OGH 15Os145/08z

OGH15Os145/08z16.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Metz als Schriftführer in der Strafsache gegen Suleyman S***** und Ibragim Mohamad Y***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 15. Mai 2008, GZ 13 Hv 22/08a-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Suleyman S***** und Ibragim Mohamad Y***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, S***** auch des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie „in der Nacht von 8. Jänner auf 9. Jänner 2008 in Gmunden und an anderen Orten

1. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Silvia H***** mit Gewalt bzw durch Entziehung der persönlichen Freiheit in einer Mehrzahl von Angriffen zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem sie diese an den Haaren rissen, ihren Kopf auf der Rückbank des Fahrzeugs niederdrückten, sie festhielten, ihr Schläge in das Gesicht versetzten, sie würgten, ihr die Kleider gewaltsam vom Körper rissen und ihre Schenkel auseinander drückten, zur Duldung von jeweils zweimaligem Geschlechtsverkehr mit Samenerguss in der Scheide der Silvia H*****, wobei es hinsichtlich eines weiteren Geschlechtsverkehrs, durchgeführt von Ibragim Mohamad Y***** infolge der heftigen Gegenwehr der Silvia H***** sowie Erschlaffung seines Penis beim Versuch geblieben ist;

2. Suleyman S***** Silvia H***** durch gefährliche Drohung, und zwar durch die sinngemäße Äußerung, sie solle zu schreien aufhören, ansonsten werde er sie schlagen, wobei er ihr zur Untermauerung seiner Drohung eine Bierflasche vor das Gesicht gehalten hat, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von weiterem lauten Schreien genötigt."

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich gemeinschaftlich ausgeführte, jeweils auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.

Eine Verletzung des § 250 StPO macht die Verfahrensrüge (Z 3) geltend, weil den - während deren Vernehmungen aus dem Verhandlungssaal gewiesenen - Angeklagten nach ihrer Wiedereinführung die Aussage der Zeugin Silvia H***** ebensowenig zur Kenntnis gebracht worden sei wie jene des Karl H***** (diesfalls der Sache nach Z 4). Sie übergeht dabei aber gerade diese noch vor Schluss des Beweisverfahrens erfolgte Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 248) und die hiezu abgegebenen Stellungnahmen beider Angeklagter (ON 62 S 28). Die Angeklagten bemängeln weiters die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 10. April 2008 gestellten Antrags (Z 4) auf Durchführung einer „Rufdatenauswertung hinsichtlich der Telefonnummern ***** und ***** für die Tage 8. und 9. Jänner 2008 zum Beweis dafür, dass das vom Zeugen Eliyas T***** bei seiner heutigen Vernehmung angegebene Telefonat zwischen ihm und dem Erstgeklagten tatsächlich um zu der vom Zeugen bekanntgegebenen Zeit stattgefunden hat" (ON 59 S 24). Aus einer Beweisführung muss aber unter Zugrundelegung der Verfahrensergebnisse im Zeitpunkt der Antragstellung bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten sein (RIS-Justiz RS0116987). Selbst der intendierte Nachweis eines stattgehabten Telefonkontakts, den das Erstgericht ohnedies in seine Erwägungen einbezog (US 11), führte aber zu keiner relevanten Änderung der Verfahrensergebnisse, weswegen durch die Abweisung dieses Antrags Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden.

Zur zunächst im Rahmen der Mängelrüge weitwendig behaupteten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ist zu bemerken, dass eine solche nicht vorliegt, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und überhaupt alle Verfahrensergebnisse erörtert und daraufhin untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen oder sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde sodann erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet werden und schlüssig begründet wird, warum die Tatrichter von der Richtigkeit einer Annahme überzeugt sind, ohne dagegensprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 43). Daher müssen Einwendungen, die sich nicht auf entscheidende Tatsachen beziehen oder nur auf einzelne isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen und die Beweisergebnisse nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigen, erfolglos bleiben (RIS-Justiz RS0119370). Insoweit die Beschwerde daher behauptet, das Erstgericht sei nicht bzw nicht ausführlich genug auf die Aussagen der Zeugen Nejla C***** und Erwin F***** eingegangen, wird kein Begründungsmangel im Sinn einer Urteilsnichtigkeit aufgezeigt, zumal sich die Auseinandersetzung des Erstgerichts mit deren Depositionen auf US 9 bzw 10 wiederfindet und im Übrigen mit dem Vorleben des Opfers bzw seines Verhaltens in den Stunden vor der Vergewaltigung keine entscheidenden Tatsachen angesprochen werden. Dies trifft auch auf die wiederum die Situation nach der Tat betreffenden Angaben des Zeugen Franz G***** zu.

Mit den weiteren Kritikpunkten, das Erstgericht habe die entlastenden Angaben der Zeugen Zarah B*****, T***** und Shirvani To***** unberücksichtigt gelassen, wird ebenso kein formelles Begründungsdefizit aufgezeigt. Die Argumentation, die eigene Verantwortung der Angeklagten sei widerspruchsfrei, während die Einlassungen des Opfers lebensfremd wären, verlässt den gesetzlichen Anfechtungsrahmen, sodass die Beschwerdeführer insgesamt in unzulässiger Weise den Versuch unternehmen, die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu bekämpfen, ohne Begründungsmängel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrunds aufzuzeigen. Dass aus formell einwandfreien Prämissen auch für die Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch mit plausibler Begründung für eine für die Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist nämlich als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf das zu Z 5 erstattete Vorbringen und den Zweifelsgrundsatz keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs an den den Schuldspruch tragenden Feststellungen zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Verteidigung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte