OGH 3Ob266/08a

OGH3Ob266/08a17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Dipl. Ing. Erwin H*****, vertreten durch Dr. Heinz Lughofer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagten Parteien 1. Ferdinand K*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, und 2. Alexandros B*****, wegen 2.663,58 EUR sA, 7.629,34 EUR sA und 6.098,40 EUR sA, infolge „außerordentlicher" Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2008, GZ 1 R 301/07t‑53, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 30. März 2007, GZ 4 C 899/03f, 898/03h und 2173/03h‑48, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00266.08A.1217.000

 

Spruch:

1. Die „außerordentliche" Revision wird in Ansehung der Zusprüche an die klagende Partei von 304,92 EUR (AZ 4 C 898/03h des Erstgerichts) und 2.439,36 EUR (AZ 4 C 2173/03h des Erstgerichts) zurückgewiesen.

2. In Ansehung des noch offenen Begehrens im führenden Akt werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Der Kläger als Eigentümer einer Liegenschaft und Verpächter begehrte in drei vom Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren von den Beklagten die Zahlung rückständiger Pachtzinse für die Zeit Februar bis August 2003 sowie die Kosten der Errichtung eines Pachtvertrags. Das Klagebegehren im als ersten anhängig gemachten Verfahren (AZ 4 C 898/03h des Erstgerichts) lautet auf Zahlung von insgesamt 2.663,58 EUR (Vertragserrichtungskosten von 380,12 EUR zuzüglich 2.283,46 EUR) als Teilpachtzinse für Februar und März 2003. Im führenden Verfahren AZ 4 C 899/03f des Erstgerichts machte der Kläger Teilpachtzinse für Februar und März 2003 von je 765,47 EUR und Pachtzinse samt Betriebskosten für April und Mai 2003 von je 3.049,20 EUR, zusammen daher 7.629,34 EUR, geltend. Das damit ursprünglich verbundene Räumungsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Schließlich begehrt der Kläger im Verfahren AZ 4 C 2173/03h des Erstgerichts 6.098,40 EUR sA (Pachtzins samt Betriebskosten für Juli und August 2003 à 3.049,20 EUR). Im führenden Verfahren dehnte der Kläger sein Zahlungsbegehren für die Monate September bis Dezember 2003 um insgesamt 11.826 EUR auf insgesamt 19.455,34 EUR (laut Protokoll infolge eines Additionsfehlers aber auf 22.803,11 EUR).

Die Beklagten wendeten ua ein, es werde die Aufrechnung mit der Kaution im Gesamtbetrag von 29.874,29 EUR und den Kosten für vier Sessel von rund 720 EUR, die der Kläger aus dem Lokal entnommen habe, erklärt. Weiters würden ungeschmälerte Pachtzinse ab 8. Oktober 2002 bis einschließlich Jänner 2003 und für Juni 2003 von insgesamt 15.425 EUR als Kompensandoforderung geltend gemacht.

Das Erstgericht erachtete im zweiten Rechtsgang die Klageforderungen als mit 2.134,44 EUR (AZ 4 C 898/03h), 12.547,08 EUR (AZ 4 C 899/03f) und 4.268,88 EUR (AZ 4 C 2173/03h) zu Recht und die eingewendete Gegenforderung als mit je 1.829,52 EUR zu Recht bestehend und verhielt demgemäß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 304,92 EUR, 10.717,56 EUR und 2.439,36 EUR je samt 9,47%iger Stufenzinsen; das Mehrbegehren wies es unangefochten ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten gegen das erstgerichtliche Urteil nicht Folge und sprach aus, dass im Verfahren AZ 4 C 898/03h die Revision jedenfalls unzulässig sowie in den Verfahren AZ 4 C 899/03f und AZ 4 C 2173/03h die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte zur Revisionszulässigkeit aus, dass die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss habe. Demgemäß sei im Verfahren AZ 4 C 898/03h bei einem Streitwert von 2.663,58 EUR die Revision jedenfalls unzulässig.

Die als „außerordentliche" bezeichnete Revision des Erstbeklagten gegen diese Entscheidung ist zum Teil jedenfalls unzulässig, zum Teil ist eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs derzeit nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz ist die Revision nicht nur im Umfang seines Entscheidungsgegenstands im Verfahren AZ 4 C 898/03h, sondern auch in dem des Verfahrens AZ 4 C 2173/03h des Erstgerichts jedenfalls unzulässig.

