OGH 5Ob124/08h

OGH5Ob124/08h9.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Anita W*****, vertreten durch Schreiner Lackner & Partner Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die Antragsgegnerin Notburga W*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, wegen § 37 Abs 1 Z 14 MRG (§ 27 Abs 31 MRG iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 18. April 2008, GZ 37 R 44/08g‑42, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Mattersburg vom 8. Februar 2008, GZ 2 Msch 4/06z‑36, abgeändert wurde, nachstehenden

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 989,64 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 164,94 EUR USt) sowie die mit 1.187,28 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 197,88 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Antragsgegnerin war im Zeitraum November 2000 bis November 2002 Mieterin der Wohnung F*****.

Die Antragstellerin ist ihre Nachmieterin. Während der Dauer ihrer Mietzeit zahlte die Antragsgegnerin 25.041,51 EUR als Finanzierungsbeitrag (Bau- und Grundkostenbeitrag) an die Marktgemeinde P*****, die das Wohnhaus errichtet hatte.

Auf die Mietverhältnisse finden die Bestimmungen des WGG Anwendung.

Die Antragstellerin zahlte als Nachmieterin der Antragsgegnerin am 3. 1. 2003 insgesamt 59.041,51 EUR, wovon die Antragsgegnerin für die Finanzierung des Bau- und Grundkostenbeitrags 25.041,51 EUR gemäß § 17 WGG erhielt.

Die Antragsgegnerin übertrug der Antragstellerin das Eigentum an Einrichtungsgegenständen im damaligen Wert von 5.649 EUR.

Die Antragsgegnerin übertrug der Antragstellerin außerdem die mit dem Nutzungsrecht an der Wohnung verbundenen Rechte.

In dem zwischen der Antragstellerin und der Marktgemeinde P***** abgeschlossenen Mietvertrag findet sich unter Punkt VII. folgende Vereinbarung:

„Anwartschaftsvertrag

Gleichzeitig schließen die Vertragsparteien den nachstehenden Anwartschaftsvertrag:

Die Marktgemeinde P***** hat auf dem Grundstück Nr. 2070/9 liegend in der EZ 3310 GB***** ein Wohnhaus errichtet, in welchem die Mieterseite mit gegenständlichem Vertrag die Wohnung Nr. 18 im Stock Nr. 4 gemietet hat.

a) Die Vertragsparteien vereinbaren, dass nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren ab der Erstvermietung und Erfüllung der übrigen Bedingungen die Mieterseite die Übertragung des zur Einräumung des Wohnungseigentums an der im vierten Stock gelegenen Wohnung Tür Nr. 18 im Ausmaß von etwa 103,34 m2 erforderlichen Liegenschaftsanteil an die Mieterseite verlangen kann und die Mieterseite diesfalls den Liegenschaftsanteil erwerben wird, mit dessen Erwerb das Recht auf Einräumung des Wohnungseigentums im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes verbunden ist. Insbesondere kommt eine Übertragung nur nach bzw gegen Entrichtung der weiteren - unten genannten - Beträge in Betracht.

Bis zum Erwerb des Wohnungseigentums durch die Mieterseite gilt der vorstehende Mietvertrag.

b) Treten auf der Mieterseite, welche die Übertragung ins Eigentum begehrt, mehr als eine Person auf, so hat diese, sofern es sich nicht um Ehegatten handelt, zum Erwerb des Wohnungseigentums eine Person aus ihrem Kreis bekannt zu geben, zugunsten derer das Eigentumsrecht einverleibt werden soll.

c) Das gesamte Bauvorhaben wird durch die Marktgemeinde P***** wie folgt finanziert:

...

Die Kosten des Bauvorhabens setzen sich wie folgt zusammen:

...

d) Die Mieterseite verpflichtet sich zur ungeteilten Hand, vor Einverleibung des Eigentumsrechts unter der Bedingung der Zustimmung der hievon betroffenen Gläubiger zur Übernahme der aliquot auf die betreffende Wohnung entfallenden Tilgungsraten, Teilbeträge, Kosten und Mittel, welcher Art auch immer, jeweils zu dem der Gemeinde gewährten Bedingungen. Der Wohnungswerber hat gleichzeitig die Voraussetzung entsprechend den Richtlinien der Wohnbauförderung zu erbringen.

e) Die Nutzwertfeststellung erfolgt durch einen von der Marktgemeinde P***** zu bestellenden Sachverständigen.

f) Die Mieterseite hat mit dem Zeitpunkt des endgültig abzuschließenden Vertrags in sämtliche Verpflichtungen der Vermieterseite, die mit der Errichtung der Anlage Dritten gegenüber entstanden sind, derart einzutreten, dass diese vollkommen schad- und klaglos gehalten wird.

g) Ein Rücktritt von diesem Vertrag ist außer der einvernehmlichen Lösung nur dann möglich, wenn es aus den im Mietvertrag genannten Gründen zur Auflösung des Mietverhältnisses kommt. Allfällige entstehende Rückforderungsansprüche des Wohnungswerbers aus Leistungen aus dem Anwartschaftsvertrag gelten unverbindlich bis zum Zeitpunkt gestundet, an dem im beiderseitigen Einverständnis ein Mieter und Wohnungswerber gefunden wird, der die berechtigten Forderungen des ausscheidenden Vertragsteils einlöst bzw bezahlt.

