Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben und der Angeklagte für die ihm zur Last liegenden Verbrechen nach § 3g VG, das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB, das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB und der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 3 WaffG nach § 3g VG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6. Mai 1989 geborene Mario A***** der Verbrechen nach § 3g VG (I./1./ und 2./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (II./2./) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB, nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (I./1./) und § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III./2./) schuldig erkannt und hiefür „unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 36 StGB nach § 3g VG" zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Unter einem wurde - unter Verstoß gegen § 494 StPO, aber dennoch wirkungsvoll - im Urteil gemäß § 50 Abs 1 StGB Bewährungshilfe angeordnet. Danach hat Mario A*****
I./
1./ am 16. September 2006 in P***** gegen Mitternacht im Ortszentrum im Gemeindesaal-Durchgang, auf dem Marktplatz und in der Bahnstraße wiederholt lautstark „Front Heil" und „hier regiert der nationale Widerstand" gerufen, das Horst-Wessel-Lied abgesungen und eine Mehrzahl ihn begleitender Jugendlicher zum lautstarken Mitsingen dieses Liedes animiert;
2./ am 31. März 2007 in Wr. Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Michael K***** als Mittäter wiederholt aus dem geöffneten Fenster der Wohnung ***** auf der Straße deutlich hörbar „Heil Hitler" und „Sieg Heil" gerufen; II./ am 2. Dezember 2006 in Wr. Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Daniel G*****, Manfred P*****, Lukas Z***** und Christoph Z***** als Mittäter den Ivan M*****
1./ durch Versetzen von Schlägen, Stößen und Tritten, wodurch dieser eine Prellung mit Blutunterlaufung der Weichteile unterhalb des linken Auges, eine Rissquetschwunde und eine oberflächliche Hautabschürfung im Bereich der Stirn, oberflächliche Hautabschürfungen an der Ober- und Unterlippe, eine Prellung und Blutunterlaufung der Weichteile am linken Handrücken, zahlreiche Prellungen sowie oberflächliche Hautabschürfungen sowie Blutergüsse am linken Oberarm sowie Brustkorb, eine tiefe Hautabschürfung im Bereich des rechten Ellbogens erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat von mindestens drei Personen in verabredeter Verbindung begangen worden ist;
2./ durch die unter Punkt II./1./ geschilderten Gewalthandlungen sowie durch die Äußerung, die von ihm nunmehr gerauchte Zigarette sei seine letzte Zigarette und durch die sinngemäße Ankündigung, ihm ansonsten das Genick zu brechen, sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Bekanntgabe der Namen von Drogendealern zu nötigen versucht, wobei er die Nötigung zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte und überdies die genötigte Person durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte;
III./ am 10. Juni 2007 in Wr. Neustadt
1./ unbefugt verbotene Waffen, nämlich zwei Schlagringe besessen;
2./ nachangeführte Waffen bzw Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist, nämlich einen Stahlrohrschlagstock, 16 Messer, einen Pfefferspray, vier Softguns und drei Dosen Geschosse, zwei Luftdruckpistolen mit Munition und eine Packung CO2 Kapseln.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 13 erster Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Diese rügt zutreffend das - auch in der Urteilsausfertigung (US 7) eingeräumte - Unterbleiben der Anwendung des § 5 Z 4 JGG bei der Strafbemessung.
Denn der Angeklagte beging nur die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu ahndenden Vergehen nach § 50 Abs 1 WaffG bereits im Alter eines jungen Erwachsenen, während er bei den weiteren Straftaten, insbesondere bei den mit Freiheitsstrafe von bis zu (hier somit) fünf Jahren bedrohten Verbrechen nach § 3g VG das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Zwar wäre die verhängte Freiheitsstrafe auch unter Zugrundelegung des richtigen Strafrahmens zulässig gewesen, dennoch hat das Gericht die Grenzen der gesetzlichen Strafbefugnis überschritten (RIS-Justiz RS0086949), weil im Gegenstand feststeht (US 7 vorletzter Absatz), dass die konkrete Strafe aufgrund einer fehlerhaften Vorstellung über deren Verhältnis zu dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen ausgemessen wurde.
Somit waren in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Strafausspruch sowie der darauf beruhende Beschluss nach § 50 StGB aufzuheben.
