Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird in Ansehung der Zurückweisung des Antrags, dem Gerichtskommissär die Ausfolgung von Geld aufzutragen (Punkt 2. der erstinstanzlichen Entscheidung), mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und werden die Beschlüsse der Vorinstanzen im restlichen Umfang (Punkt 1. der erstinstanzlichen Entscheidung) aufgehoben.
Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.
Text
Begründung
Die beiden Minderjährigen gaben aufgrund des Testaments ihres am 1. 1. 2006 verstorbenen außerehelichen Vaters eine bedingte Erbserklärung ab, die vom Verlassenschaftsgericht angenommen wurde. In diesem Testament wurde die Mutter der Minderjährigen mit mehreren Legaten bedacht.
Die Minderjährigen beantragten als Erben und Vertreter des Nachlasses nach ihrem Vater die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zur Klagsführung gegen ihre Mutter wegen Feststellung der Unwirksamkeit von Legaten, Herausgabe eines Pkws und Zahlung eines Betrags von 15.000 EUR als Rückersatz von Erträgnissen einer Liegenschaft. Das Streitinteresse wurde mit mehr als 940.000 EUR bewertet. Weiters wurde beantragt, dem Gerichtskommissär aufzutragen, die mit der Klage zu entrichtende Pauschalgebühr von 12.976,77 EUR einem der Kollisionskuratoren zu überweisen. Begründet wurde die geplante Klagsführung im Wesentlichen damit, dass den Legaten ein Motivirrtum zugrunde liege. Das Motiv des Erblassers für die Zuwendungen sei darin gelegen gewesen, dass die Mutter der Minderjährigen seine Lebenspartnerin sei. Die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (5. 9. 2003) bestandene Lebenspartnerschaft sei jedoch am 15. 4. 2005 aufgehoben worden. Der Verstorbene habe kurz vor seinem Tod gegenüber Dritten erklärt, dass seiner ehemaligen Lebenspartnerin nichts aus dem Nachlass zustehen solle.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Klagsgenehmigung ab und jenen auf Überweisung der Pauschalgebühr zurück. Im Hinblick auf die geringen Erfolgsaussichten der Klage, den hohen Streitwert und die damit verbundenen hohen Prozesskosten sowie die zu erwartenden rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten, aufgrund derer mit einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen sei, könne eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erteilt werden. Die Anordnung zur Auszahlung von Beträgen an den Gerichtskommissär des Verlassenschaftsverfahrens falle nicht in die sachliche Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Der beabsichtigten Klagsführung könnten zwar - wegen der im Testament erfolgten ausdrücklichen Bezeichnung der Mutter der Minderjährigen als „Lebenspartnerin" - Erfolgschancen nicht abgesprochen werden; ausschlaggebend für die Verweigerung der Klagsführung sei jedoch, dass kein Grund ersichtlich sei, der die Führung eines Aktivprozesses durch die Kinder namens der Verlassenschaft gegen ihre Mutter zur Prüfung der Gültigkeit der Legate erfordern würde. Die Geltendmachung der Ansprüche aus den Legaten stünde einer Einantwortung nicht entgegen, vielmehr würde die beabsichtigte Klagsführung zu einer weiteren erheblichen Verzögerung des Verlassenschaftsverfahrens führen. Schon im Hinblick darauf erscheine unter Berücksichtigung des Verfahrensstands und im Sinne einer raschen Verfahrensbeendigung auch die weiters begehrte Klagsführung der Verlassenschaft wegen Rückgabe eines Pkws und Zahlung von 15.000 EUR nicht zielführend, zumal derzeit auch noch keine Verjährung der Ansprüche drohe.
Rechtliche Beurteilung
Der von den Minderjährigen dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist im Umfang der Anfechtung der Zurückweisung des Antrags, dem Gerichtskommissär die Ausfolgung von Geld aufzutragen, unzulässig; im Übrigen ist er zulässig und mit seinem Aufhebungsbegehren berechtigt.