Bis zum Eintritt des neuen Mieters bzw Wohnungseigentumswerbers bleiben alle Verpflichtungen des ausscheidenden Vertragsteils ungeschmälert aufrecht.

h) Sobald der Nutzwert festgelegt und alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, verpflichtet sich die Vermieterseite, den endgültigen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag zur Verbücherung zu errichten, wenn von der Mieterseite die Übertragung ins Eigentum begehrt wird.

..."

Mit Schreiben vom 26. 7. 2004 teilte die E***** gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft als Verwalterin der Liegenschaft der nunmehrigen Antragstellerin mit, dass „... nach Rücksprache mit der Marktgemeinde P***** der Beschluss gefasst wurde, von der geplanten Eigentumsübertragung wegen mangelnden Interesses Abstand zu nehmen".

Zum Zeitpunkt 8. 5. 2007 betrug der Wert des Wohnungseigentumsanwartschaftsrechts an der Wohnung der Antragstellerin 8.497,03 EUR.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin gemäß § 27 Abs 1 MRG die Rückzahlung eines Betrags von 20.000 EUR und brachte hiezu vor:

Abgesehen von dem im Wege der Antragsgegnerin der Marktgemeinde P***** entrichteten Finanzierungsbeitrag für Bau- und Grundkosten in Höhe von 25.041,51 EUR habe die Antragstellerin an die Antragsgegnerin einen Betrag von 34.000 EUR für die in der Wohnung belassenen Gegenstände und Investitionen geleistet. Unter Berücksichtigung des Werts der übernommenen Gegenstände und der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Investitionen in das Objekt ergebe sich, dass einer Leistung von 20.000 EUR keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe.

Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, dass der Antragstellerin auch ein Anwartschaftsrecht auf die Einräumung von Wohnungseigentum mitübertragen worden sei. Deshalb sei die Bestimmung des § 27 MRG nicht anzuwenden. § 27 Abs 2 lit a MRG regle, dass Beträge, die nach § 14 oder § 17 WGG geleistet würden, nicht unter das Verbot des § 27 Abs 1 MRG fielen. Außerdem sei der außerstreitige Rechtsweg zur Verfolgung dieses Anspruchs unzulässig. Schließlich seien auch von der Antragsgegnerin geleistete Zahlungen zur Rückführung der Errichtungsdarlehen der Wohnhausanlage ablösefähig.

Ausgehend vom oben wiedergegebenen Sachverhalt sprach das Erstgericht der Antragstellerin einen Betrag von 19.853,97 EUR samt 4 % Zinsen ab 4. 1. 2003 zu.

§ 27 MRG finde auch auf genossenschaftliche Nutzungsverträge über Wohnungen Anwendung. Das gelte auch, wenn ein werthaltiges Anwartschaftsrecht vom weichenden Mieter auf den neuen Mieter übertragen werde. Unter Berücksichtigung des dafür angemessenen Werts und der der Antragstellerin überlassenen Einrichtungsgegenstände und Investitionen verbleibe ein Betrag von 19.853,97 EUR, dem kein Gegenwert gegenüberstehe.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluss im Sinne einer Antragsabweisung ab.

Zunächst bejahte das Rekursgericht die Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens, weil der Anspruch auf § 27 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 14 MRG gestützt worden sei. Das gelte auch zufolge § 22 Abs 1 Z 13 WGG.

Der Oberste Gerichtshof habe bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine - wenn auch analoge - Anwendung der Bestimmung des § 27 MRG iVm § 17 WGG dann ausscheide, wenn nicht nur Miet- oder genossenschaftliche Nutzungsrechte, sondern auch Eigentumsanwartschaftsrechte an einer Wohnung aufgegeben (und übertragen) würden und somit dem Nachmieter neben den Miet- oder genossenschaftlichen Nutzungsrechten auch ein Eigentumsanwartschaftsrecht an der konkreten Wohnung verschafft werde.

Das treffe auch auf den vorliegenden Fall zu. Der Oberste Gerichtshof habe in der die gleiche Wohnhausanlage und den identen „Anwartschaftsvertrag" betreffenden Entscheidung 5 Ob 219/04y ausgesprochen, dass mit der oben wiedergegebenen Vereinbarung dem Mieter ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Schaffung von Wohnungseigentum und damit ein Anwartschaftsrecht eingeräumt worden sei. Unstrittig sei geblieben, dass die Antragstellerin sämtliche Anwartschaftsrechte von der Antragsgegnerin übertragen erhalten habe.

