Spruch:
In - beim Angeklagten Ivan C***** teilweiser - Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen - demnach im Schuldspruch II sowie in den Mario A***** betreffenden Teilen der Schuldsprüche III und IV, in der Verweisung der Privatbeteiligten B***** GmbH auf den Zivilrechtsweg und im Ausspruch nach § 263 Abs 2 StPO - unberührt bleibt, im Schuldspruch I, sowie in den Ivan C***** betreffenden Teilen der Schuldsprüche III und IV, demnach auch im Strafausspruch hinsichtlich beider Angeklagter sowie der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Ivan C***** zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft, mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte Ivan C***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mario A***** und Ivan C***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB (I), (richtig:) der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach §§ 159 Abs 1 und Abs 2 iVm Abs 5 Z 3, 4 und 5 und 161 Abs 1 StGB (II und III) sowie des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach haben in Wien Mario A***** als eingetragener und Ivan C***** als faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH
I. Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft, und zwar
1. von Anfang August 2004 bis Anfang Februar 2005 in mehreren Angriffen insgesamt 317.900 Euro, indem Mario A***** diese Beträge vom Firmenkonto behob und Ivan C***** übergab, der sie „nur teilweise" für Unternehmenszwecke verwendete;
2. Ende 2004 bis Anfang 2005 „Büroeinrichtungen und einen PC im Gesamtwert von zumindest 1.000 Euro durch Verbringung der Putzmaschinen und der Büroeinrichtung an einen unbekannten Ort sowie durch Übertragung des PCs an die K***** GmbH",
wodurch die Befriedigung der B***** GmbH und zahlreicher anderer Gläubiger zumindest geschmälert und durch die Tat ein 50.000 Euro übersteigender Schaden herbeigeführt wurde;
II. von Herbst 2003 bis Ende September 2004 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft dadurch herbeigeführt, dass sie durch Abschluss eines Leasingvertrags über einen PKW der Marke Audi A 8 Quattro übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen des Unternehmens in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand betrieben, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2003, zu dessen Erstellung das Unternehmen verpflichtet war, zu erstellen unterließen und Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens erheblich erschwert wurde;
III. von Anfang Oktober 2004 bis Februar 2005 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft grob fahrlässig die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zumindest geschmälert, indem sie den unter II/1 beschriebenen Leasingvertrag aufrecht hielten sowie weiterhin Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens erheblich erschwert wurde;
IV. von September 2004 bis Februar 2005 als Dienstgeber in zahlreichen Angriffen Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung für die Beitragsmonate August 2004 bis Jänner 2005 im Gesamtbetrag von 11.302,78 Euro einbehalten und der Wiener Gebietskrankenkasse vorenthalten, indem sie diese Gelder für andere Zwecke verwendeten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ivan C*****, die teilweise im Recht ist. Die gegen den Schuldspruch I gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mario A***** ist ebenfalls berechtigt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mario A*****:
Zutreffend reklamiert die Mängelrüge unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Urteilsannahmen zu einem auf Verringerung des Gesellschaftsvermögens und auf Gläubigerschädigung gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (Schuldspruch I/1 und 2). Die auf die bekämpften Konstatierungen (US 22 iVm US 24) bezogene Begründung verweist zunächst auf „bisherige Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung" (US 39), in der aber neben einer weitwendigen Wiedergabe der Aussagen der Angeklagten und Zeugen (US 26 bis 32) bloß Überlegungen zu „auffallender Sorglosigkeit" und „Nachlässigkeit" des Beschwerdeführers und dazu, dass „der für die Gesellschaftsgläubiger eingetretene Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehbar gewesen" sei, angestellt wurden (US 34 f). In Betreff des Schuldspruchs I/2 bezogen sich die Tatrichter zudem auf „AS 99 in Band II" (US 39)", welcher Aktenstelle diesbezüglich ebenso wenig zu entnehmen ist.
