OGH 6Ob257/08z

OGH6Ob257/08z17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Renate H*****, vertreten durch Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung eines Vertrags, Feststellung und Zahlung von 6.849,60 EUR (im Revisionsverfahren 5.449,60 EUR) sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2008, GZ 36 R 35/08a-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 25. Oktober 2007, GZ 5 C 31/07a-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des mit dem beklagten Schulverein für ihre Tochter Nora H***** geschlossenen Schulvertrags, die Rückzahlung von 6.849,60 EUR sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Klägerin sei bei Abschluss des Schulvertrags in einem wesentlichen Irrtum befangen gewesen, der durch das Verhalten der Beklagten und der Direktorin der Schule veranlasst worden sei. Die Beklagte habe in objektiv unrichtiger Weise damit geworben, dass der Schule das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden sei, sodass sogar von listiger Irreführung gesprochen werden müsse. Eine Aufklärung der Klägerin über das fehlende Öffentlichkeitsrecht sei umso gebotener gewesen, als der Direktorin bekannt gewesen sei, dass ein nach Ansicht der Beklagten ihr nicht wohlgesonnener Landesschulinspektor mit der Überprüfung der Schule beauftragt gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der nicht weiter bekämpften Abweisung eines Begehrens von 1.400 EUR - statt. Zwar könnten nach der Rechtsprechung reine Dauerschuldverhältnisse nur ex tunc aufgelöst werden. Nach neuerer Auffassung gelte diese Einschränkung allerdings nicht für den Fall der Anfechtung wegen Arglist und auch dann nicht, wenn keine Rückabwicklungsschwierigkeiten bestünden. Diese Ansicht sei auch sachgerecht, weil vermieden werden solle, dass der Irreführende sich den Vorteil aus dem Geschäft zuwenden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen seien für die Tochter der Klägerin insofern unbrauchbar gewesen, als sie sich trotz des Schulbesuchs Prüfungen unterziehen habe müssen, wie wenn sie gar keine Schule in den entsprechenden Schuljahren besucht hätte. Das Erstgericht habe daher zu Recht eine komplette Rückabwicklung des Schulvertrags vorgenommen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob hinsichtlich eines bereits absolvierten Ausbildungsvertrags eine Irrtumsanfechtung ex tunc stattfinde, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

1.1. Nach mittlerweile gefestigter neuerer Rechtsprechung ist bei Dauerschuldverhältnissen eine Auflösung mit Wirkung ex tunc bei Arglist (SZ 63/100; 2 Ob 131/97x; 6 Ob 81/99a) und in jenen Fällen, in welchen trotz des bereits eingetretenen Beginns des Dauerschuldverhältnisses keine Rückabwicklungsschwierigkeiten bestehen, möglich (JBl 1990, 321; 1 Ob 2169/96v; 2 Ob 130/97x; 6 Ob 81/99a). An diesem erstmals in der Entscheidung SZ 63/100 in Zusammenhang mit der Erschleichung der Zustimmung zu einer Bauführung ausgesprochenen Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof in der Folge in der Entscheidung 2 Ob 131/97x zu einem Behandlungsvertrag eines „Figurinstituts" und in der Entscheidung 6 Ob 81/99a zu einem Bestandvertrag festgehalten. In der Entscheidung 2 Ob 131/97x hat der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, dass unbrauchbare Leistungen nicht zu honorieren sind. Aus welchen Gründen die dargelegten allgemeinen Grundsätze bei einem Schulvertrag nicht gelten sollten, ist nicht ersichtlich.

1.2. List im Sinne des § 870 ABGB ist bewusste Täuschung und setzt daher ein für die Entstehung des Irrtums vorsätzliches Verhalten des Irreführenden voraus (RIS-Justiz RS0014821). Allerdings kann die Irreführung auch durch Unterlassung der gebotenen Aufklärung erfolgen (7 Ob 529/91). Dass Schweigen insbesondere dann Arglist beinhalten kann, wenn der Schweigende eine ihm obliegende Aufklärungspflicht unterlässt, ist allgemein anerkannt (RIS-Justiz RS0014817; vgl auch RS0087570).

1.3. Wenn die Vorinstanzen in Anbetracht des Umstands, dass die Schule der Beklagten im Wiener Schulführer und auf ihrer Homepage wahrheitswidrig als M*****-Sekundarschule mit Öffentlichkeitsrecht beworben wurde, das Vorliegen von List annahmen, so ist dies nicht zu beanstanden, zumal der Beklagten bekannt war, dass ihrem Ansuchen auf Zuerkennung des Öffentlichkeitsrechts nicht nur nicht entsprochen worden war, sondern auch ein Sachbearbeiter für die Bearbeitung dieses Antrags eingesetzt wurde, der nach ihrer eigenen Einschätzung der M*****-Pädagogik und der Direktorin der Schule kritisch gegenüberstand (Urteil S 16).

1.5. Liegt aber auf Seiten der Beklagten List vor, so bedurfte es keines Eingehens auf die Frage, ob überhaupt eine Rückabwicklung der im Rahmen eines Schulvertrags erbrachten Leistungen möglich ist, reicht doch für die Rückabwicklung eines Dauerschuldverhältnisses ex tunc bereits aus, dass entweder Arglist vorliegt oder keine Rückabwicklungsschwierigkeiten auftreten. Die Ratio hinter der Bejahung der Rückabwicklung ex tunc bei Vorliegen von List ist, dass dem Handelnden nicht der Erfolg seiner Tat belassen werden soll (Rummel in Rummel, ABGB3 § 859 Rz 27). Diese Überlegung erscheint auch im vorliegenden Fall durchaus sachgerecht.

2. Wenn die Vorinstanzen die von der Beklagten erbrachten Leistungen in Anbetracht des Umstands, dass die Tochter der Klägerin die Kenntnis des Lehrstoffs nachträglich durch die Ablegung externer Prüfungen dokumentieren musste, als rechtlich wertlos einstuften, haben diese den ihnen hier zukommenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen. Es wäre der Beklagten freigestanden, die ihr bekannte verwaltungsrechtliche Rechtslage der von ihr betriebenen Schule offenzulegen und auf Basis wahrheitsgemäßer und vollständiger Information einen Vertragsschluss mit der Klägerin herbeizuführen.

3. Damit hängt die Lösung des vorliegenden Falls nicht von Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität ab, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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