Dieses Anwartschaftsrecht habe auch einen bestimmten Marktwert, der vom Erstgericht ermittelt worden sei.

Nach der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei einer Anwendung des § 27 MRG der Boden entzogen, was zur Antragsabweisung zu führen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Entscheidung einheitlicher höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 27 MRG im Zusammenhang mit einer Übertragung eines Anwartschaftsrechts entspreche.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt, den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist.

Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne des Begehrens auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses berechtigt.

Zufolge § 2 Abs 6 WEG ist Wohnungseigentumsbewerber derjenige, dem schriftlich, sei es auch bedingt oder befristet, von einem Wohnungseigentumsorganisator die Einräumung von Wohnungseigentum an einen bestimmten Objekt zugesagt wurde. Entscheidend ist also für die Anwendung wohnungseigentumsrechtlicher Normen die Zusage eines solchen Rechts, wenn auch unter einer Bedingung oder Befristung.

Wie schon in der Entscheidung 5 Ob 219/04y = wobl 2005/91 (zust Pittl) ausgeführt, schränken die Bestimmungen des § 37 Abs 2 WEG und § 43 WEG die rechtlichen Möglichkeiten der Vertragsgestaltung eines rechtsgültigen Versprechens, Wohnungseigentümern ein bestimmtes Objekt zu verschaffen, nicht ein. So kann dem Mieter im Mietvertrag ein Optionsrecht auf Abschluss eines Kauf- und Anwartschaftsvertrags eingeräumt werden, was zur Folge hat, dass der Mieter mit Ausübung des Gestaltungsrechts und Annahme der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum Wohnungseigentumsbewerber wird. So auch im vorliegenden Fall, wo dem Mieter sozusagen eine „Anwartschaft" auf eine Zusage zur Wohnungseigentumsbegründung eingeräumt wurde. Ein Wohnungseigentums‑Anwartschaftsvertrag ist aber vor Annahme dieses Anbots zu verneinen (vgl Pittl aaO).

Wie schon in der zitierten Entscheidung ausgeführt, die den identen Vertrag desselben Vermieters und damit die wortgleiche Einräumung eines bestimmten Rechts zum Gegenstand hatte, kann auch hier nicht zweifelhaft sein, dass dem Mieter gegen seinen Vermieter kraft der getroffenen Vereinbarung ein letztlich rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Verschaffung von Wohnungseigentum an der gemieteten Wohnung zusteht.

Auf die Rücknahme der vertraglichen Erklärung durch den Liegenschaftseigentümer muss, weil nicht releviert, nicht eingegangen werden.

Die Werthaltigkeit der vertraglich eingeräumten Option wurde von den Vorinstanzen festgestellt.

Eine - auch analoge - Anwendung des § 27 Abs 1 Z 1 MRG und § 17 WGG scheidet aber nur dann aus, wenn Eigentumsanwartschaftsrechte aufgegeben werden und damit dem jeweiligen Vertragspartner nicht nur Mietrechte, sondern auch Eigentumsanwartschaftsrechte an einer Wohnung verschafft werden (vgl 5 Ob 156/86 = EvBl 1987/186; 5 Ob 165/92; 5 Ob 178/02s; 5 Ob 219/04y = wobl 2005/91 [zust Pittl]).

Dass der Antragstellerin über das im zitierten Vertrag festgelegte Nutzungsrecht an der Wohnung hinaus noch weitergehende Anwartschaftsrechte eingeräumt worden wären, wird weder behauptet, noch liegen entsprechende Feststellungen vor. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin ein unmittelbar aus der Zusage von Wohnungseigentum (einer Eigentumsanwartschaft iSd zitierten Judikatur) erfließendes und gemäß § 37 Abs 2 WEG 2002 durchsetzbares Nutzungsrecht an der Wohnung übertragen worden wäre. Das führt zur Anwendbarkeit des § 27 Abs 1 Z 1 MRG (vgl RIS‑Justiz RS0070226).

Darauf, ob der Antragstellerin von der Antragsgegnerin ein sonstiges „Anwartschafts"- oder Optionsrecht auf den begünstigten Erwerb von Wohnungseigentum am verfahrensgegenständlichen Objekt übertragen wurde, kommt es nicht an. Bei Ermittlung jenes Betrags, den die Antragstellerin, ohne dafür eine gleichwertige Gegenleistung erhalten zu haben, der Antragsgegnerin bezahlt hat, wurde nämlich der Wert des Optionsrechts ohnedies in Abzug gebracht.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin war daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG und § 10 Z 3 RATG.

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