Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erkan S***** (richtig [siehe dazu unten]:) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 16. Dezember 2007 in Wien Özlem Y***** mit Gewalt genötigt, und zwar
1. indem er sie an den Haaren erfasste und ihren Kopf zu seinem erigierten Penis drückte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich eines Oralverkehrs, und
2. indem er ihr die Pyjamahose herunterriss, sich auf sie legte und ihre Arme mit seinem rechten Unterarm auf ihrem Brustkorb fixierte, zur Duldung eines Beischlafs.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus dem Grunde der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Mit der bloßen Behauptung, die Subsumtion des Täterverhaltens unter § 201 Abs 1 StGB setze eine besondere Intensität der angewendeten Gewalt, nämlich „eine intensive und aggressive körperliche Einflussnahme zur Erzwingung des Beischlafs", voraus, und dem darauf aufbauenden Vorbringen, die festgestellten Tathandlungen würden nicht dem Gewaltbegriff dieser Bestimmung entsprechen, 'zumal' den Feststellungen bei keinem der beiden Angriffe Widerstand oder als solcher anzusehendes Verhalten des Tatopfers zu entnehmen sei, wird die Rechtsrüge nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht (methodisch vertretbar) aus dem Gesetz ableitet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116569, RS0118429, RS0118415).
Mit Blick auf ein allfälliges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei darauf hingewiesen, dass dem Nötigungsmittel der Gewalt nach ständiger Judikatur jeder Einsatz einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands entspricht, wobei es keiner besonderen Intensität dieser Kraftanwendung bedarf. Solcherart bedarf es aktuellen Widerstands des Tatopfers nicht. Gewaltausübung liegt auch vor, wenn der Krafteinsatz der präventiven Brechung des zu erwartenden Widerstands dient (RIS-Justiz RS0095240, RS0095260, RS0095232; Jerabek in WK² § 74 Rz 35). Davon ausgehend vermögen die Urteilsannahmen, nach denen der Angeklagte die Özlem Y*****, welche sexuelle Handlungen ausdrücklich verweigert hatte, zunächst bei den Haaren packte, ihren Kopf gegen ihren Widerstand fest gegen seinen erigierten Penis drückte und sie so zur Vornahme eines Oralverkehrs nötigte, den er aufgrund auftretender Übelkeit beim Opfer beendete, und die Genannte sodann mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs nötigte, indem er sich auf sie legte, ihre Hände auf ihren Brustkorb drückte, sich mit dem rechten Unterarm auf ihre Hände stützte und vaginal in sie eindrang, wobei ihm jeweils klar war, dass er diese sexuellen Handlungen gegen den Willen der Özlem Y***** setzte und sie durch die beschriebene Gewaltanwendung dazu nötigen wollte (US 3 f), die vorgenommene rechtliche Beurteilung als - wenn auch nur ein - Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB jedenfalls zu tragen. Soweit die Beschwerde Feststellungen dazu vermisst, ob Özlem Y***** sich während des Oralverkehrs „beinahe übergeben musste", weil sie zu dieser sexuellen Handlung gezwungen wurde, oder weil „der Angeklagte versehentlich zu tief in ihre Mundhöhle eingedrungen war", und „warum der Angeklagte, als er dies bemerkte, ihren Kopf losließ", lässt sie nicht erkennen, aus welchem Grund derartige Konstatierungen schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollten. Mit Spekulationen, wonach sich daraus „ergeben könnte, dass es gerade nicht der Vorsatz des Angeklagten war, die Zeugin mit Gewalt zum Oralverkehr zu nötigen", wird die Rechtsrüge nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Inwiefern „dieser festgestellte Tatumstand dem dem Angeklagten angelasteten Gewaltausübungsvorsatz diametral entgegen" stehen sollte, erklärt sie nicht.
Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der festgestellten Gewalthandlungen betrifft der behauptete Widerspruch zwischen Tenor und Gründen (der Sache nach Z 5 dritter Fall), den die Beschwerde darin erblickt, dass der Beschwerdeführer Özlem Y***** die Pyjamahose vor Vollzug des Beischlafs nach den Entscheidungsgründen „auszog" (US 3), während er sie nach dem Referat im Erkenntnis „herunterriss" (US 2), keine entscheidende Tatsache.
Die Behauptung unvollständiger Konstatierungen zu den „Tatumständen", aufgrund derer dem Beschwerdeführer bewusst wurde, dass Özlem Y***** auch keinen Geschlechtsverkehr wollte, legt nicht dar, welche über die oben zitierten Urteilsannahmen zu - vom Beschwerdeführer wahrgenommener - verbaler Ablehnung und (zumindest anfangs) geleistetem Widerstand der Genannten sowie einem auf gewaltsame Nötigung zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden sexuellen Handlung gerichtetem Vorsatz (US 3 f) hinausgehenden Feststellungen für eine Subsumtion unter § 201 Abs 1 StGB erforderlich sein sollten.
Fehlende rechtliche Erwägungen, die die Beschwerde unter Berufung auf § 270 Abs 2 Z 5 StPO ebenfalls vermisst, bilden letztlich keinen Nichtigkeitsgrund (Danek, WK-StPO § 270 Rz 41 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 413 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Bleibt anzumerken, dass nach dem Tatsachensubstrat des Urteils beide Angriffe des Angeklagten eine von einheitlichem Vorsatz getragene tatbestandliche Handlungseinheit darstellen (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 104; RIS-Justiz RS0120233, RS0117038; 13 Os 1/07g vS, EvBl 2007/114, 614). Die demnach rechtlich verfehlte Annahme zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB bietet jedoch für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass. Stellt nämlich einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinne der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23), wäre bei richtiger Subsumtion statt des - aufgrund der verfehlten rechtlichen Beurteilung angenommenen - Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens „zweier strafbarer Handlungen", der - diesem gleichwertige - Umstand, dass der Angeklagte das Tatopfer zum Beischlaf und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt hat, als aggravierend zu werten gewesen.
Sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen nach§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, so besteht bei der Entscheidung über die Berufung, bei der das Berufungsgericht an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Berufungsgründe nicht gebunden ist, insoweit auch keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (vgl RIS-Justiz RS0118870).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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