Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 16. 3. 2004 starb der Vater des Klägers, Gottfried G***** sen. Mit Testament vom 24. 11. 2003 hatte er seinen Sohn Gottfried G***** jun. zum Universalerben eingesetzt und die Noterben mit dem allgemeinen Hinweis, dass „allfällige Vorausempfänge einzurechnen" seien, auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränkt. Das Testament wurde am 5. 4. 2004 kundgemacht. Aufgrund des Testaments gab Gottfried G***** jun. eine bedingte Erbsantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Ihm wurde die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft gemäß § 810 ABGB überlassen. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ist eine Einantwortung des Nachlasses nicht erfolgt. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 18.050,84 EUR als seinen Pflichtteil.
Die beklagte Verlassenschaft wendete im Wesentlichen ein, der Kläger habe anrechenbare Vorausempfänge in einem die Klagshöhe übersteigenden Ausmaß erhalten, weshalb das Klagebegehren nicht berechtigt sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (unbekämpft) im Betrag von 2.810,93 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte folgenden für das Revisionsverfahren noch maßgeblichen Sachverhalt fest:
Der Kläger war von 1986 bis 1996 Betriebsführer des Bauernhofes des Erblassers. 1987 kaufte der Kläger einen neuen Mähdrescher um 1.000.000 ATS, dessen Kaufpreis zunächst zum Großteil von der Verkäuferin gestundet war und sukzessive im Lauf der nächsten Jahre mit Zinsen bezahlt werden sollte. Die Verkäuferin stellte mehrfach für einen Teil des offenen Kaufpreises Wechsel aus, auf denen der Kläger als Bezogener und der Erblasser als Wechselbürge unterschrieben. 1990 wurde der alte Mähdrescher, den der Erblasser dem Kläger zum Abverkauf und zur Verwendung des Kauferlöses zur teilweisen Tilgung des Kaufpreises des neuen Mähdreschers übergeben hatte, in Anrechnung auf den Kaufpreis des neuen Mähdreschers um 200.000 ATS verkauft. 1988 bis 1990 bezahlte der Erblasser teils auf den Kaufpreis des Mähdreschers, teils auf Zinsen aus der Kaufpreisschuld insgesamt 248.337 ATS im Zusammenhang mit dem Wechselkredit bzw seiner Wechselbürgschaft.
1989 erwarb der Kläger einen weiteren Mähdrescher um 1.200.000 ATS. Auf diesen Kaufpreis bezahlte der Erblasser 1990 als Wechselbürge 150.000 ATS.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die sich aus den Feststellungen ergebenden Vorausempfänge seien gemäß §§ 788 f ABGB in den Pflichtteil des Klägers einzurechnen. Soweit die zugewendeten Geldbeträge zur Bezahlung des Kaufpreises der neuen Mähdrescher verwendet worden seien, seien dafür sowie auch für den Erlös aus dem Verkauf des alten Mähdreschers die Regeln über die Bewertung beweglicher Sachen heranzuziehen. Soweit der Erblasser Zinsenverpflichtungen getilgt habe, habe er im Sinn des § 788 ABGB Schulden des Klägers bezahlt, worauf die Grundsätze der Bewertung von empfangenem Bargeld anzuwenden seien.
Das Berufungsgericht gab der nur vom Kläger erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 8.930,69 EUR sA verurteilte und das Mehrbegehren von 9.120,15 EUR sA abwies.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, das (erstmals in der Berufung erstattete) Vorbringen, der Kläger sei auf die Zuwendungen des Erblassers zur Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht angewiesen gewesen, gehe ins Leere, weil die Anschaffung von Mähdreschern für einen landwirtschaftlichen Betrieb existenzsichernden Charakter habe. Soweit der Erblasser als Wechselbürge Wechselverbindlichkeiten bezahlt habe, seien diese Zahlungen nicht in den Pflichtteil einzurechnen, weil der Erblasser damit eine eigene Verbindlichkeit bezahlt und einen wechselrechtlichen Rückgriffsanspruch gemäß Art 32 Abs 3 WG erworben habe. Da die Zahlung von Kreditzinsen durch den Erblasser unmittelbar zur Schuldentilgung erfolgt sei, habe diese Zuwendung nicht der Anschaffung von beweglichen Sachen zum Antritt oder zur Fortführung eines Gewerbes im Sinn des § 788 ABGB gedient. Zutreffend habe das Erstgericht auf diese Zahlungen nicht die Regeln über die Bewertung von beweglichen Sachen, sondern die Grundsätze der Bewertung von empfangenem Bargeld angewendet; diese Zahlungen seien daher nach dem Verbraucherpreisindex aufzuwerten.
