OGH 15Os21/09s

OGH15Os21/09s18.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Goran Z***** wegen Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Geschworenengericht vom 12. November 2008, GZ 11 Hv 181/06s-105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen V./ und VI./ sowie das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen sowie demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Wels verwiesen.

Mit der Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche (die rechtsrichtig auf § 336 StPO zu stützen gewesen wären) von als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 StGB, des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB wie auch von dem Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB angeklagten Taten enthält, wurde der Angeklagte der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in G*****

zu einem näher (gemeint:) nicht feststellbaren Zeitpunkt im Dezember 2005 durch die sinngemäße Äußerung, sollte etwas gegen ihn unternommen werden, werde er Tanja W***** umbringen, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Körperverletzung, diese zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige zu nötigen versucht sowie

am 10. Oktober (richtig:) 2006 Christa W***** durch die Äußerung „Du hast es der Polizei gesagt, dafür stirbst du!" zumindest mit einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit auf die Gründe des § 345 Abs 1 Z 10a, 11 lit a und 12a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der wie im Folgenden dargelegt Berechtigung zukommt. Zu Recht weist die Tatsachenrüge (Z 10a) darauf hin, dass mit Blick auf die in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismittel der Schuldspruch nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen begegnet.

Die Zeugin Tanja W***** belastete den Angeklagten unter anderem dahingehend, dieser habe im Dezember 2005 anlässlich eines Wochenendausgangs aus dem W***** K***** im Trockenraum des Wohnhauses zu ihr gesagt „wenn da weiter etwas gegen ihn unternommen werde", werde er sie umbringen (ON 8, S 84). Das Gewicht dieser Anschuldigung wird durch die in der Hauptverhandlung vorgetragenen Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. Adelheid K***** (ON 78; ON 87, S 468ff) eingeschränkt, die bei Beurteilung der sogenannten Realkennzeichen zum Ergebnis eines massiven Überwiegens jener Faktoren gelangte, die gegen eine reale Fundierung der von Tanja W***** geschilderten sexuellen Übergriffe sprechen. Auch die Aussagen der Zeugen Christa W***** und Erwin W*****, erst im Jänner 2006 von den angeblichen Übergriffen auf ihre Tochter erfahren und am 16. Jänner 2006 Anzeige erstattet zu haben (ON 11, S 107; ON 55, S 145, 161), sind damit nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen, zumal diese Zeugen weiters angaben, Tanja W***** habe ihnen erst nach Anzeigeerstattung mitgeteilt, dass der Angeklagte sie bereits um Weihnachten 2005 im Trockenraum des Wohnhauses für den Fall, dass sie ihn verrate und jemandem von den Vorfällen erzähle (ON 11, S 109; ON 55, S 150), mit dem Umbringen bedroht habe. Eine solche Äußerung des Angeklagten wäre diesem - bei logischer Betrachtungsweise - nur bei gleichzeitiger (von den Geschworenen jedoch mehrheitlich verneinter) Annahme der Täterschaft in den auf die Sexualstraftaten zum Nachteil der Tanja W***** bezogenen Anklagepunkten oder für den - nach der Aktenlage derzeit nicht indizierten - Fall zuzusinnen, dass er eben bereits im Dezember 2005 von ihren diesbezüglichen Behauptungen erfahren hätte.

Im Hinblick auf die daher erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs wegen Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und des diesem zugrundeliegenden Wahrspruchs war auch der (andernfalls) allein verbleibende Schuldspruch wegen Vergehens der gefährlichen Drohung und der diesem zu Grunde liegende Wahrspruch zu beheben, um im Fall einer anders als durch Schuldspruch folgenden Erledigung des Vorwurfs der versuchten Nötigung zum Nachteil der Tanja W***** im zweiten Rechtsgang bei dem im Übrigen unbescholtenen Angeklagten, der zu dem (mittlerweile mehr als zwei Jahre zurückliegenden) Zeitpunkt der gegenüber Christa W***** gerichteten Drohung dem Druck eines (unter anderem) wegen mehrerer Verbrechen mit einem Gesamtstrafrahmen von fünf bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe anhängigen Strafverfahrens ausgesetzt war, die Möglichkeit eines diversionellen Vorgehens nach dem 11. Hauptstück der StPO durch den Einzelrichter des Landesgerichts zu eröffnen (RIS-Justiz RS0119278).

Eines Eingehens auf die in Ansehung beider Schuldspruchpunkte erhobene Diversionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12a) und auf die Rechtsrüge (Z 11 lit a) zum Schuldspruch wegen versuchter Nötigung bedarf es somit nicht.

Demnach zeigt sich bereits bei nichtöffentlicher Beratung das Erfordernis einer nochmaligen Verhandlung und Entscheidung (§§ 344 zweiter Satz [285e erster Satz], 349 Abs 1 StPO). Da die der Anklage noch zu Grunde liegenden Taten gemäß § 30 Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 31 Abs 4 Z 2 StPO in die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters fallen, war die Sache an diesen zu verweisen (RIS-Justiz RS0100271; 13 Os 148/88).

Weil der gesamte Schuldspruch und damit auch der vom Erstgericht gefällte Kostenersatzanspruch nach § 389 StPO zu kassieren war, fallen dem Angeklagten auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Sinn des § 390a Abs 1 StPO zur Last (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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