OGH 5Ob188/08w

OGH5Ob188/08w25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache nach dem WGG der Antragstellerin B*****, vertreten durch Hule Bachmayr‑Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Veronika W*****, 2. Dr. Walter S*****, und 3. Ing. Heribert U*****, wegen § 22 Abs 1 Z 2a WGG über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 2008, GZ 40 R 41/08p‑62, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 18. Oktober 2007, GZ 9 Msch 3/05m‑53, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem ordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss des Rekursgerichts wird in Ansehung des Drittantragsgegners nur hinsichtlich des mit 81.630 EUR angenommenen Verkehrswerts der Wohnung *****, abgeändert und insofern der Sachbeschluss des Erstgerichts, mit dem ein Verkehrswert von 90.700 EUR festgesetzt wurde, wiederhergestellt.

Begründung

Die Wohnung des Drittantragsgegners mit 76,48 m², an der 2003 Wohnungseigentum begründet wurde, liegt im Terrassenerdgeschoß und verfügt über Vorraum, Küche, Bad, WC, Abstellraum, 3 Zimmer und Kellerabteil sowie zwei Terrassen. In einem Raum besteht geringfügige Schimmelbildung im Bereich der Terrasse, eine Heizkörperaufhängung ist lose und auch an der Verfugung der Fliesen im Bad bestehen geringe Schäden. Die Wohnung befindet sich in einem durchschnittlichen Zustand.

Die Antragstellerin hat den im Revisionsrekursverfahren verbliebenen Drittantragsgegner und andere Mieter im Juni 2001 zur Antragstellung auf nachträgliche Übertragung ihrer Wohnungen ins Wohnungseigentum eingeladen; ua der Drittantragsgegner hat diese Möglichkeit wahrgenommen, lehnte aber den von der Antragstellerin angebotenen Fixpreis ab.

Am 7. April 2003 langte bei der Schlichtungsstelle der Gemeinde der Sachantrag der Antragstellerin als Vermieterin 1. auf gerichtliche Festsetzung des Preises gemäß § 15c Abs 2 WGG für die nachträgliche Übertragung der Wohnung ua des Drittantragsgegners in das Wohnungseigentum und 2. ein Feststellungsantrag ein. Der sich schon am Rekursverfahren nicht mehr beteiligende Zweitantragsteller zog das Verfahren wegen Nichtentscheidung der Gemeinde zu Gericht ab.

Der Drittantragsgegner ersuchte um „Prozesseinbindung" (ON 25 S 6 = AS 87) und machte unter anderem geltend, der Zugang zu seiner Wohnung sei nur über 174 Stufen möglich, es sei kein Lift vorhanden.

Das Erstgericht setzte für die Wohnung des Drittantragsgegners den Preis für die nachträgliche Übertragung ins Wohnungseigentum zum Stichtag 7. April 2003 mit insgesamt 94.524,41 EUR (bestehend aus 90.700 EUR Verkehrswert und 3.824,41 EUR Erhaltungsbeitrag) fest. In rechtlicher Hinsicht erachtete es nach § 39 Abs 21b WGG die Preisvorschriften des § 15b WGG idF vor der WRN 2002 als anwendbar.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung infolge Rekurses ua des Drittantragsgegners in der Sache (auch) hinsichtlich des Drittantragsgegners dahingehend ab, dass es den Preis für die Übertragung der Wohnung in das Wohnungseigentum mit einem „Verkehrswert" zum 7. April 2003 von 81.630 EUR festsetzte, wobei sich dieser Verkehrswert spruchgemäß um jenen Betrag erhöht, der sich im Zeitpunkt der Einverleibung im Grundbuch aus dem anteiligen Erwerb des Miteigentums an nicht rückzahlbaren EVB einst ergeben wird, und um jenen Betrag vermindert, der sich im Zeitpunkt der Rechtskraft der Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren für den Drittantragsgegner als Rückzahlungsbetrag des Finanzierungsbeitrags (§ 17 Abs 1 [gemeint:] WGG) einst ergeben würde. Rechtlich argumentierte das Rekursgericht, § 39 Abs 21b WGG idF der WRN 2002 ordne an, dass die Preisbildungsbestimmungen der §§ 15b, 15c, 39 Abs 21 WGG idF vor der WRN 2002 weiter anzuwenden seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Wohnung des Drittantragsgegners nicht über einen Lift, sondern nur über zahlreiche Stufen erreichbar und darin Schimmel aufgetreten sei. Der Ertragswert für die vermieteten Wohnungen wäre, da sich das nach dem WGG errechnete Entgelt nach Nutzflächen, nicht aber nach den individuellen wertbildenden Umständen richte, für alle gleich großen Wohnungen in allen Geschoßen, seien sie über Lift erreichbar oder nicht und sei ihr Erhaltungszustand gut oder schlecht, immer gleich. Dies würde der in § 15b Abs 3 WGG angeordneten Berücksichtigung aller wertbildenden Umstände widersprechen. Für den fehlenden Aufzug und den aufgetretenen Schimmel reduziere sich daher der aufgrund des Ertragswerts festgestellte Verkehrswert um 10 % auf 81.630 EUR.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die unklaren Bestimmungen des § 15b Abs 4 und 5 WGG mit der dort normierten preisbestimmenden Funktion künftiger Beträge/Anteile, die im Entscheidungszeitpunkt noch nicht berechenbar/bestimmbar seien, die Preisfestsetzung auf eine gerichtliche Festsetzung bloß des Verkehrswerts herabmindern würden und hiezu Rechtsprechung des Höchstgerichts fehle.

