Spruch:
Sandor S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 800 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.
Text
Gründe:
Sandor S***** wurde am 5. Dezember 2008 festgenommen und am 7. Dezember 2008 in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert. Der Haftrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz verhängte am 8. Dezember 2008 über den Beschuldigten die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO (ON 47).
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 setzte das Landesgericht für Strafsachen Graz nach Durchführung einer Haftverhandlung die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort (ON 76).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von Sandor S***** erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 8. Jänner 2009 (ON 100) keine Folge.
Dabei ging das Beschwerdegericht davon aus, dass Sandor S***** dringend verdächtig sei, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in der Zeit von Sommer 2008 bis Anfang Dezember 2008 vorschriftswidrig 60 Gramm Kokain durchschnittlicher Qualität, somit Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls übersteigenden Menge, von Ungarn nach Österreich eingeführt und während dieses Zeitraums Kokain in einer nicht festgestellten Menge (ungenannt gebliebenen) anderen überlassen zu haben (BS 4 f). Darüber hinaus bestehe der dringende Verdacht, Sandor S***** habe auch vom Mitbeschuldigten Endre T***** vorschriftswidrig insgesamt etwa 200 Gramm Kokain (unentgeltlich) erworben (BS 5 f).
Der gegen die Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichts gerichteten Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Sandor S***** kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Zutreffend weist nämlich der Beschwerdeführer darauf hin, dass - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - weder die Einlassungen der Beschuldigten noch die Inhalte der vom Beschwerdegericht (ohne substantiierten Bezug, insbesondere auch nicht zum hervorgehobenen Gespräch vom 28. November 2008) zitierten Telefonüberwachungsprotokolle einen konkreten Anhaltspunkt für das Vorliegen einer höheren Wahrscheinlichkeit bieten, der Beschuldigte hätte an dem von Endre T***** organisierten Suchtgifthandel mitgewirkt bzw der Import von 60 Gramm Kokain würde im Zusammenhang mit einer - auf Suchtgifthandel ausgerichteten - kriminellen Vereinigung stehen. Auch der Anlassbericht des Stadtpolizeikommandos Graz, welches die Telefonüberwachungsprotokolle ausgewertet hatte, spricht nur sehr vage davon, dass die Rolle des Sandor S***** in der Vereinigung rund um Endre T***** erst geklärt werden müsse (ON 35/S 9). Konkrete Hinweise auf entsprechende Beweisergebnisse finden sich aber auch in diesem Bericht nicht.
Der Umstand, dass in der Wohnung des Beschwerdeführers in Kunststoffbehältnissen abgepacktes Kokain und eine Feingrammwaage gefunden wurden, stellt zwar ein Indiz für einen Suchtgiftverkauf dar. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts lässt sich jedoch auch daraus kein dringender Tatverdacht in Richtung eines Anbietens, Überlassens oder Verschaffens iSd §§ 27 Abs 1, 28a Abs 1 SMG ableiten, zumal Sandor S***** insoweit - entgegen dem nicht näher substantiierten Verweis auf Angaben der Mitbeschuldigten im angefochtenen Beschluss (BS 5) - von niemandem konkret belastet wird. Aus der Verantwortung des Beschuldigten und der Aussage seiner Lebensgefährtin Timea V***** ergibt sich lediglich, dass er der Letztgenannten Suchtgift zum gemeinsamen Konsum zur Verfügung stellte.
Es liegt daher sowohl in Bezug auf die angenommene Verdachtslage der Begehung von Straftaten nach dem SMG als Mitglied einer kriminellen Vereinigung als auch hinsichtlich des Überlassens von Suchtgift an andere Personen als an die Lebensgefährtin die geltend gemachte offenbar unzureichende Begründung im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO vor (vgl RIS-Justiz RS0110146).
Da dem angefochtenen Beschluss keinerlei Anhaltspunkte zur Menge des an Timea V***** überlassenen Suchtgiftes zu entnehmen sind, verbliebe daher ausgehend von den oben angeführten Erwägungen lediglich ein dringender Tatverdacht des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und ein solcher wegen des Vergehens des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 SMG.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Einfuhr von 60 Gramm Kokain (brutto) aus Ungarn in mehreren Angriffen erfolgte, sodass - auf der Grundlage der vom Beschwerdegericht angenommenen Suchtmittelqualität - davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Teilmengen die Grenzmenge des § 28b SMG nicht übersteigen. Die Ein- und Ausfuhr von die Grenzmenge für sich alleine nicht übersteigenden Suchtgiftquanten ist aber nur insoweit zusammenzufassen, als der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Der angefochtene Beschluss enthält jedoch - was von Amts wegen aufzugreifen ist (§ 10 GRBG iVm §§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 281 Abs 1 Z 10 StPO) - keinerlei Feststellungen zu einem Additionsvorsatz des Beschwerdeführers. Damit liegt keine zur Subsumtion der Verdachtslage unter § 28a Abs 1 SMG ausreichende Sachverhaltsgrundlage vor.
Mängelfrei begründet ist damit letztlich nur der dringende Verdacht des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter, sechster und achter Fall SMG, wobei nach den insoweit unbedenklichen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses zur Verdachtslage die dem Beschuldigten angelasteten Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch (für sich und seine Lebensgefährtin) begangen wurden, sodass die privilegierende Bestimmung des § 27 Abs 2 SMG zur Anwendung kommt (vgl Einführungserlass des BMJ zur SMG-Novelle 2007, Punkt B.1.e.). Diese Straftaten sind demnach nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Für die Annahme des - fallbezogen allein herangezogenen - Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr fehlt es daher an einer für die Verhängung der Untersuchungshaft hinreichenden Anlasstat, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist. Durch die dennoch beschlossene Fortsetzung der Untersuchungshaft wurde der Beschwerdeführer im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Diese Grundrechtsverletzung war - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Genralprokuratur - festzustellen. Der Oberste Gerichtshof sah sich bei der beschriebenen Ausgangslage veranlasst, den angefochtenen Beschluss aufzuheben (§ 7 Abs 1 GRBG). Das Landesgericht für Strafsachen Graz ist somit verpflichtet, unverzüglich einen der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs entsprechenden Zustand herzustellen (§ 7 Abs 2 GRBG) und den Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GRBG.
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