OGH 15Os1/02

OGH15Os1/027.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sasa A***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Aleksander K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 11. Oktober 2001, GZ 23 Vr 553/01-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und der Verteidigerin Dr. Sina, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines gesetzlichen Vertreters, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten K***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuld- und Teilfreispruch des Mitangeklagten Sasa A***** enthält, wurde der am 27. März 1986 geborene, somit jugendliche Aleksandar K***** zu I. (abweichend von der auch wider ihn wegen Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklageschrift - ON 15 - nur) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und zu II. des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 JGG wurde der Ausspruch der wegen dieser Jugendstraftaten zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten.

Danach hat er in Innsbruck

I. am 20. Februar 2001 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sasa A*****als Mittäter den Mario F***** durch gewaltsames Zubodenreißen, Festhalten sowie durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten, was Abschürfungen und Hämatome zur Folge hatte, am Körper verletzt und

II. am 15. März 2001 den Thomas J***** durch die Äußerung, er werde ihn umbringen (keine ernstgemeinte Todesdrohung, sondern Drohung mit Körperverletzung) gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die vom Angeklagten K***** auf Z 5, 5a, 9 (zu ergänzen: lit) a und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen einem in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand ist der Feststellungsteil zum Schuldspruch I. (US 7 erster Absatz vorletzter und letzter Satz) nicht unvollständig begründet. Das Tatgericht hat nach den Vorschriften des § 258 Abs 2 StPO in einer kritischen Gesamtschau aller aufgenommenen Beweise sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks zureichend und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze dargelegt, aus welchen Gründen es der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers den Glauben versagt hat (US 9f).

Entsprechend dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO war es nicht gehalten, die vom Nichtigkeitswerber isoliert, demnach Sinn entstellt, aus dem Zusammenhang gelösten Beweisdetails gesondert zu erörtern. Dies gilt sowohl für einen Satz aus der Aussage der Zeugin Elfriede T***** in der Hauptverhandlung (ob der andere [K*****] ihn auch "geschlagen" hat, weiß ich nicht - S 213), welcher den kritisierten Konstatierungen nicht entgegensteht, als auch für eine (von den Erkenntnisrichtern allerdings als nicht entlastend beurteilte) Äußerung des Zeugen Mario F***** vor der Untersuchungsrichterin, K***** habe ihn nicht "geschlagen" (S 97), und eine den Beschwerdeführer - für sich allein betrachtet - entlastenden Deposition des Mitangeklagten A***** im Vorverfahren (S 109), die er in der Hauptverhandlung jedoch nicht mehr aufrecht erhalten hat (S 207).

Die Frage hinwieder, "warum" die Angaben des Erstangeklagten A***** glaubwürdiger waren als jene des Rechtsmittelwerbers, berührt keinen entscheidungswesentlichen Umstand (EvBl 1972/17), weshalb sich das Vorbringen insgesamt bloß als unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung darstellt.

Nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof vermag die gegen den Schuldspruch I. gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) mit eigenen Beweiswerterwägungen über die im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung gemachten Angaben des Zeugen Mario Fuchs und des Angeklagten Sasa A***** auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Vielmehr trachtet der Nichtigkeitswerber in Verkennung dieses formellen Anfechtungspunktes abermals nach Art einer in den Verfahrensgesetzen gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die zu seinem Nachteil ausgefallene Lösung der Schuldfrage zu kritisieren.

Dass die von Thomas H***** im Vorverfahren gemachten Aussagen (S 8 f und ON 15) im Urteil zum Schuldspruch II. nicht verwertet wurden (insoweit der Sache nach Z 5), schadet nicht, weil sie - in ihrer Gesamtheit betrachtet - den Beschwerdeführer nicht entlasten, sondern ihn vielmehr belasten.

Das weitere Vorbringen, welches - selbst beweiswürdigend - nur zum urteilskonträren Ergebnis gelangt, die Drohung des Angeklagten K***** sei lediglich als "milieubedingte Unmutsäußerung" zu werten (Schuldspruch II.), bedarf aus Sicht der Beweisrüge keiner gesonderten Erwiderung.

Zu Unrecht vermisst die nur den Schuldspruch II. treffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Feststellung dahin, dass die konstatierte Drohung "objektiv gesehen geeignet war, begründete Besorgnis einzuflösen".

