ObS 121/08d mwN).
5. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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