OGH 15Os118/08d

OGH15Os118/08d18.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Valeriu M***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Maxim B*****, Vasile D***** und Valentin M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. Mai 2008, GZ 26 Hv 20/08g-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Maxim B*****, Vasile D***** und Valentin M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Valeriu M*****, Boris M*****, Maxim B*****, Vasile D***** und Valentin M***** des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 erster Fall FPG, § 15 StGB (richtig: der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 erster Fall FPG) schuldig erkannt.

Danach haben sie „am 28. März 2008 in Vils/Musau als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung wissentlich die rechtswidrige Einreise und Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert bzw zu fördern versucht, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem sie als Fahrer der Kleinbusse Mercedes 416 CDI, Kz CLZ-429 (MD), Volkswagen Caravell, Kz CIS-356 (MD) und Mercedes 312 D, Kz CXX-141 (MD), die moldawischen Staatsangehörigen Efimia F*****, Lilia B*****, Lidia T*****, Elena B*****, Tatjana C*****, Elizaveta C*****, Maria J*****, Nina C*****, Victor B*****, Elena P*****, Parel C*****, Mariana U*****, Svetlana D*****, Nadejda X*****, Victoria D*****, Tamara C*****, Tatiana B*****, Svetlana B*****, Maria B*****, Sergio B*****, Liubov F*****, Arghira G*****, Natalia B*****, Vera G*****, Cristina C*****, Iona T*****, Ata G*****, Stepanida B*****, Veronica D*****, Cristina G***** und Petru G*****, welche im Besitz erschlichener Visa für den Schengen-Raum, ausgestellt durch die luxemburgische Botschaft in Moskau, waren, nach Österreich brachten bzw durch Österreich Richtung Italien zu bringen versuchten."

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die gemeinsam ausgeführte, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Maxim B*****, Vasile D***** und Valentin M*****; sie schlägt fehl.

Mit dem in der Mängelrüge (formal aus Z 5 vierter und fünfter Fall) erhobenen Einwand, das Erschleichen eines Visums sei „ein innerer Vorgang im Zeitpunkt der Visaantragstellung des Reisenden", weshalb es „Feststellungen zum Zweck der Reise im Zeitpunkt der Visaantragstellung bzw der Beauftragung jener Personen, die in ihrem Namen das Visum beantragt haben," bedurft hätte, wird der Sache nach ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) geltend gemacht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605 ff), ohne indes aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116569; WK-StPO § 281 Rz 588), warum es bei den Tatbeständen des § 114 Abs 1 und Abs 2 FPG auf die innere Tatseite bei den geschleppten Personen - anstatt (wie aus dem klaren Gesetzeswortlaut ersichtlich) auf jene beim Täter - ankäme. Vielmehr lassen die Beschwerdeführer damit die entscheidungswesentlichen Urteilskonstatierungen außer Acht, wonach Mitglieder der kriminellen Vereinigung um „Constantin" und „Victoria", an der sich die Angeklagten als Fahrer beteiligten (US 3, 6 ff und 13), bei der Botschaft des Fürstentums Luxemburg in Moskau durch Vorlage eines Rundreiseprogramms mit mehrtägigem Aufenthalt in Luxemburg für 39 moldawische Staatsangehörige die Ausstellung von Schengen-Visa erschlichen hatten, wobei ausschließliches Ziel der Reise tatsächlich die Beförderung dieser Personen nach Frankreich bzw nach Italien gewesen ist und eine Rückkehr nach Moldawien nicht vorgesehen war (US 7 f).

Die (unsubstanziert und ohne Aktenbezug aufgestellte) Behauptung, Efimea F***** sei „in Zusammenarbeit mit der moldawischen Polizei und dem BKA eingereist", macht keinen formalen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 geltend. Warum die Einreise der Efimia F***** allein aufgrund des Umstands, dass es sich bei ihr um eine Vertrauensperson der moldawischen Polizeibehörden gehandelt habe (siehe ON 3/S 11), nicht mit Hilfe eines durch Falschangaben erschlichenen Visums - und somit „rechtswidrig" (vgl RIS-Justiz RS0118058) - bewirkt worden sein soll, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) setzt die unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen voraus (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 47 mwN), wovon im Anlassfall - mangels Zitierung solcher Beweismittel im Urteil - keine Rede sein kann. Die von den Tatrichtern aus den erhobenen Beweisen mängelfrei gezogenen Schlussfolgerungen - die in Ansehung der inneren Tatseite bei den Angeklagten (außer bei Maxim B*****) mit deren geständiger Verantwortung im Ermittlungsverfahren begründet wurden (US 11 ff) - können indes nicht unter dem Aspekt einer „Aktenwidrigkeit" angefochten werden (RIS-Justiz RS0099524). Der Frage, wer den Beschwerdeführern ihren Fuhrlohn letztlich bezahlt hätte, kommt angesichts der bei der kriminellen Vereinigung eingetretenen Bereicherung, die nach den getroffenen Feststellungen vom Vorsatz der Angeklagten mitumfasst war (US 8, 10 ff und 13), keine entscheidende Bedeutung zu (siehe auch die Ausführungen zur Z 9 lit a).

