OGH 5Ob208/08m

OGH5Ob208/08m4.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Anna B*****, vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Mag. Veronika S*****, 2.) Dr. Fritz H*****, vertreten durch Dr. Friedrich Fuchs, Rechtsanwalt in Wien, unter Beteiligung der übrigen Mieter des Hauses, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juni 2008, GZ 40 R 98/08w‑68, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. Februar 2008, GZ 54 Msch 1/06h‑63, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verbindung mit dem Verfahren 54 Msch 13/07z aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens und des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnung Top Nr. 9A im Haus *****, das im Eigentum der beiden Antragsgegner steht.

Am 2. 6. 2005 leitete sie ein Verfahren nach § 6 Abs 1 MRG bei der zuständigen Schlichtungsstelle ein. Soweit noch verfahrensrelevant richtet sich ihr Begehren auf Austausch von fünf Kastenfenstern ihrer Wohnung, die erheblich schadhaft und nicht mehr reparierbar seien.

Die Schlichtungsstelle trug den Antragsgegnern die Instandsetzung bzw Erneuerung der Außenfenster auf.

Dagegen riefen die Antragsgegner fristgerecht das Gericht an und wendeten ua ein, die Mietzinsreserve sei durch umfangreiche Investitionen der letzten zehn Jahre negativ und aus den Mieterlösen der nächsten zehn Jahre sei eine Kostendeckung der Instandhaltungsarbeiten nicht zu erwarten. Schon im Abziehungsantrag begehrten sie die Verbindung des Verfahrens mit einem § 18 MRG‑Verfahren, dass damals allerdings noch nicht eingeleitet war.

Am 16. 3. 2006 begehrten die Antragsgegner die Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß § 18 MRG, führten eine Reihe von Instandhaltungsarbeiten an, beantragten die Verbindung der beiden Verfahren gemäß § 6 Abs 4 MRG, wobei allerdings ausdrücklich die Sanierung der Fenster der Wohnung Top Nr. 9A nicht einbezogen wurde. Die Antragsteller vertraten die Ansicht, es handle sich dabei nicht um einen ernsten Schaden des Hauses; die Fenster seien von der Antragstellerin zu erhalten.

Die Antragstellerin hat bereits in ihrer Stellungnahme ON 9 die Vorlage eines Kostenvoranschlags für die Fenstersanierung zur Einbeziehung in ein Verfahren nach § 18 MRG gefordert, in der Folge darauf hingewiesen, dass die Antragsgegner die Fenstersanierung gar nicht durchführen wollten und neuerlich die Vorlage eines Kostenvoranschlags urgiert (ON 14).

Über Aufforderung erklärten sich die Antragsgegner dann am 5. 5. 2007 (ON 39) bereit, den Austausch der Außenfenster vornehmen zu lassen. Diese Erklärung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 25. 6. 2007 wiederholt, nachdem im Verfahren durch ein Sachverständigengutachten die Notwendigkeit des Austauschs der gegenständlichen Fenster festgestellt worden war.

Im Schriftsatz vom 10. 7. 2007 (ON 45) sind im Gesamterfordernis auch die verfahrensgegenständlichen Erhaltungsarbeiten erwähnt, die laut Sachverständigengutachten einen Kostenaufwand von 5.000 EUR ohne USt rechtfertigen. Die Antragsgegner beantragten, „diese Arbeiten vor dem Hintergrund unseres Antrags gemäß § 6 Abs 4 und § 18 MRG - erst nach der Genehmigung der Erhöhung der Mietzinse durchführen zu müssen".

Das Erstgericht wies mit Teilsachbeschluss die Anträge der Antragsgegner auf Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18, 18a MRG mangels Schlüssigkeit ab, weil die Antragsgegner nicht sämtliche erforderlichen Unterlagen vorgelegt hätten.

Einem dagegen von den Antragsgegnern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und hob mit Beschluss vom 20. 11. 2007, GZ 40 R 258/07y‑54, den erstinstanzlichen Teilsachbeschluss auf.

Zulässigerweise hätten die Antragsgegner zwar das Verfahren nach § 18 MRG im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 6 MRG bei Gericht eingeleitet (vgl 5 Ob 5/04b), doch habe sich der verfahrenseinleitende Antrag nach § 18 MRG samt den dazu vorgelegten Kostenvoranschlägen nicht auch auf die im Verfahren nach § 6 MRG beantragten Erhaltungsarbeiten (Fensteraustausch) bezogen. Unter diesem Aspekt weise der auf Mietzinserhöhung nach § 18 MRG gerichtete Antrag entgegen der Ansicht des Erstgerichts das gebotene inhaltliche Erfordernis auf, sodass dieses Verfahren getrennt vom Verfahren auf Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten weiterzuführen sei. Die begehrte Mietzinserhöhung diene nicht zur Finanzierung der im führenden Verfahren gegenständlichen Erhaltungsarbeiten.