Damit erschöpft sich die Beweiswürdigung in der Formulierung „die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ... sind darüber hinaus aus dem objektiven Tatgeschehen zwanglos abzuleiten" (US 39). Zwar ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Stimmen aber mit Bezug zu einer entscheidenden Tatsache die Beweisergebnisse nicht überein, ist bei sonstiger Unvollständigkeit (Z 5 vierter Fall) der Grund anzugeben, warum die der getroffenen Feststellung widerstreitenden Beweisergebnisse nicht überzeugen konnten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425).
Ob oder aus welchen Gründen die Tatrichter der Verantwortung des Beschwerdeführers, der sich zwar zu grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen schuldig bekannt und Kenntnis von der Verbringung der Büroeinrichtung zugegeben (S 33 in ON 40/III), vorsätzliche Verringerung des Vermögens des Unternehmens und eine dadurch bewirkte Gläubigerschädigung jedoch stets bestritten und mehrfach beteuert hatte, Ivan C***** die inkriminierten Bargeldbeträge im Vertrauen auf deren Verwendung zur Befriedigung der Unternehmensgläubiger übergeben zu haben (S 29 ff in ON 40/III), ist den Entscheidungsgründen jedoch - wie die Mängelrüge zutreffend aufzeigt - nicht zu entnehmen.
Damit leidet das Urteil im betroffenen Teil unter zutreffend geltend gemachter Nichtigkeit aus Z 5 zweiter Fall; auf das weitere Vorbringen der Beschwerde musste somit nicht eingegangen werden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ivan C*****:
Unmittelbarer Täter iSd §§ 156 und 159 StGB kann nur sein, wer selbst Schuldner (im Falle des § 156 StGB: mehrerer Gläubiger) oder nach Maßgabe des § 161 Abs 1 StGB dessen leitender Angestellter (wie hier:
der de-facto-Geschäftsführer; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 161 [2006] Rz 13) ist, Subjektsqualität nach § 153c Abs 1 und 2 StGB kommt - soweit hier von Interesse - nur jenen natürlichen Personen zu, die dem zur Vertretung befugten Organ angehören, also zB dem (eingetragen wie auch dem faktischen) Geschäftsführer einer GmbH (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153c [2006] Rz 4 ff). Andere Personen kommen mangels der das Unrecht bestimmenden Subjektsqualität (§ 14 Abs 1 StGB) nur als Bestimmungs- oder Beitragstäter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB in Betracht (vgl dazu Kienapfel/Höpfel AT12 E 7 Rz 4 und 10; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 159 [2006] Rz 92 f), für welche Annahme im Urteil aber Feststellungen fehlen. Der Schuldspruch des unmittelbaren Täters wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida ist zudem nach dem Vorgesagten mit Nichtigkeit nach Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO behaftet. Zutreffend reklamiert die Mängelrüge (Z 5 letzter Fall) in Betreff der Schuldsprüche I, III und IV, dass bei Begründung der solcherart entscheidenden Tatsache, wonach Ivan C***** auch nach Eintritt des Marinko S***** in das Unternehmen im Juni 2004, sohin nach Beginn des von den genannten Schuldsprüchen umfassten Tatzeitraums, weiterhin als faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH fungierte, eine angebliche Aussage des Zeugen Franz J***** berücksichtigt wurde, die nach dem maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls dessen Depositionen gar nicht zu entnehmen ist. Sie stammt vielmehr vom - nicht unter Wahrheitspflicht stehenden - Erstangeklagten (S 235 in ON 70/III).