Die Revisionsrekurswerber machen als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Rekursgericht insofern von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, als die Entscheidung nicht „auf Grundlage des Kindeswohls" erfolgt sei. Durch die Verneinung der Notwendigkeit der Führung eines Aktivprozesses werde nämlich eine Rechtsunsicherheit zum Nachteil des Kindeswohls prolongiert. Wenn das Rekursgericht die Minderjährigen hinsichtlich der bereits im Besitz ihrer Mutter befindlichen Sach- und Vermögenswerte auf den erst bevorstehenden Ablauf der Verjährungsfrist „vertröste", so sei dies weder mit der Maxime des Kindeswohls in Einklang zu bringen, noch mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch, dass ein entsprechender Antrag auch einer pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung zuzuführen sei. Im Übrigen liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil die Verfahrensbeteiligten keine Gelegenheit gehabt hätten, sich zur überraschenden Rechtsmeinung des Rekursgerichts zu äußern.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
1. Bei Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage ist nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht, sondern vielmehr unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozessrisiko abzuwägen. Maßgebend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde. Zu prüfen ist, ob die konkret zu beurteilende Klage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird. Das Pflegschaftsgericht hat eingehend zu prüfen, ob die beabsichtigte Klagsführung im wohlverstandenen Interesse des Pflegebefohlenen liegt oder daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vermögensnachteil droht, etwa durch Belastung mit Prozesskosten. Eine abschließende Beurteilung der Tat- und Rechtsfrage ist nicht vorgesehen (1 Ob 6/08a mwN).
2. Streitigkeiten zwischen Vermächtnisschuldner und Vermächtnisnehmer sind dem streitigen Rechtsweg vorbehalten (EFSlg 52.881). Daran hat auch das In-Kraft-Treten des AußStrG nF nichts geändert (EFSlg 113.065). Eine allfällige Belastung der Minderjährigen mit Prozesskosten käme auch im Falle ihrer Beklagtenstellung in Betracht. Den Revisionsrekurswerbern ist daher zuzugeben, dass die Abstandnahme von der Führung eines Aktivprozesses zur Prüfung der Gültigkeit der Legate die Problematik lediglich hinausschieben würde. Zur Beurteilung des gegenständlichen Antrags bedarf es daher der eingehenden Prüfung des Prozessrisikos - unabhängig von der Parteirolle der Minderjährigen.
3. Gemäß § 572 ABGB bleibt eine (letztwillige) Verfügung gültig, auch wenn der vom Erblasser angegebene Beweggrund für falsch befunden wird, außer es wäre erweislich, dass der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht habe.
Im Hinblick auf die Wortfolge „einzig und allein" werden von der Rechtsprechung an den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Motiv und Erklärung besonders strenge Anforderungen gestellt. Entgegen der überwiegenden Lehre, die den einfachen Kausalzusammenhang genügen lässt, wird von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der „Nachweis der Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrunds" gefordert; zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv - als nicht ausschließbar - übrig bleiben. Die hA hält es dabei für irrelevant, ob der die Anfechtung ermöglichende Beweggrund in der Verfügung genannt ist oder nicht; das heißt, dass auch ein Irrtum über einen nicht angegebenen Beweggrund zur Anfechtung führen kann. Die Beweislast für das Vorliegen eines relevanten Motivirrtums und für den angeführten strengen Kausalzusammenhang trifft nach den allgemeinen Beweislastregeln denjenigen, der die Wirksamkeit der Verfügung bekämpft; im Zweifel hat die Verfügung - auch iSd favor testamenti - aufrecht zu bleiben. Setzt etwa der Testator seine Ehegattin zur Erbin ein, so führt eine spätere Scheidung nicht eo ipso zur Unwirksamkeit der Erbseinsetzung aufgrund eines Motivirrtums, da sowohl für die Testamentserrichtung als auch für die Erbseinsetzung weitere Motive als dasjenige des Aufrechtbleibens der Ehe nicht auszuschließen sind (10 Ob 2/06a mwN = NZ 2007/75).
