Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 9. September 2008, GZ 8 P 210/06i-U-17, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Pflegschaftssache der Tanja H*****, geboren *****, an das Bezirksgericht Gmünd wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Mit dem am 5. September 2008 beim Bezirksgericht Leibnitz eingebrachten Antrag begehrte die - damals noch minderjährige, durch ihren Vater vertretene - Tanja, geboren *****, ihre Mutter rückwirkend ab 1. Juni 2008 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 775 EUR zu verpflichten. Weiters beantragte das Kind, „den Akt ehemöglichst an das BG Gmünd zu übertragen". Das Bezirksgericht Leibnitz übertrug mit Beschluss vom 9. September 2008, GZ 8 P 210/06i-U-17, die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Gmünd mit dem Hinweis, das Kind halte sich nunmehr ständig beim Vater in H***** auf. Das Bezirksgericht Gmünd verweigerte die Übernahme mit der wesentlichen Begründung, Tanja sei beim Vater in H***** nur gemeldet, lebe aber zum Studium in G*****.
Das Bezirksgericht Leibnitz legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori durchbrochen werden (4 Nc 104/02k; 4 Ob 5/04w; 4 Nc 13/07k). Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes (4 Nc 104/02k; 4 Ob 5/04w; 4 Nc 13/07k). Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (Fucik in Fasching/Konecny² I § 111 JN Rz 2). Maßgebend ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047300 [T7]).
Auch wenn offene Anträge die Übertragung der Zuständigkeit in einer Pflegschaftssache an das Gericht des neuen Lebensmittelpunkts des Kindes grundsätzlich nicht hindern (RIS-Justiz RS0046895), ist es im vorliegenden Fall nicht zweckmäßig, diese Übertragung unmittelbar nach dem Erreichen der Volljährigkeit des Kindes zu genehmigen (4 Nc 13/07k; vgl auch 6 Nd 508/01 = EFSlg 97.963). Im fortgesetzten - vom mittlerweile großjährigen Kind zu führenden - Verfahren fällt die Antragstellerin nicht mehr unter den besonderen pflegschaftsbehördlichen Schutz, den das Gesetz Minderjährigen zukommen lässt. Bereits deshalb ist die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht der Wohnsitzmeldung des mittlerweile großjährigen Kindes - zumal § 111 JN als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen ist (RIS-Justiz RS0046908 [T9]) - nicht zu genehmigen (4 Nc 13/07k).
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