Vorauszuschicken ist, dass das ursprüngliche Räumungsbegehren infolge Klageeinschränkung schon im ersten Rechtsgang nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und damit auch nicht der Urteile der Vorinstanzen war. Somit kommt § 502 Abs 5 ZPO nicht zur Anwendung, weshalb § 502 Abs 2 ZPO maßgeblich ist; über eine Kündigung, Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen des Bestandvertrags war eben nicht zu entscheiden.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend darlegte, ist die Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung. Ein Verbindungsbeschluss betrifft nur den äußeren Gang des Verfahrens, ist daher bloß formeller Natur und dient lediglich der Konzentration, Vereinfachung und Verbilligung des Verfahrens sowie einer arbeitsteiligen Gliederung (8 Ob 574‑577/77 = SZ 51/8; zuletzt 3 Ob 170/08h). Es werden dadurch die Rechtssachen nicht zu einer Einheit verbunden (RIS‑Justiz RS0036717 [besonders T2 und T21]). Daher ist die Zulässigkeit von Rechtsmitteln für jedes Verfahren gesondert zu prüfen (RIS‑Justiz RS0036717), die Verbindung hat darauf keinen Einfluss (RIS‑Justiz RS0037252) und die Streitwerte sind nicht zusammenzurechnen (RIS‑Justiz RS0037271, RS0037173), auch wenn es zu einer gemeinsamen Entscheidung in den verbundenen Verfahren kam (zuletzt 3 Ob 170/08h; E. Kodek in Rechberger³, § 502 ZPO Rz 2).

Zu Unrecht vermeint der Erstbeklagte, wegen der Höhe der von ihm eingewendeten Gegenforderungen, die er mit insgesamt 26.094,94 EUR beziffert, sei die Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Umfang aller drei Entscheidungsgegenstände zweiter Instanz zulässig. Solche Gegenforderungen bleiben nämlich - soweit nicht Gegenstand einer gesondert zu beurteilenden Widerklage - nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln außer Betracht (7 Ob 96/55 uva, RIS‑Justiz RS0042639; 6 Ob 168/08m; E. Kodek aaO Rz 4).

Somit entsprach der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz, die sich nur noch mit einer Berufung des Erstbeklagten zu befassen hatte, in jedem der Verfahren dem dem Kläger vom Erstgericht zugesprochenen Betrag (in den verbundenen Verfahren daher 304,92 EUR und 2.439,36 EUR). Dieser übersteigt demnach in den beiden letzteren jeweils 4.000 EUR nicht. Damit erweist sich die Revision im Umfang der noch strittigen Klagebegehren zu AZ 4 C 899/03f und AZ 4 C 2173/03h als jedenfalls unzulässig und ist daher zurückzuweisen.

2. Im führenden Verfahren sprach das Erstgericht dem Kläger unter Berücksichtigung einer Gegenforderung von 1.829,52 EUR 10.717,56 EUR zu. Die Abweisung eines Mehrbegehrens (in der Hauptsache) von 8.737,58 EUR erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Demnach war Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz der Betrag von 10.717,56 EUR. Auf die Höhe der eingewendeten Gegenforderung sowie der Entscheidungsgegenstände in den verbundenen Verfahren kommt es, wie oben zu 1. dargelegt, nicht an.

Auch die gegen das Berufungsurteil in diesem Umfang erhobene „außerordentliche" Revision des Erstbeklagten legte das Erstgericht entgegen der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Nach § 502 Abs 3 ZPO idFd WGN 1997 iVm Art 94 Z 14 des 2. Euro‑JuBeG BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR, übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall hat der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und geltend gemacht, dass er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich ein ausdrücklicher Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO).

Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage war der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof, vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS‑Justiz RS0109623).

Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese ausdrücklich an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei (vgl zum Fehlen der [richtigen] Bezeichnung des Berufungsgerichts E. Kodek aaO § 467 ZPO Rz 2), dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis iSd § 84 Abs 3 ZPO, ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0109501).

Der Akt ist daher in Ansehung des führenden Verfahrens dem Erstgericht zurückzustellen.

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