OGH 13Os141/07w

OGH13Os141/07w22.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers DI Uwe S***** gegen die Antragsgegnerin V***** Gesellschaft mbH wegen § 10 MedienG, AZ 091 Hv 110/06x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der V***** Gesellschaft mbH auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Antrag ist unbegründet.

Text

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. September 2006 (ON 10) wurde der V***** Gesellschaft mbH gemäß § 10 Abs 1 MedienG (idF vor BGBl I 2007/112) aufgetragen, im periodischen Druckwerk „p*****" eine Mitteilung darüber zu veröffentlichen, dass die Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen DI Uwe S***** zurückgelegt hatte. Der dagegen erhobenen Berufung der V***** Gesellschaft mbH wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und des Ausspruchs über die Schuld (ON 15) gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 12. September 2007 nicht Folge (ON 20).

Mit dem gegenständlichen Antrag begehrt die V***** Gesellschaft mbH die Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO mit der Begründung, sie sei in den Grundrechten auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK), auf die Freiheit der Meinungsäußerung (Art 10 MRK) sowie darauf, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden (Art 4 des 7. ZPMRK), verletzt worden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Erneuerungsantrag auf Art 6 Abs 3 lit d MRK und Art 4 des 7. ZPMRK stützt, geht er fehl, weil die dort garantierten Grundrechte nur in Verfahren über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage zum Tragen kommen (Meyer-Ladewig, EMRK² Art 6 MRK Rz 13 ff, Art 4 7. ZPMRK Rz 2 f). Demgegenüber ist der Anspruch nach § 10 MedienG zivilrechtlicher Natur (13 Os 155/07d, MR 2008, 133), woran der Umstand seiner Durchsetzung nach strafprozessualen Regeln nichts ändert. Allein die formalgesetzliche Einordnung eines Anspruchs hat nämlich nach dem System der MRK nur relativen Charakter und es bedarf zusätzlich der Prüfung der wahren Anspruchsnatur (vgl Frowein/Peukert, EMRK² Art 6 Rz 36). Hiebei zeigt sich, dass dem Anspruch nach § 10 MedienG weder Tadels- noch Übelsfunktion zukommt, sondern er auf die Rehabilitation des Betroffenen sowie die Komplettheit der Berichterstattung gerichtet und solcherart zivilrechtlicher Natur ist (Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz² § 10 Rz 1; U. Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz § 10 Rz 1).

Da sich die Erneuerungswerberin bei ihrer Kritik am Ersatz der Vernehmung des DI S***** durch die Verlesung seiner eidesstättigen Erklärung (über den Zeitpunkt, in welchem er von der Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens Kenntnis erlangt hat) auf die besondere Verfahrensgarantie des Art 6 Abs 3 lit d MRK beruft und eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK nicht mit Bestimmtheit behauptet, ist der Erneuerungsantrag unter dem Aspekt des Art 6 MRK insgesamt nicht zielführend.

Auf der Sachverhaltsebene geht der Erneuerungsantrag (aktenkonform) davon aus, dass in mehreren Ausgaben des periodischen Druckwerks „p*****" ausführlich über ein (in der Folge durch Zurücklegung der Anzeige beendetes) Strafverfahren gegen DI Uwe S***** berichtet worden ist. Die Frage indes, ob die darauf bezogene, den Entscheidungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien zu Grunde liegende Rechtsansicht einer Mehrheit von Ansprüchen auf Veröffentlichung einer nachträglichen Mitteilung nach § 10 Abs 1 MedienG im Fall einer Mehrheit von (selbst) dieselbe Verdachtsmitteilung betreffenden Primärveröffentlichungen mit § 10 MedienG als gesetzlicher Eingriffsgrundlage iSd Art 10 Abs 2 erster Halbsatz MRK und Art 10 Abs 2 zweiter Halbsatz MRK im Einklang steht, bedarf keiner inhaltlichen Antwort, weil die Erneuerungswerberin nicht klar macht, weshalb sie infolge mehrfacher Anordnung ungeachtet ohnehin nur einmal (zusammenfassend) erfolgter Veröffentlichung als Opfer eines Eingriffs in das reklamierte Grundrecht gelten sollte. Wer aber die gegenüber dem EGMR geltenden Prozessvoraussetzungen, zu denen auch die Opfereigenschaft im Sinn des Art 34 MRK gehört, nicht erfüllt, hat keinen von einem Urteil dieses Gerichtshofs unabhängigen Anspruch auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a Abs 1 StPO (11 Os 132/06f, EvBl 2008/8, 32).

Was die inhaltliche Beschränkung einer nachträglichen Mitteilung auf das zum angestrebten Rechtsschutz Erforderliche (§ 10 Abs 2 MedienG) anlangt, ist abermals hervorzuheben, dass der Veröffentlichungsauftrag keine staatliche Sanktion ist, sondern ausschließlich ein maßvolles Gleichgewicht zwischen einer wahrheitsgemäßen Primärveröffentlichung und der anschließenden medialen Rehabilitation des davon Betroffenen schaffen soll. Mit Blick darauf ist fallbezogen (13 Os 155/07d, MR 2008, 133) die Anordnung ebenfalls im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken geblieben.

Vor dem Hintergrund des dargelegten, nicht auf eine kritische Betrachtung jedes einzelnen Wortes abzielenden und im Übrigen auch den Umfang der Primärveröffentlichung im Blick behaltenden Beurteilungsmaßstabs haben nämlich das Landesgericht für Strafsachen Wien und das Oberlandesgericht Wien in vertretbarer Weise - zur Abgrenzung von anderen Strafsachen - die Nennung der Aktenzahl der Staatsanwaltschaft und die deutliche Umschreibung des den Gegenstand der Verfahrenseinstellung bildenden Sachverhalts sowie die vollständige Darstellung der konkreten Verfahrensbeendigung (hier:

nach gerichtlichen Vorerhebungen gemäß § 90 Abs 1 zweiter und dritter Satz StPO aF) als zur umfassenden Information des in Rede stehenden Leserkreises erforderlich erachtet.

Der Antrag auf Erneuerung des Verfahrens ist daher unbegründet (§ 363c Abs 2 StPO).

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