Die Frage nach der Eignung der Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB ist eine Rechtsfrage, hingegen fällt die Beurteilung der Ernstlichkeit, des Sinns und des Bedeutungsinhaltes einer Drohung in den Tatsachenbereich. Unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabes ist eine solche Eignung dann gegeben, wenn der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation nach dem objektiven Maßstab eines besonnenen Durchschnittsmenschen unter Berücksichtigung der in seiner Person gelegenen besonderen Umstände die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, dh den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei Willens und in der Lage, diese Folgen tatsächlich herbeizuführen (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 33 f).

Ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen hat das Erstgericht unter den gegebenen Umständen - der Beschwerde zuwider - die urteilsgegenständliche Äußerung zufolge ihres Sinngehaltes und des dadurch beim Tatopfer hervorgerufenen Eindrucks rechtsrichtig als gefährliche Drohung nach § 74 Z 5 StGB - und nicht bloß als milieubedingte Unmutsäußerung - beurteilt (US 8 iVm US 10 f).

Soweit die Rüge von urteilsfremden Prämissen ausgeht (so etwa: der Angeklagte habe J***** nur "ein bisschen Angst" machen und ihn "keinesfalls in einer peinvollen und nachhaltigen Angstzustand" versetzen wollen; die Drohung sei "in keiner Weise ernstlich" gemeint gewesen; er habe die Drohung nur "aus Zorn" ausgestoßen und "nur einen Schrecken einjagen" wollen, ohne die spezifische Absicht gehabt zu haben), ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Tatsachensubstrat festhält und daher wiederum nur die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.

Schließlich weicht auch das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a prozessordnungswidrig von den Urteilsfeststellungen ab, indem es urteilskonträr zum Schuldspruch I. ins Treffen führt, der Angeklagte K***** habe "keinerlei Tathandlungen gesetzt" (vgl demgegenüber US 7, 9 f), und zum Schuldspruch II. behauptet, er habe dem Thomas J***** "nur ein bisschen Angst machen wollen", überdies aus den Akten nachzuweisen trachtet, dass die inkriminierte Äußerung "von niemandem ernst genommen wurde", somit die auf Versetzung des Tatopfers in Furcht und Unruhe gerichtete Absicht (US 8, 10) rundweg in Abrede stellt.

Davon abgesehen, sprechen auch spezialpräventive Gründe (vgl § 90a Abs 1 Z 4 iVm § 90b und 90g StPO) gegen ein Vorgehen des Gerichtes nach dem IXa. Hauptstück der StPO. Die Möglichkeit einer Diversion hängt nämlich von der Haltung des Beschuldigten ab und setzt Schuldeinsicht, demnach seine Bereitschaft voraus, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen (vgl Miklau/Schroll, Diversion, 33 f; Schroll in WK2 Nachbem zu § 42 Rz 32). In dem hier aktuellen Fall hat der Beschwerdeführer aber bis zuletzt seine Täterschaft zur Körperverletzung überhaupt geleugnet und zur gefährlichen Drohung die Ernsthaftigkeit seiner Drohung bestritten, sodass eine urteilsmäßige Beendigung des Strafverfahrens geboten ist, um ihn künftighin von strafbaren Handlungen abzuhalten.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Die gegen den Ausspruch gemäß § 13 JGG gerichtete Berufung übersieht, dass auch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB primär mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist und der Angeklagte die Urteilstaten nur wenige Tage vor Vollendung des 15. Geburtstages verübt hat. Die zuletzt angeführte Tatsache hat das Erstgericht ebenso wie die Unbescholtenheit (korrekt: den bisher ordentlichen Lebenswandel) entsprechend berücksichtigt, jedoch das "teilweise Geständnis" zu Unrecht angenommen (US 11 unten).

Recht besehen ist daher der bis zuletzt schulduneinsichtige Rechtsmittelwerber mit dem erstgerichtlichen Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren ohnehin besser gestellt, als es ihm nach den gegebenen Umständen zukommt. Demnach ist insbesondere aus spezialpräventiven Gründen weder der beantragte Schuldspruch ohne Strafe (§ 12 JGG) noch die "jedenfalls" angestrebte Reduzierung der Probezeit auf ein Jahr gerechtfertigt.

Somit war auch der unbegründeten Berufung ein Erfolg zu versagen.

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