OGH 11Os37/09i

OGH11Os37/09i24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alexander B***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 207 Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Oktober 2008, GZ 34 Hv 14/08h-28, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander B***** (aufgrund der in Richtung eines sexuellen Missbrauchs von Unmündigen erhobenen Anklage - ON 12) des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (im Zustand voller Berauschung) nach § 287 Abs 1 (§ 207 Abs 1) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich nachts zum 16. Dezember 2007 in Kitzbühel, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol sowie den Gebrauch eines berauschenden Mittels, nämlich des Medikaments Doxepin, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an dem am 15. Jänner 2003 geborenen Alan David K***** B*****, vorgenommen, indem er diesen an seinem entblößten Penis streichelte, mithin eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB zugerechnet würde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und b StPO.

Die Mängelrüge (Z 5) kritisiert zutreffend die Begründung (US 8) der festgestellten Fahrlässigkeit (US 6) hinsichtlich des Versetzens in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand. Nach den tatrichterlichen Annahmen (US 5 f) war dafür nicht der Alkoholkonsum allein, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Einnahme des Antidepressivums Doxepin kausal. Dies konnte zwar zureichend begründet auf das medizinische Sachverständigengutachten (ON 23) gestützt werden; die Ableitung, es sei „jedoch hinlänglich bekannt und kann diese Kenntnis auch beim Angeklagten vorausgesetzt werden, dass der übermäßige Konsum von Alkohol im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten einen die Zurechnungsfähigkeit aufhebenden Rauschzustand nach sich ziehen kann", muss jedoch mangels dafür herangezogener Argumente, die der besonderen Lage des Falls Rechnung tragen, als willkürlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) bezeichnet werden.

Denn fahrlässig versetzt sich in den Vollrausch, wer, ohne sich berauschen zu wollen, ein Übermaß an berauschenden Mitteln gebraucht, wobei er aber bei Einhaltung der objektiv gebotenen und ihm subjektiv möglichen sowie zumutbaren Sorgfalt mit der Möglichkeit rechnen musste, dadurch voll berauscht zu werden (SSt 49/19; RIS-Justiz RS0095959; Plöchl in WK² § 287 Rz 18).

Nach den im Urteil aufscheinenden Überlegungen der Tatrichter blieb indes im Dunkeln, aus welchem Grund dem Angeklagten konkret eine objektive Sorgfaltswidrigkeit seines Verhaltens vorgeworfen werden könnte, zumal dieser (was im Urteil ebenso unerörtert blieb) angegeben hatte, nach der Einnahme des in Rede stehenden Medikamentes (lediglich) immer sehr schnell müde zu werden und einzuschlafen (ON 16 S 165).

Dies hatte - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu einer Entscheidung nach § 285e StPO zu führen, ohne dass das übrige Beschwerdevorbringen einer Erwiderung bedurft hätte.

Angemerkt sei lediglich, dass es nach herrschender Meinung nicht erforderlich ist, dass der Täter schon im Zeitpunkt des Versetzens in den Vollrausch damit rechnen musste, er könne in diesen Zustand eine strafbedrohte Handlung begehen, weil die Rauschtat nicht Tatbestandsmerkmal, sondern objektive Bedingung der Strafbarkeit ist (Plöchl in WK² § 287 Rz 10 [mwN zum Meinungsstand], 12 und 25; aA Fuchs AT I7 Rz 22/23).

Hinsichtlich des (einzigen) Tatzeugen - des Vaters des Opfers - wird im Wege der österreichischen Botschaft abzuklären sein, ob dieser zwecks Vernehmung von Venezuela anreisen würde oder ob eine Befragung im Rechtshilfeweg möglich wäre; vor einem auf letzteres abzielenden Ersuchen wäre dem Angeklagten Gelegenheit einzuräumen, Fragen an den Zeugen vorzulegen (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 5 f, 62 f mwN; RIS-Justiz RS0108361).

Im Gegenstand wäre im Vorverfahren sinnfällig nach § 162a StPO aF - jetzt § 165 StPO - vorzugehen gewesen (s AV-Bogen S 3; jüngst 11 Os 182/08m, 183/08h), was nunmehr naturgemäß ausscheidet. Die Berufungswerber waren auf die Aufhebung (auch) des Strafausspruchs zu verweisen.

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