Zur Frage der Anwendung der Bestimmungen des § 5 JGG und § 36 StGB erwog der Oberste Gerichtshof:
Liegen einem Angeklagten mehrere strafbare Handlungen in Realkonkurrenz zur Last, die er teils als Jugendlicher (§ 1 Z 3 JGG), teils als junger Erwachsener oder nach Vollendung des 21. Lebensjahrs begangen hat, ist in einem ersten Schritt zur Bildung einer einheitlichen Strafe der Strafrahmen für die jeweiligen selbstständigen strafbaren Handlungen festzustellen, wobei § 5 JGG und § 36 StGB zu berücksichtigen sind. Sodann ist nach § 28 StGB der konkret anzuwendende Strafrahmen zu bestimmen, wobei nach dem Absorptionsprinzip die strengste Strafobergrenze maßgeblich ist, aber eine allenfalls strengere Mindeststrafe eines hinzukommenden (eine geringere Strafobergrenze vorgebenden) Delikts dabei zu beachten ist (§ 28 Abs 1 letzter Satz StGB; Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 2). Hat ein (auch) mit einer Jugendstraftat (§ 1 Z 3 und Z 4; §§ 28, 30 JGG) oder (auch) mit einer Straftat eines jungen Erwachsenen befasstes Gericht sohin über mehrere strafbare Handlungen zu befinden, die der Täter innerhalb unterschiedlicher Altersgrenzen verübt hat, ist zur Strafrahmenermittlung stets die Prüfung des § 5 JGG und des § 36 StGB erforderlich, weil eine Ermittlung des konkret - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafdrohungen - anzuwendenden Strafrahmens als logischer Voraussetzung der Strafbemessung (Ratz in WK2 § 28 Rz 12) ohne deren Beachtung (ebenso wie ohne jene des § 28 StGB) nicht möglich ist. So kann etwa die Herabsetzung des Höchstmaßes der angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafe auf die Hälfte (§ 5 Z 4 JGG) in Betreff der strenger sanktionierten Jugendstraftat eine Anwendung des Strafrahmens der geringer zu ahndenden Erwachsenenstraftat bedingen (vgl die von Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 3 genannten Beispiele), sodass die Bestimmungen des § 5 JGG oder § 36 StGB - direkt oder indirekt - den Strafrahmen (mit-)definieren.
Wenn aber eine solche den Strafrahmen nach dem Ergebnis dieser Prüfung überhaupt nicht beeinflusst - etwa weil die Erwachsenenstraftat den Strafrahmen jedenfalls bestimmt oder im Hinblick auf die Tat eines jungen Erwachsenen das in Betracht kommende Delikt keine Mindeststrafdrohung normiert, eine Strafdrohung aufweist, die keinem der in § 36 StGB genannten Fälle zuordenbar ist (etwa § 201 Abs 1 StGB) oder ein Rechtsbrecher das gleiche Verbrechen vor und nach Erreichung der Altersgrenze begangen hat (vgl SSt 64/87) -, ist sie (entgegen der Ansicht der Generalprokuratur) im Erkenntnis auch nicht anzuführen (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO: arg „angewendet wurden").
Somit war bei der erforderlichen Strafneubemessung unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG, nicht aber auch des § 36 StGB (weil der Strafsatz des § 50 WaffG weder die Obergrenze erhöht noch eine Untergrenze enthält), erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die mehrfache Qualifikation der Nötigung und - wie die Staatsanwaltschaft in der Berufung zutreffend ausführt - die Verführung anderer (Schuldspruch I./1./) zu dem Verbrechen nach § 3g VG, das Handeln aus fremdenfeindlichen Beweggründen (§ 33 Z 5 StGB) beim Verbrechen der Nötigung des nicht unbeträchtlich verletzten Tatopfers (Schuldsprüche II./1./ und 2./), mildernd demgegenüber das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.
Hievon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren erscheint eine Sanktion von 18 Monaten schuld- und täterpersönlichkeitsangemessen, die mangels entgegenstehender spezial- oder generalpräventiver Erwägungen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte. Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Entscheidung über eine allfällige Anordnung der Bewährungshilfe obliegt dem Erstgericht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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