OGH 11Os126/08a

OGH11Os126/08a21.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eric P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 neunter und zehnter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Lisa Po***** und Wolfgang R***** sowie über die Berufung des Zweitgenannten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. Mai 2008, GZ 25 Hv 25/08p-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Po***** und R***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten Eric P***** und Alexander M***** enthält - wurden Lisa Po***** des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und Wolfgang R***** des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 neunter und zehnter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben

I.) zwischen Juni 2007 und 12. September 2007 in Eisenstadt Eric P***** und Alexander M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Christian B***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Übergabe eines Geldbetrags von zumindest 100.000 Euro zu nötigen versucht, indem sie gemeinsam mit der - derzeit - außer Verfolgung gesetzten Christina Pr***** ein geheim aufgenommenes Videoband produzierten, das Christina Pr***** und das Opfer bei sexuellen Handlungen und scheinbarem Suchtgiftkonsum zeigt, eine Kopie davon an Christian B***** und ihm begleitend dazu SMS- und E-Mail-Botschaften mit Drohungen mit der Veröffentlichung der Videobänder unter Hinweis auf seine Stellung in der Landespolitik sandten, sollte er nicht auf ihre Forderungen eingehen und alle in ihren Besitz befindlichen Videobänder aufkaufen; II.) Wolfgang R***** und Lisa Po***** zur Ausführung der unter I. beschriebenen strafbaren Handlung des Eric P***** und des Alexander M***** beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem

1. Wolfgang R***** im Mai 2007 im Gasthof „Z*****" in E***** ein Zimmer für die Monate Juni bis Juli 2007 mietete, am 14. Juli 2007 und am 20. bzw 21. Juli 2007 im dortigen Hotelzimmer Nr. 105 die installierten und versteckten Kameras zur Aufnahme startete und jeweils nach den beendeten Aufnahmen das Hotelzimmer aufräumte;

2. Lisa Po***** am 11. September 2007 in Wiener Neustadt telefonisch den Christian B***** über eine Paketüberbringung informierte und verkleidet mit einer Perücke, Sonnenbrille und dunklem Stoffhut dem Taxifahrer Erdal T***** ein Paket, welches das Erpressungsvideo enthielt, mit dem Auftrag übergab, dieses dem Christian B***** an dessen Arbeitsplatz zu übergeben, wobei sie jedoch keine Kenntnis davon hatte, dass B***** mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung gedroht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Po***** und R*****, gestützt auf die Z 5 und 10a respektive Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Po*****:

Die Mängelrüge (Z 5) sieht die Feststellung der subjektiven Tatseite (US 13 f) als unvollständig begründet an, weil eine Passage in der Einlassung des Angeklagten P***** (ON 22 S 15) - aber auch des Angeklagten M***** (ON 22 S 48) - nicht explizit im Urteil erörtert wurde. Deren Zitat im Rechtsmittel entfernt sich indes im angeblichen Hauptpunkt („Po***** wusste nicht, worum es ging") von der Aktenlage und lässt im Übrigen („es gab kein detailliertes Gespräch mit Po*****") den Zusammenhang der Aussage außer Acht, wonach Po***** „klar war, dass es da um eine hochgradig illegale Geschichte geht", wiewohl das Wort „Erpressung" in den Gesprächen der Angeklagten tunlichst vermieden wurde. Die Tatrichter waren daher mit Blick auf § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verhalten, sich über die - den Gesamtzusammenhang beachtenden - Erwägungen US 19 f hinaus noch mit jedem Detail der Aussagen zu beschäftigen.

Wie lange die Nichtigkeitswerberin die Mitangeklagten vor dem Tatgeschehen kannte, ist ebenso wenig entscheidend wie die Kenntnis des genauen Erpressungsinhalts.

Das Schöffengericht begründete die innere Tatseite - dem Beschwerdevorwurf entgegen - nicht bloß mit dem Hinweis auf die Verkleidung bei einem Teil der zum Schuldspruch führenden Beitragshandlung (US 18 f), sondern überdies mit den Informationen durch den Angeklagten P***** und den Vermögensvorteil für Po***** (US 20). Diese Ausführungen widersprechen weder der Logik noch stehen sie im Gegensatz zu grundlegenden Erfahrungssätzen über (menschliche Verhaltensweisen betreffende) Kausalverläufe.