4. Im vorliegenden Fall bezeichnen die Revisionsrekurswerber in ihrem Klagsentwurf die „Lebenspartnerschaft" - wegen der Anführung ihrer Mutter als „Lebenspartnerin" - als einzigen Beweggrund des Erblassers für die Vermächtnisse zugunsten der Genannten. Dies werde besonders dadurch deutlich, dass im Punkt 2. des Testaments hervorgehoben werde, dass der Erblasser „in Lebenspartnerschaft" mit ihr lebe. Schließlich habe der Verstorbene auch noch kurz vor seinem Tod Dritten gegenüber unmissverständlich bekundet, dass seiner vormaligen Lebenspartnerin - aufgrund verschiedenster Verhaltensweisen - nichts aus seinem Nachlass zukommen sollte, und habe er in diesem Sinn ein „neues Testament" errichten wollen.
Punkt 2. des Testaments vom 5. 9. 2003 lautet: „Ich stelle fest, dass ich geschieden bin und dass ich aus dieser Ehe eine Tochter namens ... habe. Ich lebe in Lebenspartnerschaft mit ... und habe mit dieser die beiden Zwillingskinder ..."
Im Punkt 3. werden dann diese beiden Kinder zu gleichen Teilen zu „Erben meines gesamten Nachlassvermögens, soweit ich hierüber in dieser Anordnung nicht gesondert verfüge", eingesetzt.
Aus dem Gesamtzusammenhang stellt sich die Bezugnahme auf die Lebenspartnerschaft daher nur als Erläuterung der Familienverhältnisse dar und offenbart auch bei großzügiger Auslegung keine Ausschließlichkeit des Motivs der aufrechten Lebensgemeinschaft für die Zuwendung. Zumindest kann mit der zitierten Formulierung im Testament allein kein Nachweis der Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrunds geführt werden.
5. Einer näheren Prüfung bedürfen allerdings die - behaupteten - Umstände, dass der Verstorbene seiner ehemaligen Lebenspartnerin aufgrund der im Klageentwurf im Punkt 2.6 näher bezeichneten Verhaltensweisen letztlich nichts mehr habe zuwenden wollen, und dass er kurz vor seinem Tod ein „neues Testament" errichten wollte. Daraus können Hinweise abgeleitet werden, dass das Bestehen einer aufrechten Lebensgemeinschaft schon ursprünglich ausschließliches Motiv für die Zuwendung gewesen sein mag. Der Klageentwurf enthält in seinem Punkt 2.7 zu all dem auch Beweisanbote. Das Erstgericht wird sich mit der Motivfrage - zwecks Beurteilung, ob die beabsichtigte Klage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein könnte - näher auseinanderzusetzen und sich einen genaueren Überblick über den Sachverhalt und dessen Beweisbarkeit zu verschaffen haben, etwa durch Einsicht in die angebotenen Beweismittel und Einvernahme von Auskunftspersonen, ohne aber die Beweisaufnahme des angestrebten Verfahrens vorwegzunehmen (Stabentheiner in Rummel3 §§ 154, 154a ABGB Rz 16). Erst danach wird das Erstgericht im Zuge einer umfassenden rechtlichen Würdigung die Erfolgsaussichten einigermaßen verlässlich einschätzen und neuerlich über den Antrag auf Klagegenehmigung absprechen können.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher in Bezug auf die Frage der Genehmigung der Klagsführung aufzuheben und ist dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
6. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen enthält - ebenso wie ihr gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobener Rekurs - keine Begründung, warum eine Anordnung, dem Gerichtskommissär die Ausfolgung von Geld aufzutragen, doch in die sachliche Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts fallen sollte. Insoweit ist das außerordentliche Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt, weshalb es in diesem Punkt wegen des Fehlens von erheblichen Rechtsfragen zurückzuweisen ist (§ 62 Abs 1 iVm § 71 Abs 3 AußStrG).
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