Die von den Tatrichtern getroffene Aussage, die - damit aktenwidrig zitierten - Angaben des Zeugen würden die „Schlussfolgerungen des Schöffensenats eindrucksvoll untermauern" (US 33), zeigt tatsächlich auf, dass sie bei der Beurteilung der diesbezüglich leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers als unglaubwürdig eine gar nicht getätigte Aussage eines Zeugen in Anschlag gebracht haben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese die Beweiswürdigung in Betreff einer entscheidenden Tatsache zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst hat, sodass der von der Mängelrüge zutreffend aufgezeigte Widerspruch als erheblich anzusehen ist und das Urteil im betroffenen Teil unter Nichtigkeit aus Z 5 letzter Fall leidet. Dass die Aussage des Zeugen Drago T***** in den Entscheidungsgründen bloß (teilweise) wiedergegeben, einer beweiswürdigenden Beurteilung aber nicht unterzogen wurde (US 32), obwohl darin Indizien für die Richtigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers, nicht er sondern Marinko S***** habe die Geschäfte der H***** GmbH ab Juni 2004 de facto geführt, erblickt werden könnten (Z 5 vierter Fall), trifft ebenfalls zu.
Soweit sich das besprochene Vorbringen der Mängelrüge inhaltlich auch gegen den Schuldspruch II richtet (vgl BS 7), der kridaträchtiges Handeln ab Herbst 2003 umfasst, werden damit keine entscheidenden Tatsachen angesprochen. Der Beschwerdeführer lässt außer Acht, dass - insoweit unbekämpft - Ursache für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens auch im Zeitraum von Herbst 2003 bis Juni 2004 gesetzte kridaträchtige Handlungen (nach Abs 5 Z 4 und 5 des § 159 StGB) waren (vgl zur für die Tatbestandserfüllung genügenden Mitverursachung Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 159 [2006] Rz 70). Dass der Angeklagte ab Unternehmensgründung bis zumindest Juni 2004 als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte, konnten die Tatrichter aber auf dessen diesbezüglich geständige Verantwortung stützen (US 29 f, S 47 in ON 40/III), sodass selbst der Wegfall seiner Stellung als leitender Angestellter des Unternehmens (§ 309 StGB) ab Juli 2004 und damit der Entfall einer einzelnen Tathandlung (hier nach Abs 5 Z 3) weder den Schuldspruch oder die Subsumtion der begangenen Tat noch den angewendeten Strafsatz in Frage stellen würde (RIS-Justiz RS0113145; RS0095434). Insoweit ist lediglich die bloß im Rahmen der Strafbemessung aktuelle Intensität der Tatbegehung betroffen (vgl dazu Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 159 [2006] Rz 111). Für den Fall, dass die Tatrichter des zweiten Rechtsgangs faktische Geschäftsführerstellung des Beschwerdeführers ab Juli 2004 nicht für gegeben annehmen, wäre dieser Umstand demnach bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).
Die oben aufgezeigten Begründungsmängel führen dagegen zur Aufhebung des Urteils im beide Angeklagten betreffenden Schuldspruch I, in den den Zweitangeklagten betreffenden Schuldsprüchen III und IV und demzufolge auch im Strafausspruch samt davon abhängigem, nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasstem Widerrufsbeschluss bereits bei nichtöffentlicher Beratung und Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO). Die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie die Beschwerde des Erstangeklagten sind damit gegenstandslos. Anzumerken bleibt, dass die Tatrichter des zweiten Rechtsgangs für den Fall der Verneinung einer De-facto-Geschäftsführung durch Ivan C***** im Zeitraum ab Anfang August 2004 zu beurteilen haben werden, ob das vom bisherigen Schuldspruch I umfasste Verhalten des Zweitangeklagten als Beteiligung am Verbrechen der betrügerischen Krida iSd § 12 zweiter oder dritter Fall StGB zu beurteilen ist oder - bei Nichterweislichkeit zumindest objektiv tatbestandsmäßigen Verhaltens des unmittelbaren Täters - allenfalls die Voraussetzungen für die Unterstellung unter eine andere strafbare Handlung (allenfalls Betrug oder Veruntreuung zum Nachteil der H***** GmbH [I/1] oder Veruntreuung oder Diebstahl [I/2]) vorliegen. Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO (vgl dazu Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).
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