Die zu den Zinsenzahlungen getroffenen erstgerichtlichen Feststellungen fielen in den Rahmen der Einwendungen der Beklagten und seien daher nicht überschießend. Die Beklagte habe nämlich vorgebracht, der Kläger habe vom Erblasser zahlreiche anrechenbare Vorausempfänge erhalten, und zwar hohe Geldbeträge zum Ankauf von Maschinen und Geräten sowie für die Bezahlung der vom Kläger eingegangenen Schulden.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu folgenden Fragen vorliege:
1. ob eine Zahlung des Erblassers als Wechselbürge als anrechnungspflichtiger Vorempfang nach § 788 ABGB angesehen werden könne, und
2. ob der vom Erblasser für die Tilgung einer Schuld im Sinn des § 788 ABGB, nämlich von Verzugszinsen aus einem Kredit, den der Pflichtteilsberechtigte für den Kauf von beweglichen Sachen aufgenommen habe, zugewendete Barbetrag nach dem Verbraucherpreisindex aufzuwerten oder analog den Grundsätzen zur Bewertung beweglicher Sachen abzuwerten sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts haben beide Parteien die Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Der Kläger beantragt in seiner Revision, das Urteil des Berufungsgerichts im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in ihrer Revision, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagte will mit ihren Revisionsausführungen die vom Erblasser geleisteten Wechselbürgschaftszahlungen in Kaufpreiszahlungen umdeuten. Sie vernachlässigt dabei die Unterscheidung zwischen Grundgeschäft und Wechselgeschäft. Vor allem kann die Beklagte den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, der Erblasser habe mit diesen Zahlungen eine eigene Verbindlichkeit bezahlt und einen wechselrechtlichen Rückgriffsanspruch gemäß Art 32 Abs 3 WG erworben, nichts entgegensetzen. Dass der Erblasser auf seine Rückgriffsansprüche verzichtet hätte, steht nicht fest. Die Zahlungen des Erblassers als Wechselbürge sind daher keine einrechnungspflichtigen Zuwendungen gemäß den §§ 788 f ABGB.
2. Zur Revision des Klägers:
Der Kläger greift zunächst die zweite vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage auf.
Der Oberste Gerichtshof billigt dazu die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen: Vorausempfänge von Bargeld sind nach herrschender Rechtsprechung und Lehre nach dem inneren Wert aufzuwerten, was in der Regel nach dem Lebenshaltungskostenindex zu geschehen hat (6 Ob 627/91; vgl schon SZ 10/261; Welser in Rummel3 §§ 794, 795 Rz 8; Eccher in Schwimann3 § 794 Rz 2; Apathy in KBB2 § 794 Rz 3, jeweils mwN). Wurde das bare Geld allerdings zur Anschaffung einer bestimmten Sache (Wohnung, Einrichtung, Kleidung, Fahrzeug) gegeben und hat der Empfänger die Sache auch ohne unnötigen Aufschub erworben, so werden die Regeln über die Bewertung der Sache und nicht jene über den Empfang baren Geldes angewendet (6 Ob 627/91; Apathy in KBB2 § 794 Rz 3; Kralik, Erbrecht3 300).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Bezahlung von Zinsen für Schulden, die zur Anschaffung von der Einrechnung unterliegenden Gegenstände aufgenommen wurden, ist eben kein zur Anschaffung einer bestimmten Sache gegebenes Geld. Vielmehr handelt es sich dabei um die Bezahlung von Schulden im Sinn des § 788 ABGB, worauf die Grundsätze der Bewertung von empfangenem Bargeld anzuwenden sind. Der Kläger releviert als weitere (vom Berufungsgericht nicht als solche bezeichnete) erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO, es fehle eine Rechtsprechung dazu, ob im Zusammenhang mit dem „Antritt" zu einem Gewerbe im Sinn des § 788 ABGB der Beschenkte auf die Zuwendung angewiesen sein muss. Nach Auffassung des Klägers ist selbst bei extensivem Verständnis des § 788 ABGB ein zum „Antritt zu einem Gewerbe" erhaltener Vorausempfang dann nicht anzurechnen, wenn der Empfänger auf diese Zuwendung nicht angewiesen war. Nach dem Wortlaut des § 788 ABGB ist Voraussetzung für die Einrechnung in den Pflichtteil der Empfang „unmittelbar zum Antritt eines Amtes, oder was immer für eines Gewerbes". Die vom Revisionswerber behauptete weitere Voraussetzung, der Empfänger müsse auf diese Zuwendung angewiesen sein, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung und wird auch - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre gefordert (vgl Weiß in Klang III² 927 f; Welser in Rummel³ §§ 788, 789 Rz 10; Eccher in Schwimann³ § 789 Rz 11; Apathy in KBB² §§ 788 bis 789 Rz 2; Kralik, Erbrecht3 294; Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht [2001] 27 f; Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht [2004] 141 f).
Dieses Verständnis lässt sich zumindest implizit auch aus der Rechtsprechung ableiten: In der Entscheidung 2 Ob 40/06f bat der dortige Kläger den späteren Erblasser um ein Privatdarlehen zur Finanzierung von Investitionen und Betriebsmitteln. Dieser schenkte ihm jedoch den gewünschten Betrag. Da für den dortigen Kläger bereits die Gewährung eines Darlehens ausreichend gewesen wäre, folgt daraus, dass er auf eine Schenkung des Betrags nicht angewiesen war. Dennoch bejahte der Oberste Gerichtshof die Anrechnungspflicht des dortigen Klägers.
Schließlich hat der Kläger das Vorbringen, er wäre auf die Zuwendungen des Erblassers im Zusammenhang mit der Anschaffung von Mähdreschern (zum Betrieb seiner Landwirtschaft) nicht angewiesen gewesen, erstmals im Berufungsverfahren erstattet; dieses Vorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot und ist somit unbeachtlich. Soweit der Kläger in der Revision neuerlich überschießende Feststellungen betreffend Zinsenzahlung behauptet, wird er auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
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