Mit Überlegungen zu ihrer Einschätzung des Angeklagten P***** verlässt die Rechtsmittelwerberin den Anfechtungsrahmen und begibt sich auf das in diesem Zusammenhang gesetzlich verwehrte Gebiet der Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer Berufung wegen Schuld. Dies trifft auch auf das Vorbringen zu, der Angeklagte M***** sei nach eigenen Angaben von Eric P***** angewiesen worden, mit Po***** nicht über die Sache zu reden (ON 22 S 48 - vgl dazu US 13 und die Einschätzung der Tatrichter US 16 und 18, P***** und M***** hätten die Beitragstäter „heraushalten" wollen), sowie dass der „Zweifel" des Erstgerichts am Wissen Po*****s von schwerer Erpressung auch auf den Grundtatbestand hätte „durchschlagen müssen".

Die Diversionsrüge (Z 10a) negiert die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 13 f) und übergeht die Annahmen der Tatrichter zur von der Angeklagten Po***** zum Schuldvorwurf gezeigten Einstellung (US 22; vgl 15 Os 1/02, SSt 64/10). Sie entzieht sich somit inhaltlicher Erwiderung (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 70).

Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sei allerdings bemerkt, dass der Anwendung des 11. Hauptstücks der Strafprozessordnung fallbezogen unüberbrückbare spezial- und generalpräventive Hindernisse (§ 198 Abs 1 letzter Halbsatz StPO) entgegenstanden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:

Die Kritik der Mängelrüge (Z 5), die Begründung für die Feststellungen zur inneren Tatseite (US 15 ff) sei nicht „eingehend" genug, sondern „unsubstanziiert und formelhaft", versäumt die deutliche und bestimmte Darstellung eines Nichtigkeitsgrundes, namentlich jenes der Z 5 vierter Fall, der sich gegen unlogische oder empirisch nicht haltbare Argumente wendet. Sie ist einerseits auf § 270 Abs 2 Z 5 StPO zu verweisen und hinsichtlich der Thematisierung der Glaubwürdigkeit (des Angeklagten P*****) darauf, dass eine Anfechtung des dazu führenden kritisch-psychologischen Erkenntnisprozesses im Nichtigkeitsverfahren nicht eröffnet ist (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431). Die Beurteilung der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB), ist eine Rechtsfrage (Fabrizy, StGB9 § 107 Rz 1) und entzieht sich somit der Bekämpfung aus Z 5. Zur Abrundung sei festgehalten, dass die erstgerichtliche Lösung einer gefährlichen Drohung mit einer Ehrverletzung rechtsrichtig erfolgte (Fabrizy, StGB9 § 74 Rz 12a).

Die vermisste Begründung für die Feststellung der Beitragshandlungen (US 7 f) des Beschwerdeführers schließlich ergibt sich mit zureichender Deutlichkeit aus US 16 und 20.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet das Fehlen konkreter Feststellungen, dass mit der Vernichtung (und nicht bloß Beeinträchtigung) der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung gedroht wurde. Sie übergeht bei ihrer Argumentation durch selektives Herausgreifen einzelner Annahmen die Gesamtheit der Konstatierungen US 11 f, verfehlt damit deren Vergleich mit dem Rechtsbestand und entzieht sich daher einer Erledigung nach §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO.

Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) bleibt darauf hinzuweisen, dass mit Bedacht auf die öffentliche Stellung des Opfers (US 8) und die Art der drohungsimmanenten Ehrverletzung (US 10: außergewöhnliche sexualbezogene Handlungen, angeblicher Konsum von Kokain) die bezweifelte Qualifikation zu Recht angenommen wurde (vgl Fabrizy, StGB9 Rz 2 und Eder-Rieder in WK² Rz 3b, beide zu § 145, jeweils mit Judikaturnachweisen). Die Strafzumessungsrüge (Z 11) behauptet unterlassene Feststellungen hinsichtlich des angewendeten § 43a Abs 3 StGB, räumt aber im sinnfälligen Widerspruch dazu etwa ein, dass das Urteil sehr wohl Angaben zu Person und Vorleben des Rechtsmittelwerbers enthält (US 6). Insgesamt handelt es sich bei diesen Ausführungen um ein Berufungsvorbringen (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 76 und 77a). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 24 StPO erstatteten Äußerung des Verteidigers der Angeklagten Po***** - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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