Mit ihrer an der polizeilichen Vorgehensweise erhobenen Kritik, die Zeugin Efimia F***** sei noch vor Durchführung einer kontradiktorischen Vernehmung aus der Schubhaft entlassen worden und seitdem nicht mehr auffindbar, die anderen „Reisenden" wären hingegen „so schnell wie möglich" abgeschoben worden, fehlt es der Aufklärungsrüge (Z 5a) an der gebotenen Darlegung, wodurch die Beschwerdeführer an einer auf möglichst vollständige Ausschöpfung der Beweisquellen abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert gewesen wären (RIS-Justiz RS0115823).

Die hypothetischen Einwände, „lautere und durch die Visa gedeckte Reiseziele" der „Reisenden" seien „keineswegs auszuschließen", Mitteilungen der moldawischen Polizei seien im Hinblick darauf, „dass es auch korrupte moldawische Beamte gäbe", zu bezweifeln, und die - der Aktenlage widersprechende (siehe ON 36) - Behauptung, in Luxemburg wären Ermittlungen unterblieben, vermögen auch unter dem Aspekt einer Tatsachenrüge (Z 5a) keine aus den Akten abzuleitenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a; formal auch Z 10) wird - abermals ohne Ableitung aus dem Gesetz - der Standpunkt vertreten, für die Annahme einer rechtswidrigen Einreise hätte es „Feststellungen zu den Voraussetzungen der Erteilung eines Visums nach luxemburgischen Recht bedurft", weil die „Reisenden" über gültige Visa verfügten; aus dem Urteil gehe auch nicht hervor, dass bzw welche luxemburgische Bestimmungen verletzt worden seien (s dazu aber RIS-Justiz RS0098676); „die Reise bis Italien" wäre „von den ausgestellten Visa gedeckt" gewesen, weshalb „zum Zeitpunkt des Aufgriffs keine Förderung einer illegalen Einreise erfolgt" sei. Zugleich werden damit wiederum die im Urteil getroffenen Feststellungen vernachlässigt, wonach die Schengen-Visa aufgrund falscher Angaben (über den Verlauf und den Zweck der Reise sowie über die nicht geplante Rückkehr nach Moldawien) erschlichen wurden (US 7 f), womit auch die mit diesen Sichtvermerken bewirkte Einreise ins Bundesgebiet als „rechtswidrig" im Sinn des § 114 FPG anzusehen ist (vgl RIS-Justiz RS0118058; zuletzt 15 Os 77/08z = ON 104). Im Übrigen war das Erschleichen eines Aufenthaltstitels durch Falschangaben im festgestellten Sinn, nicht nur nach dem SDÜ (Art 15, Art 5 Abs 1 lit c, Art 12 Abs 2) und der - dessen einheitliche Handhabung in allen Vertragsstaaten regelnden - „Gemeinsamen konsularischen Instruktion an die diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen, die von Berufskonsularbeamten geleitet werden" (GKI, s Amtsblatt der EU vom 22. Dezember 2005, C 326/01), sondern auch nach dem zum Tatzeitpunkt geltenden luxemburgischen Recht (Art 2, 5, 32 und 33 des Gesetzes „Entrée et Séjour des Étrangers", s Memorial, Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg, Recueil de Legislation, A - Nr 230 vom 27. Dezember 2006) rechtswidrig.

Der Einwand, der Fuhrlohn von 250 Euro sei kein unangemessenes und daher auch kein unrechtmäßiges Entgelt, weshalb es an einer unrechtmäßigen Bereicherung und an einem Ausspruch darüber fehle, durch welches und an wen geleistetes Entgelt eine unrechtmäßige Bereicherung der Angeklagten eingetreten wäre, lässt die Urteilsannahmen über die von den Geschleppten nicht nur im Regel- (US 6), sondern auch im Anlassfall (US 8) an die kriminelle Vereinigung zu bezahlende Entlohnung von jeweils zwischen 4.300 und 4.500 Euro pro Person ebenso unbeachtet, wie jene über die darauf gerichtete innere Tatseite der Angeklagten (US 10 f).

Die weiteren, einen Rechtsirrtum im Sinn des § 9 StGB monierenden Ausführungen der Rechtsrüge (Z 9 lit b) vernachlässigen wiederum die von den Tatrichtern dezidiert festgestellte Gewissheit der Beschwerdeführer darüber, dass die kriminelle Vereinigung, für welche sie die geschleppten Personen transportierten, darauf ausgerichtet war, fortgesetzt (und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ihrer Mitglieder) die rechtswidrige Ein- oder Durchreise von Fremden in Mitgliedstaaten der EU zu fördern, wobei sich dieses Wissen der Angeklagten auch darauf erstreckte, dass das durchgeführte Besichtigungsprogramm „nur aus Tarnungsgründen abgewickelt wurde und eine Rückkehr nach Moldawien nicht vorgesehen war" (US 10 f). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der (einzelne Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde bloß wiederholenden) Äußerung des Verteidigers gemäß § 24 StPO - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a Abs 1 StPO.

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