Daraufhin trennte das Erstgericht die Verfahren nach § 18 MRG einerseits, welches zu 54 Msch 13/07z fortgeführt wurde, und das gegenständliche Verfahren zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG.

Die Antragsgegner beantragten nunmehr erneut eine Verbindung des von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahrens zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten mit dem Verfahren auf Erhöhung der Mietzinse gemäß § 18 MRG im Verfahren 54 Msch 13/07z. Sie seien bereit, im Umfang des gerichtlichen Gutachtens die Außenfenster zu erneuern, wenn die dafür erforderliche Erhöhung der Mietzinse vom Gericht genehmigt werde. Begehrt wurde daher, den auf § 6 Abs 1 MRG gerichteten Antrag abzuweisen.

Das Erstgericht trug daraufhin den Antragsgegnern im Verfahren 54 Msch 1/06h den Austausch der fünf Kastenfenster in der Wohnung der Antragstellerin als notwendige Erhaltungsarbeit binnen acht Wochen auf. Entgegen der Vorschrift des § 6 Abs 4 MRG hätten die Antragsgegner die Instandsetzungsarbeiten an den Fenstern der Wohnung Top Nr. 9A nicht in ihr Mietzinserhöhungsbegehren nach § 18 MRG einbezogen. Deshalb sei ihnen die notwendige Erhaltungsarbeit, konkret der Austausch der fünf Kastenfensterelemente, unabhängig vom Mietzinserhöhungsverfahren aufzutragen.

Einem dagegen von den Antragsgegnern erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge.

Es teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass die Antragsgegner keinen Antrag auf Mietzinserhöhung nach § 18 MRG gestellt hätten, der auch die verfahrensgegenständlichen Arbeiten zum Fensteraustausch beinhaltet hätte. Zufolge § 19 Abs 1 Z 1 MRG hätte ein Kostenvoranschlag in dreifacher Ausfertigung vorgelegt werden müssen. Deshalb scheide eine Mietzinserhöhung, die auch diese Arbeiten als Erhaltungsarbeiten finanziere, aus. Aus eben diesem Grund bestehe aber auch keine Pflicht zur Verbindung des Verfahrens nach § 6 MRG mit jenem nach § 18 MRG. Im Verfahren nach § 18 MRG hätten die Antragsgegner bloß darauf hingewiesen, dass der Finanzierungsbedarf der von ihnen geplanten Arbeiten im Fall einer Durchführung der Fensterarbeiten noch um weitere 5.000 EUR geschmälert (richtig: erhöht) werde. Dadurch bleibe letztendlich das ursprüngliche Begehren der Antragsgegner, den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten abzuweisen, aufrecht. Dieses Begehren hätten die Antragsgegner noch im Schriftsatz ON 58 wiederholt.

Betrachte man aber die von der Antragstellerin begehrten Erhaltungsarbeiten losgelöst von jenen, die Gegenstand des Verfahrens nach § 18 MRG seien, so seien diese durch die Einnahmen allein im Kalenderjahr 2007 gedeckt. Nur in Verbindung mit den übrigen Arbeiten wären die Kosten der Fensterreparatur endgültig nicht gedeckt.

Das Erstgericht habe zu Recht keine Verbindung der Verfahren nach § 6 Abs 4 MRG vorgenommen, weil die Antragsgegner stets die Erhaltungsarbeiten an den Fenstern der Antragstellerin aus dem Verfahren nach § 18 MRG ausdrücklich ausgenommen hätten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Möglichkeit einer Verneinung einer Verbindungspflicht nach § 6 Abs 4 MRG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Verbindung des Antrags auf Durchführung der Erhaltungsarbeiten mit dem Verfahren über den Antrag auf Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18 MRG. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist auch im Sinn des ihm gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Die von den Antragsgegnern gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts vorgebrachten Argumente lassen sich dahin zusammenfassen, dass § 6 Abs 4 MRG dem Vermieter die Möglichkeit eröffne, in dem zur Durchsetzung seiner Erhaltungspflicht bereits anhängigen Verfahren über nicht vorweg aufzutragende Erhaltungsarbeiten einen Antrag auf Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18 MRG zur Finanzierung unmittelbar heranstehender Erhaltungsarbeiten zu stellen und damit die Erschöpfung des Deckungsfonds und die Notwendigkeit einer Erhöhung der Hauptmietzinse zur Finanzierung der bereits verfahrensgegenständlichen und der von ihm beabsichtigten anderen unmittelbar heranstehenden Erhaltungsarbeiten darzutun. Dann habe das Gericht die beiden Verfahren zu verbinden und nach § 6 Abs 4 MRG in Erledigung beider Sachanträge dahin zu entscheiden, dass mit der Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses der Auftrag zur Vornahme sämtlicher Erhaltungsarbeiten, auch jener, die vom Mieter im Verfahren nach § 6 MRG verlangt wurden, verbunden werde. Dazu sei es keineswegs erforderlich, dem verfahrenseinleitenden Antrag nach § 18 MRG auch einen Kostenvoranschlag über die vom Mieter verlangten Erhaltungsarbeiten anzuschließen, insbesondere dann nicht, wenn - wie hier - sich die darauf bezüglichen Kosten aus einem Sachverständigengutachten ergäben. Außerdem hätten sie den Erhaltungsarbeiten nach § 18 MRG ohnedies die Kosten der verfahrensgegenständlichen Arbeiten (in ON 45) bei Berechnung des Deckungserfordernisses hinzugerechnet.

Im Wesentlichen ist den Darlegungen des Revisionsrekurses zu folgen.

Von der Regel des § 39 Abs 1 MRG abweichend räumt § 6 Abs 4 MRG dem Vermieter die prozessuale Möglichkeit einer unmittelbaren Antragstellung nach § 18 MRG bei Gericht - ohne vorherige Einschaltung einer Schlichtungsstelle - ein, wenn die Erhöhung der Hauptmietzinse erforderlich ist, um die Kosten der vom Mieter verlangten Erhaltungsarbeiten und der vom Vermieter darüber hinaus noch beabsichtigten, unmittelbar heranstehenden weiteren Erhaltungsarbeiten zu decken, sofern es sich dabei nicht um „privilegierte", also vorweg aufzutragende Erhaltungsarbeiten handelt (vgl 5 Ob 260/02z = wobl 2003/189; 5 Ob 5/04b). Das mit einem Antrag zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten befasste Gericht hat dann zufolge § 6 Abs 4 letzter Satz MRG die Entscheidung über den Antrag des Mieters auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten mit der Entscheidung über die Bewilligung der Einhebung erhöhter Hauptmietzinse zu verbinden (5 Ob 105/02f = immolex 2003/84 [krit Kovanyi]; 5 Ob 260/02z; vgl 5 Ob 240/02h = SZ 2002/136). Eine solche Verbindungspflicht besteht nur dann nicht, wenn der Vermieter die Notwendigkeit einer Erhöhung der Hauptmietzinse zur Finanzierung der schon verfahrensgegenständlichen und der von ihm beabsichtigten anderen Erhaltungsarbeiten nicht schlüssig darlegen kann. Nur dann (oder im Fall von privilegierten Arbeiten) ist eine Beschlussfassung nach § 6 Abs 1 MRG ohne Verbindung mit einer Entscheidung über die Erhöhung der Hauptmietzinse zulässig (vgl 5 Ob 105/02f).

Wird kein Widerspruch von der Mehrheit der Hauptmieter und dem Vermieter gegen die beantragten Arbeiten im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 1 MRG erhoben, verbleibt dem Vermieter als einzige Möglichkeit zur Abwendung der Finanzierung der verlangten Erhaltungsarbeiten aus verrechnungsfreien Geldern die Antragstellung nach den §§ 18 ff MRG (vgl 5 Ob 298/00k = wobl 2001/124), wobei eben diesfalls die Verfahren zu verbinden sind (vgl LGZ Wien MietSlg 36.258) und noch weitere Erhaltungsarbeiten mit einbezogen werden können. Es ist dem Vermieter aber verwehrt, ohne ein solches Vorgehen die Abweisung des Antrags nach § 6 Abs 1 MRG mit dem Argument, dass noch weitere Arbeiten erforderlich wären, zu erwirken (vgl MietSlg 36.252; LGZ Wien MietSlg 36.257/60; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 14 zu § 6 MRG).

Wenn also die Antragsgegner im Verfahren mehrfach die Abweisung des Antrags nach § 6 Abs 1 MRG begehrten und eine Verbindung mit der Entscheidung über die Bewilligung der Erhöhung der Hauptmietzinse beantragten (zuletzt am 10. 1. 2008 ON 58), wurde damit die gesetzlich vorgesehene Vorgangsweise eingefordert, mag auch der Wortlaut des Antrags auf Abweisung zu Missverständnissen Anlass gegeben haben. Richtig hätte wohl eine Stattgebung nur unter gleichzeitiger Mietzinserhöhung verlangt werden müssen.

Die nach dem Antrag der Mieterin durchzuführenden Erhaltungsarbeiten stehen hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und der dafür zu veranschlagenden Kosten ausreichend fest, um in das vom Vermieter eingeleitete Verfahren nach § 18 MRG eingebunden zu werden, womit der gesetzlichen Verbindungspflicht des § 6 Abs 4 letzter Satz MRG entsprochen werden kann. Ein Auftrag zur Vornahme der von der Antragstellerin begehrten Erhaltungsarbeiten (und der weiteren Erhaltungsarbeiten) ist dann zufolge § 19 Abs 2 MRG mit der Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses zu verbinden.

Dementsprechend wird das Erstgericht das gegenständliche Verfahren mit jenem nach § 18 MRG zu verbinden haben und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen zu haben.

Eine Aufhebung erweist sich damit als unumgänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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