Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Florian W***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1.) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2.a, 2.b und in Form des Versuchs 2.c) schuldig erkannt.
Danach hat er am 13. Mai 2007 in Tamsweg
1. Patrick B***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, indem er ihm ein Longdrink-Glas gegen das linke Auge stieß, was eine schwere Dauerfolge nach sich zog, nämlich die Erblindung des linken Auges;
2. mehrere Personen am Körper vorsätzlich verletzt und zu verletzen versucht, und zwar
a) Christopher H***** durch Versetzen eines Faustschlags in das Gesicht, der eine Abschürfung der Oberlippe links sowie die „Verletzung eines Schneidezahns" zur Folge hatte;
b) Patrick B***** durch Versetzen eines Faustschlags in das Gesicht, der Nasenbluten zur Folge hatte, und
c) Werner M***** durch Versetzen eines Schlages in das Gericht, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer auf Z 4 und 10, der Sache nach auch Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.
Die vom Verteidiger in der am 22. Jänner 2008 wegen Überschreitung der Zweimonatsfrist des § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung beantragte, zuvor bereits (unwirksam, vgl § 238 Abs 1 StPO) mit dem am 5. September 2007 eingelangtem Schriftsatz ON 10 und (zufolge der vorgenannten Bestimmung obsolet) in der Hauptverhandlung am 11. September 2007 begehrte Vernehmung der Zeugen Martin P*****, Marlene D***** und Julia S*****, die belegen sollten, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Tathandlungen „in Notwehr und insbesondere nicht vorsätzlich begangen habe" (S 131 iVm S 86), wurde im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil das Antragsvorbringen jeden - mangels diesbezüglich aufschlussreicher Aktenlage erforderlichen - Hinweis darauf vermissen ließ, warum die Genannten zur Bekundung von Wahrnehmungen auch nur in Richtung eines der zwei Beweisthemen in der Lage gewesen sein sollten (§ 55 Abs 1 StPO).
Keine Schmälerung von Verteidigungsrechten zeigt übrigens der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand auf, dass das Schöffengericht die Hauptverhandlung am 11. September 2007, in welcher wie erwähnt unter anderem der selbe Antrag gestellt worden war (S 109), „zur niederschriftlichen Einvernahme der von der Verteidigung beantragten Zeugen durch die PI Tamsweg" vertagte (S 110), was auf Grund eines Abfertigungsfehlers der Geschäftsabteilung (vgl S 1c des Antrags- und Verfügungsbogens einerseits und S 114 andererseits) fruchtlos blieb, stand doch dem Angeklagten zur Ausübung seines grundrechtlich garantierten Anspruchs, die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken (Art 6 Abs 3 lit d MRK), in der neu durchgeführten Hauptverhandlung ein entsprechender (hier nicht der Prozessordnung gemäß gestellter) Antrag ohnedies offen.
Aus der mangelnden Umsetzung der - zudem bloß in einer danach wiederholten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung getroffenen - prozessleitenden Verfügung zur polizeilichen Befragung der beantragten Zeugen ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die beschlossene Erkundungsbeweisführung nach § 55 Abs 1 dritter Satz StPO unzulässig gewesen wäre (und zwar auch vor Inkrafttreten des § 55 StPO idgF: § 232 Abs 2 StPO).
Anderes gälte zwar, wenn das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils von der Erheblichkeit einer unter Beweis gestellten Tatsache, also ihrer Relevanz für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage, ausgegangen wäre: Dann hätte der Oberste Gerichtshof diese Relevanz ungeprüft zu unterstellen, um nicht nach Art eines Tatgerichts in die Beweiswürdigung des Schöffengerichts einzugreifen (RIS-Justiz RS0118319).
Während es bei der Frage der Erheblichkeit jedoch um das Verhältnis des Beweisthemas zur Schuld- oder Subsumtionsfrage, mit anderen Worten um die Tauglichkeit des Beweisthemas geht, geht es beim Erkundungsbeweis um das Verhältnis zwischen Beweismittel und Beweisthema, mit anderen Worten um die Tauglichkeit des Beweismittels (instruktiv zum Ganzen: Lässig, ÖJZ 2006, 406 [408], Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 18, 36, Hinterhofer, ÖJZ 2007, 885 ff, E. Fuchs, ÖJZ 2008, 103 f; vgl auch Ratz, Miklau-FS 412 ff; irreführend: Bertel/Venier Strafprozessrecht2 Rz 125). Ist ein Beweismittel zur Beweisführung hinsichtlich eines bestimmten Beweisthemas untauglich, stellt sich das Problem, ob das Beweisthema für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblich ist, gar nicht.
Im Übrigen hat das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich den bloßen Erkundungscharakter der beantragten Beweisführung betont (US 9) und bereits bei der - § 238 Abs 3 erster Satz StPO entsprechenden - Begründung seines den Antrag abweisenden Beschlusses auf diesen Umstand hingewiesen, ohne dass der Beschwerdeführer die darin zum Ausdruck kommende Belehrung zum Anlass genommen hätte, sein Begehren um das von § 55 Abs 1 dritter Satz StPO geforderte Vorbringen zu ergänzen.
Zur nominell aus Z 10, der Sache nach aus Z 5 vierter Fall als nur mit einer „Scheinbegründung" fundiert gerügten Feststellung einer auf eine just schwere Verletzung gerichteten Absicht des Angeklagten gelangten die Tatrichter „auf Grund des mittelstarken bis starken waagrechten Stoßes mit einem Longdrinkglas in das Gesicht des Patrick B***** aus unmittelbarer Nähe" (US 8 f), was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Eines zwingenden Schlusses bedarf es dazu nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449). Durch Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK, § 14 StPO) wird kein Begründungsmangel aufgezeigt.
Das Vorbringen (Z 10), aus den Entscheidungsgründen sei „jedenfalls nicht ersichtlich, auf Grund welcher Tatsachenfeststellungen das Erstgericht zur Rechtsansicht gelangt ist, dass der Angeklagte hinsichtlich des Faktums 1. gemäß § 87 Abs 1 und 2 StGB schuldig ist", bleibt angesichts der dazu getroffenen Konstatierungen (US 4 unten, 5) ebenso unverständlich wie der unsubstanziierte, prozessordnungsfremd auf eigene Beweiswerterwägungen gestützte Einwand „mangelnder Feststellungen zu diesem Tatbestand".
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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