OGH 11Os27/09v

OGH11Os27/09v24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig Ö***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. November 2008, GZ 9 Hv 5/08z-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe und gegen das Adhäsionserkenntnis) werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ludwig Ö*****lbauer der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er (zusammengefasst) in Uttendorf Michael H***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich zum Anal- bzw Oralverkehr genötigt, und zwar

1./ im Winter 2007 in einem Waldstück, indem er ihn gegen einen Holzstoß drückte, von hinten an den Armen festhielt, ihm die Schihose und Unterhose herunterzog und seinen Penis in den After von Michael H***** einführte,

2./ am 1. Oktober 2007 in seinem Zimmer, indem er die Tür zusperrte, Michael H***** auf das Bett warf, an den Händen festhielt, ihn auszog und auf den Bauch drehte, sich auf ihn legte, seinen Penis in dessen After einführte und danach seinen (gemeint: dessen) Penis in den Mund nahm.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil gerichteten, ausschließlich auf die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn die Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können oder dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, demnach gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).

Die auf die mangelnde Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten abzielende Rüge vermag mit ihrer - in theoretischen Ausführungen und Erwägungen verbleibenden - Kritik am Gutachten des neuropsychiatrischen Sachverständigen, wonach dieses angeblich internationale Klassifikationskriterien außer Acht lasse und nicht den Mindestanforderungen an das Diagnoseschema nach ICD-10 entspräche, keine sich aus den Akten ergebenden Beweisergebnisse anzugeben, die erhebliche Bedenken gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen erwecken könnten.

Soweit damit eine Vernachlässigung der Pflicht des Erstgerichts zur amtswegigen Wahrheitsforschung behauptet wird, unterlässt es der Beschwerdeführer darzulegen, wodurch er - trotz Vertretung durch einen Verteidiger - an der Ausübung des Rechts, an den Sachverständigen in der Hauptverhandlung entsprechende Fragen zu richten, gehindert war (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Aussagefähigkeit des Zeugen Michael H***** wurde von den Tatrichtern auf das für schlüssig und nachvollziehbar befundene neuropsychiatrische Gutachten des Sachverständigen gestützt. Danach ist der Untersuchte in der Lage, Ereignisse realitätskonform wahrzunehmen, aufzunehmen und auch entsprechend wiederzugeben (US 7). Der Vorwurf, dieses Gutachten lasse einen Hinweis auf die Schwierigkeit der „Begutachtung der Glaubwürdigkeit" vermissen, geht schon deshalb ins Leere, weil die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen allein den Tatrichtern und nicht dem Sachverständigen zukommt. Das ebenfalls der freien Beweiswürdigung unterstehende Gutachten dient lediglich der Unterstützung des erkennenden Gerichts (§ 258 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0098297, Lendl, WK-StPO § 258 Rz 23). Soweit der Angeklagte auf ein in Deutschland geführtes Strafverfahren Bezug nimmt, welches in keinem Zusammenhang mit der gegenständlichen Strafsache steht, die schwere Intelligenzminderung des Opfers, die „Geburtsstunde" seiner Aussage (spontane Mitteilung oder Aussage auf Befragung) sowie Widersprüche in dessen Angaben, insbesondere zur Tathandlung im Wald (mit denen sich das Erstgericht im Übrigen auseinandergesetzt hat; US 7), für sich ins Treffen führt, sowie die Suggestibilität des Belastungszeugen behauptet, wird keine unerträgliche Fehlentscheidung im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5a StPO aufgezeigt, sondern getrachtet, unter eigenständigen Beweiswerterwägungen die Glaubwürdigkeit des Zeugen nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen.

Schließlich kann auch der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) niemals Gegenstand der Nichtigkeitsgründe der (Z 5 und) Z 5a sein (RIS-Justiz RS0102162).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung ebenso zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die in der Strafprozessordnung gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehene (angemeldete) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte