OGH 5Ob298/00k

OGH5Ob298/00k28.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außersteitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. Ing. Robert E*****, 2. Renee E*****, 3. Janka H*****, 4. Hermine S*****, 5. Rudolf S*****, 6. Gertrude P*****, 7. Ingeborg K*****, alle*****, 1., 4., 6. und 7. Antragsteller vertreten durch Dr. Maria Wolf, Sekretärin des Österreichischen Mieter- und Wohnungseigentümerbundes, Falkestraße 3, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Dr. Elfriede B*****, vertreten durch Mag. Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 Abs 1 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. August 2000, GZ 41 R 227/00m-10, womit der Teilsachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 13. Februar 2000, GZ 4 Msch 154/99g-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft***** in*****, worauf sich ein Wohnhaus, bestehend aus vier Stiegen, befindet. Die erste Stiege dieses Hauses ist straßenseitig mit einem Aufzug ausgestattet.

Seit 20. 3. 1998 steht aufgrund einer Aufzugsüberprüfung durch den TÜV fest, dass die bereits am 5. 6. 1997 festgestellten Mängel des Lifts noch unbehoben sind, weshalb der Aufzug außer Betrieb genommen wurde.

Es handelt sich um folgende Mängel: Erhöhter Seilrutsch zwischen Tragseil und Keilnut der Treibscheibe, unzuverlässige Wegschaltung der Steuerung bei blockiertem Geschwindigkeitsbegrenzer, Aufsetzen des Gegengewichts beim Fahren in den oberen Noteinschalter, beginnende Verölung der Bremstrommel, unzuverlässige Wirkung des Besetzt-Lichtes bei der Erdgeschoßtür und Fehlen eines Schlüssels zum Triebwerksraum im Feuerschlüsselkästchen davor. Die Behebung dieser Mängel ist zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Aufzugsanlage notwendig, erfordert einen Sanierungsaufwand von ca S 70.000 und kann in etwa drei Wochen durchgeführt werden.

Die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen im bezeichneten Haus, sämtliche auf Stiege 1.

In einem auf § 6 Abs 1 MRG gegründeten Antrag begehrten die Antragsteller, der Antragsgegnerin die Instandsetzung des Aufzugs aufzutragen, weil sie trotz mehrerer Aufforderungen die Instandsetzungsarbeiten nicht durchgeführt habe, obwohl es sich um Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Bestandteilen des Hauses handle, deren Kosten aus der erzielten Mietzinsreserve zu decken seien.

Die Antragsgegnerin begehrte die Abweisung des Antrags. Die Mietzinsreserve weist ein Minus von über einer Milllion Schilling aus. Zudem müssten noch weit dringendere Reparaturen, wie die der Außenfenster, durchgeführt werden. Außerdem seien in der nächsten Zeit elektrische Sicherungsarbeiten durchzuführen. Auch zahlten die Mieter die ihnen vorgeschriebenen Mietzinse nicht. Wäre dies der Fall, könnte die Reparatur der Liftanlage in Angriff genommen werden.

Hinsichtlich der Mieter der Wohnungen top Nr 5 und 6 ist das Verfahren unterbrochen.

Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Beseitigung der feststehenden Mängel an der Liftanlage und setzte dafür eine Frist von vier Wochen. Die Erhaltungsverpflichtung resultiere aus § 3 Abs 2 Z 3 MRG. Die Antragsgegnerin habe zwar eingewendet, dass auch andere Erhaltungsarbeiten durchzuführen seien, habe diese aber nicht konkretisiert, bzw keine Behauptungen dahin aufgestellt, dass es sich dabei um vorweg durchzuführende Arbeiten im Sinn des § 3 Abs 3 Z 2 MRG handle. Für ihre Behauptung, dass die von den Mietern begehrten Arbeiten aus einem Mietzinsaktivum nicht gedeckt seien, habe die Antragsgegnerin keine geeigneten Beweise vorgelegt, nicht einmal die Abrechnungen nach § 20 und § 45 MRG.

Zwar handle es sich bei den gegenständlichen Instandsetzungsarbeiten nicht um privilegierte Arbeiten, doch sei der Vermieter nur dann nicht zur Durchführung der gegenständlichen Arbeiten verpflichtet, wenn er im Sinn des § 3 Abs 3 Z 1 MRG die Finanzierung auch nicht durch künftige Mietzinseinnahmen bewerkstelligen könne. Das bedeute, dass der Vermieter den Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG nur dadurch abwenden könne, dass er die Unwirtschaftlichkeit der Arbeiten einwende oder aber die Mehrheit der Mieter und der Vermieter der Vornahme der beantragten Arbeiten widersprächen. Ansonsten bestehe nur noch die Möglichkeit, zur Finanzierung die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses zu beantragen, welches Verfahren dann mit dem nach § 6 MRG zu verbinden sei. Die Bewilligung eines erhöhten Hauptmietzinses nach § 18 MRG zur Durchführung der beantragten Arbeiten habe die Antragsgegnerin aber nicht begehrt.

Ihr sei daher die Verpflichtung zur Durchführung der Arbeiten aufzuerlegen.

Einem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es erledigte zunächst eine Mängelrüge der Rekurswerberin mit dem Hinweis darauf, dass die "übrigen Hauptmieter" dem Verfahren zu Recht beigezogen worden seien, weil die Entscheidung unmittelbar rechtliche Bindungswirkung auch ihnen gegenüber entfalte. Dies unter Hinweis auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Im Weiteren führte das Rekursgericht aus, dass die Frage, ob und wie die nicht privilegierte Erhaltungsarbeit der Reparatur des Personenaufzugs finanziert werden könne, im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen sei. Gemäß § 6 Abs 4 MRG sei ein Antrag nach § 6 Abs 1 MRG dann abzuweisen, wenn zur Finanzierung einer nicht privilegierten Erhaltungsarbeit die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses nach §§ 18, 19 MRG erforderlich sei und die Mehrheit der Hauptmieter und der Vermieter der Vornahme der beantragten Arbeit widersprächen. Die mangelnde Deckung der Kosten (durch Mietzinsreserve und/oder zukünftige Mietzinseinnahmen) könnte nur im Fall des Widerspruchs der Mehrheit der Hauptmieter zur Abweisung des Antrags führen. Anonsten sei nur die Verbindung mit dem vom Vermieter zu stellenden Antrag auf Erhöhung der Hauptmietzinse vorgesehen. Stelle aber ein Vermieter keinen solchen Antrag, sei die mangelnde Kostendeckung bedeutungslos (Würth/Zingher Miet- und WohnR20 Rz 3 zu § 6 MRG).

Im vorliegenden Fall habe keiner der Mieter Widerspruch gegen die beantragten Erhaltungsarbeiten erhoben, schon deshalb sei die behauptete mangelnde Kostendeckung nicht zu prüfen. Das Rekursgericht lehnte die vom LGZ Wien in MietSlg 47.199 vertretene Ansicht ab, wonach im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG die Mietzinseinnahmen- und ausgaben der letzten 10 Jahren vor Antragstellung selbst dann zu prüfen seien, wenn die Mehrheit der Mieter keinen Widerspruch gegen die beantragten Erhaltungsarbeiten erhoben hätten. Ebensowenig sei im gegenständlichen Verfahren - ebenfalls mangels Widerspruchs der Mehrheit der Mieter - der Einwand beachtlich, dass eine Finanzierung der Erhaltungsarbeiten durch künftige Mietzinseinnahmen nicht möglich sei.

Zu Recht habe daher das Erstgericht der Antragsgegnerin die Durchführung der Liftreparatur aufgetragen, ohne zu prüfen, ob die Kosten dieser heranstehenden Erhaltungsarbeit im Sinn des § 3 Abs 3 MRG gedeckt seien.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob in einem Verfahren nach § 6 Abs 1 MRG durch den Vermieter die mangelnde Kostendeckung im Sinn des § 3 Abs 3 MRG eingewendet werden könne, selbst wenn die Mehrheit der Mieter des Hauses den beantragten Erhaltungsarbeiten nicht widersprochen habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist.

Die Antragsteller haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Unstrittig steht im vorliegenden Fall fest, dass es sich bei den anstehenden Reparaturen der Aufzugsanlage um nicht privilegierte Arbeiten im Sinn des § 3 Abs 2 Z 3 MRG handelt, also nicht um solche, die "jedenfalls" und "vorweg" durchzuführen sind (§§ 6 Abs 1, 3 Abs 3 Z 2 lit a bis c MRG). Es wäre daher im vorliegenden Fall auch ein Widerspruch gegen die Arbeiten durch die Mehrheit der Hauptmieter und den Vermieter (§ 6 Abs 4 MRG) beachtlich.

Nur die in § 3 Abs 3 Z 2 letzter Halbsatz MRG bestimmte Erhaltungsarbeiten sind in der Durchsetzung privilegiert, sodass der Vermieter diese ohne Rücksicht auf eine bestehende Kostendeckung oder Unwirtschaftlichkeit (WoBl 1991/5) selbst bei bevorstehendem Abbruch unverzüglich vorzunehmen hat, sodass praktisch keine wirksamen

Einwendungen denkbar sind (RdW 1985, 338 = MietSlg 37.255; WoBl

1990/83 = SZ 62/209 = MietSlg 41.201) und auch ein Widerspruch der Mehrheit der Hauptmieter ausgeschlossen ist (MietSlg 41.200).

Bei den anderen Erhaltungsarbeiten kann der Vermieter die Unwirtschaftlichkeit einwenden, soweit die Kosten dieser und der anderen notwendigen Reparaturen die Mietgegenstände unvermietbar

machen würden (RdW 1985, 338 = MietSlg 37.255/28; SZ 62/209 = WoBl

1990/83 = MietSlg 42.201; MietSlg 45.224; WoBl 1995/101). Bei den

nicht privilegierten Arbeiten können die Mieter der Mehrheit der vermieteten Mietgegenstände zusammen mit dem Vermieter Widerspruch erheben, wenn eine Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 19 MRG erforderlich ist, weil die Kosten der Arbeiten weder aus den verrechenbaren Hauptmietzinsreserven noch aus den während der Bestanddauer der Arbeiten zu erwartenden effektiven und fiktiven Einnahmen gedeckt werden können. Die mangelnde Deckung der Kosten, die hier die Vermieterin eingewendet hat, könnte nur im Fall des Widerspruchs der übrigen Mieter zur Abweisung des Antrags führen. Ansonsten hat der Vermieter, will er nicht die Kosten der Erhaltungsarbeiten aus eigenen Mitteln bezahlen oder zumindest vorfinanzieren, einen Antrag auf Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 19 MRG zu stellen, der mit dem Antrag auf Durchführung der Arbeiten gemäß § 6 Abs 4 MRG zu verbinden ist (vgl Würth/Zingher Miet- und WohnR20 Rz 3 zu § 6 MRG).

Die Regelung des § 3 Abs 3 MRG bezweckt bloß ein System der Finanzierung der Erhaltungsarbeiten und deren Einordnung in das System der Hauptmietzinsabrechnung des § 20 MRG (vgl WoBl 1988/68 mit Anm Würth). Die in § 3 Abs 3 Z 2 MRG enthaltene Regelung über die Reihung von Erhaltungsarbeiten nach Maßgabe ihrer bautechnischen Dringlichkeit ändert nichts daran, dass jeder Mieter einen unbedingten Anspruch auf Durchführung der Arbeiten hat und der Vermieter erforderlichenfalls lediglich einen Antrag auf Mietzinserhöhung nach §§ 18, 19 MRG damit verbinden kann, wenn kein Widerspruch der Mehrheit der Hauptmieter und des Vermieters erhoben wird (vgl Würth in Anm zu WoBl 1988, 68).

Jede andere Lösung würde es dem Vermieter ermöglichen, durch Unterlassung des Antrags auf Erhöhung der Hauptmietzinse (ein solcher Antrag steht nur dem Vermieter zu), sich seiner Erhaltungspflicht zu entziehen, wenn die Kosten der Arbeiten nicht durch die Mietzinsreserve gedeckt sind und auch nicht aus den künftigen Mietzinseinnahmen (während der regelmäßigen Bestanddauer der durchzuführenden Arbeiten) gedeckt werden können.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Verpflichtung des Vermieters, die im Gesetz aufgezählten Arbeiten als Erhaltungsarbeiten durchzuführen, nicht von ihrer Finanzierbarkeit nach § 3 Abs 3 MRG abhängt.

Der Einwand der mangelnden Kostendeckung durch den Vermieter ist tatsächlich nur im Fall des § 6 Abs 4 MRG zu prüfen.

Zu Recht unterblieben daher Feststellungen über die mangelnde Finanzierbarkeit der Aufzugsreparatur und wurde der Antragsgegnerin der Auftrag zur Durchführung dieser Arbeiten ohne Rücksicht darauf und ohne Rücksicht auf das Heranstehen anderer Erhaltungsarbeiten aufgetragen.

Das Verfahren blieb daher frei von den im Revisionsrekurs behaupteten Mängeln.

Die Rüge der Nichtigkeit wurde zu Unrecht erhoben, hat doch das Erstgericht den übrigen Mietern des Hauses durch Hausanschlag Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren durch ordnungsgemäße Ladung eingeräumt und auch in der Folge sämtliche Entscheidungen zugestellt.

Dem Revisionsrekurs kommt daher keine Berechtigung zu.

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