Ausdrücklich nur gegen die Preisfestsetzung für die Übertragung der Wohnung des Drittantragsgegners durch das Rekursgericht richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Verkehrswert (statt mit 81.630 EUR) mit 90.700 EUR festzusetzen, hilfsweise den Beschluss im angefochtenen Umfang aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Drittantragsgegner beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

1. Die Antragstellerin releviert weder die zeitliche Anwendbarkeit des § 15b WGG idF vor der WRN 2002 noch die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, sondern sieht diese im Fehlen von Rechtsprechung dazu, ob durch das Ertragswertverfahren bereits alle wertbildenden Umstände berücksichtigt sind, oder ob bei der Preisfestsetzung nach § 15b Abs 3 WGG aF auch weitere Umstände zu berücksichtigen seien. Das Rekursgericht habe entgegen der schlüssig begründeten Ansicht des Sachverständigen ohne jede Begründung zu Unrecht in völlig falscher und unbilliger Weise das Vergleichs- mit dem Ertragswertverfahren kombiniert und so die Antragstellerin doppelt benachteiligt; dies durch die Wahl der Ertragswertmethode unter Zugrundelegung des (den am Markt erzielbaren Mietzins weit unterschreitenden) nach dem WGG errechneten Mietzinses und die weitere Reduzierung des Ertragswerts, obwohl die Lage des Objekts vom Sachverständigen bei der Wahl des Liegenschaftszinssatzes bedacht worden sei; umgekehrt hätte das Rekursgericht auch preissteigernde Faktoren (2 Terrassen, Kellerabteil) berücksichtigen müssen. Zum Fehlen eines Lifts habe das Erstgericht gar keine Feststellung getroffen, was erkennbar als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wird.

2. Mit der Rechtsrüge wendet sich die Antragstellerin im Kern zu Recht gegen die unrichtige Kombination von Wertermittlungsmethoden bei der Preisfestsetzung nach § 15b Abs 3 WGG idF vor der WRN 2002:

2.1. Die Auswahl der Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts hat danach zu erfolgen, welche Methode am besten den Umständen des Einzelfalls gerecht wird (RIS‑Justiz RS0066223, RS0066226, RS0056492), was auch für eine Kombination mehrerer Methoden zu gelten hat.Die Auswahl des maßgeblichen Wertermittlungsverfahrens hat durch den Sachverständigen zu erfolgen, welcher dabei den jeweiligen Stand der Wissenschaft und die im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten zu beachten hat (RIS‑Justiz RS0066223 [T2 und T4]). Die Wahl der Bewertungsmethode ist als eine nicht dem Tatsachenbereich angehörige Frage vom Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn das Rekursgericht die vom Sachverständigen gewählte Bewertungsmethode ohne Änderung in der Sachverhaltsgrundlage aufgrund rein abstrakter Argumente modifiziert und hiedurch zu anderen Ergebnissen gelangt als der Sachverständige und das diesem folgende Erstgericht (RIS‑Justiz RS0043517). Das ist hier der Fall:

2.2. Der Sachverständige hat sich im Rahmen des schriftlichen Gutachtens und dessen schriftlicher Erörterung aufgrund der von beiden Seiten erhobenen Einwendungen - von der Antragstellerin im Revisionsrekurs gebilligt - für das Ertragswertverfahren entschieden, weil dieses das Bestehen eines aufrechten Miet- oder Nutzungsverhältnisses am besten berücksichtige und der im Einzelfall tatsächlich bezahlte Mietzins gleichzeitig den Ertrag des Objekts bilde. Wegen der Maßgeblichkeit des Ertrags des Objekts und wegen dessen konkreter Vermietung komme weder die Anwendung des Vergleichswertverfahrens in Betracht noch bedürfe es der Anwendung eines weiteren Wertermittlungsverfahrens. Nicht nur diese Ausführungen, sondern auch die weitere gutachterliche Argumentation, die festgestellten Mängel seien geringfügig und würden keinen Abschlag rechtfertigen, Lage und Zustand der Wohnung seien nicht entscheidend, weil nicht der marktübliche, sondern der konkret erzielte Mietzins der Ertragswertberechnung zugrunde zu legen sei, und auch das Vorhandensein der Terrasse verändere den Mietzins und daher auch den Ertragswert nicht, überging aber das Rekursgericht bei seiner Reduzierung des Verkehrswerts um immerhin zehn Prozent. Dies obwohl am Sachverhalt (geringfügige Mängel, darunter Schimmelbildung, Lage der Wohnung bei Fehlen eines Lifts und Vorhandensein von Terrassen und Kellerabteil) keine Änderung eintrat. Daher ist ein Abgehen von der vom Sachverständigen (ausdrücklich dennoch) gewählten Methode zur Wertermittlung nach dem Ertragswert unter Berücksichtigung von Umständen, die dessen Grundlage im konkreten Fall nicht beeinflussen, nicht gerechtfertigt.

Das bedarf einer Korrektur durch Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses hinsichtlich des Verkehrswerts der Wohnung des Drittantragstellers von 90.700 EUR, der dem Gutachten des Sachverständigen folgend festgesetzt wurde.

3. Auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens kommt es daher gar nicht an, sodass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.

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