OGH 11Os10/09v

OGH11Os10/09v17.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Milan M***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB , AZ 32 U 106/07b des Bezirksgerichts Favoriten, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 16. September 2008, GZ 32 U 106/07b-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Milan M***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 32 U 106/07b des Bezirksgerichts Favoriten, verletzt der Beschluss dieses Gerichts vom 16. September 2008 § 43 Abs 4 StPO.

Der Beschluss wird aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Favoriten die neuerliche Entscheidung über den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Milan M***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 16. Jänner 2008, GZ 32 U 106/07b-6, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 10. Juni 2007 in Wien-Favoriten Rebecca M***** durch Versetzen von Schlägen, wodurch sie Prellungen im Gesicht links, am Hals links, beider Arme, des Brustkorbes links, des linken Fußes und des rechten Oberschenkels erlitten hatte, am Körper verletzte.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 2. Juni 2008, GZ 4 U 38/08v-8, wurde Milan M***** von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 3), am 10. Juni 2007 in Wien-Liesing Rebecca M***** durch Schläge, wodurch diese Prellungen des Gesichtes links, des Halses links, des Oberarmes, des Brustkorbs links, des linken Fußes und des rechten Oberschenkels erlitten habe, am Körper verletzt zu haben, mangels Schuldbeweises gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Gegenstand beider Verfahren war ident. Die zweifache Verfahrensführung kam dadurch zu Stande, dass das Tatopfer anlässlich der Anzeigeerstattung als Tatort W*****, angab (S 29 in 32 U 106/07b des Bezirksgerichts Favoriten), während in der vom Unfallkrankenhaus Meidling verfassten und dem Polizeikommissariat Wien-Liesing übermittelten Verletzungsanzeige als Tatort W***** angeführt wurde (S 9 in ON 2 in 4 U 38/08v des Bezirksgerichts Liesing). Am 29. Juli 2008 stellte der Verurteilte beim Bezirksgericht Favoriten zum AZ 32 U 106/07b unter Hinweis auf das freisprechende Urteil des Bezirksgerichts Liesing den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (ON 16). Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 16. September 2008, GZ 32 U 106/07b-21, wies der Erkenntnisrichter den Antrag ab.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten verstößt - wie die Generalprokuratur gemäß § 23 Abs 1 StPO zutreffend geltend macht - gegen das Gesetz.

Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist nämlich ein Richter von der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.

Durch die Beschlussfassung eines ausgeschlossenen Richters wurde der Antragsteller Milan M***** in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0100599).

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, diese Entscheidung aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO).

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass zwar die Verfahrensführung durch das Bezirksgericht Liesing wegen einer Tat, derentwegen der Angeklagte bereits rechtskräftig verurteilt worden war, gegen § 17 Abs 1 StPO verstieß, ohne dass allerdings dem Gericht, das ohne eigenen Verfahrensfehler in Unkenntnis der Vorverurteilung war, iSd § 23 Abs 1 StPO eine Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes anzulasten wäre (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 7). Eine - nur zur Gunsten des Verurteilten mögliche - außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 StPO des durch einen aus einem anderen Grund ergangenen Freispruch beendeten Verfahrens schied - ebenso wie ein Vorgehen im Sinne der §§ 363a ff StPO - naturgemäß aus.

Rechtsakte als solche sind in der Regel keine Tatsachen oder Beweismittel (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 34-43). Wieweit das Verfahren 4 U 36/08v des Bezirksgerichts Liesing solche neu erbracht hat, kann im Verfahren nach §§ 357 Abs 2, 480 StPO geklärt werden.

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