OGH 5Ob169/08a

OGH5Ob169/08a26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Mag. Siegfried Z*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Heinrich D*****, 2. Maria D*****, 3. Barbara D*****, 4. Elmar W*****, 5. Johanna H*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Jörg Lindpaintner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 24 Abs 6 WEG über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. April 2008, GZ 4 R 137/08p‑9, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 11. Februar 2008, GZ 15 Msch 4/07x‑4, abgeändert wurde, nachstehenden

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00169.08A.0826.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 74,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Antragsteller ist zu 25/472 Anteilen grundbücherlicher Miteigentümer der Liegenschaft EZ 581 GB *****, Grundstücksadresse *****, verbunden mit Wohnungseigentum an W10.

Der Erstantragsgegner ist zu 114/472 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft, die Zweitantragsgegnerin zu 119/472 Anteilen, die Drittantragsgegnerin zu 107/472 Anteilen, der Viertantragsgegner zu 53/472 Anteilen und die Fünftantragsgegnerin zu 54/472 Anteilen.

Eine Vergrößerung der Miteigentumsanteile des Antragstellers, die sich aus einer bereits stattgefundenen Nutzwertfestsetzung ergibt, ist allerdings nicht verbüchert.

Die Zweitantragsgegnerin ist Mutter des Erstantragsgegners und der Drittantragsgegnerin sowie die Schwester der Fünftantragsgegnerin. Nur der Viertantragsgegner steht in keinem familiären Verhältnis zur Zweitantragsgegnerin.

Die Zweitantragsgegnerin hatte bereits durch einige Jahre hindurch die Verwaltung des Hauses ausgeübt.

Über Antrag des nunmehrigen Antragstellers wurde für den 14. 11. 2007 eine Hausversammlung zur Bestellung eines (neuen) Hausverwalters einberufen, an der die nunmehrigen Parteienvertreter für die von ihnen vertretenen Parteien teilnahmen und abstimmten. Der nunmehrige Antragsgegnervertreter vertrat somit die Erst- bis Fünftantragsgegner. Der nunmehrige Antragstellervertreter vertrat den Antragsteller.

In dieser Miteigentümerversammlung wurde die Bestellung der Zweitantragsgegnerin zur Hausverwalterin mit den Stimmen aller Antragsgegner beschlossen.

Der Antragsteller stimmte dagegen und für die Bestellung eines anderen Hausverwalters.

Rechnerisch ergab die Abstimmung somit eine Mehrheit für die Bestellung der Zweitantragsgegnerin von 94,703 %.

Fristgerecht begehrte der Antragsteller gemäß § 24 Abs 6 WEG beim Erstgericht die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses vom 14. 11. 2007 mit der Begründung, die Abstimmung sei gesetzwidrig und deshalb rechtsunwirksam gewesen, weil daran auch die Erst- bis Dritt- und die Fünftantragsgegnerin teilgenommen hätten, obwohl ihnen gemäß § 24 Abs 3 WEG kein Stimmrecht zugestanden sei.

Bei Berechnung des Abstimmungsergebnisses seien die in der Nutzwertberechnung des Stadtmagistrats Innsbruck errechneten Anteile des Antragstellers zugrunde zu legen, weshalb die Beschlussfassung der Antragsgegner keine Mehrheit ergebe.

Die Antragsgegner bestritten dies, beantragten Abweisung des Antrags und wendeten ein, die Miteigentumsanteile seien nach dem Grundbuchstand zu ermitteln. Selbst unter der Annahme, dass Erst- bis Dritt- und Fünftantragsgegnerin kein Stimmrecht zukomme, übersteige der Miteigentumsanteil des Viertantragsgegners den des Antragstellers, sodass der Beschluss jedenfalls rechtswirksam sei.

Das Erstgericht erkannte den Mehrheitsbeschluss vom 14. 11. 2007 als rechtsunwirksam.

Gemäß § 24 Abs 3 WEG stehe Wohnungseigentümern dann kein Stimmrecht zu, wenn Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder ein Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer oder mit einer Person sei, mit der dieser durch ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis verbunden sei. Die Bestellung der Zweitantragsgegnerin zur Hausverwalterin sei ohne Zweifel ein solches Rechtsgeschäft, sodass sämtliche Antragsgegner mit Ausnahme des Viertantragsgegners an dieser Abstimmung nicht hätten teilnehmen dürfen.

Das Ergebnis der Abstimmung vom 14. 11. 2007 sei damit rechtsunwirksam.

Einem dagegen von den Antragsgegnern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den angefochtenen Sachbeschluss im Sinne einer Antragsabweisung ab. Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen teilte das Rekursgericht zunächst die Ansicht des Erstgerichts, dass die Erst- bis Dritt- und die Fünftantragsgegner gemäß § 24 Abs 3 WEG von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen gewesen seien.

Dadurch sei der gefasste Beschluss jedoch nicht rechtsunwirksam.

Gleich welcher Mangel durch die tatsächliche Abstimmung von Personen, die vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen seien, bewirkt werde, schlage dieser Mangel nur dann durch und berechtige nur dann zur Anfechtung nach § 24 Abs 6 WEG, wenn er für das Beschlussergebnis kausal gewesen sei. Das Rekursgericht folgte in dieser Frage der von Löcker (in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht Rz 42 zu § 24 WEG) vertretenen Ansicht. Allein der Umstand, dass Wohnungseigentümer, die vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen seien, am Abstimmungsvorgang und den vorhergehenden Beratungen teilgenommen hätten, lasse noch nicht den Schluss zu, dass andere Wohnungseigentümer dadurch in ihrem Abstimmungsverhalten beeinflusst worden wären. Ein Anhörungsrecht stehe sämtlichen Wohnungseigentümern nach § 24 Abs 1 WEG unabdingbar zu.

Ausgehend vom allein maßgeblichen aktuellen Grundbuchstand entfielen damit auf den Antragsteller 25/472 Anteile, auf den Viertantragsgegner 53/472 Miteigentumsanteile, somit 68 % der allein zu berücksichtigenden Stimmanteile.

Der gegenständliche Beschluss weise daher die erforderliche Mehrheit auch ohne Berücksichtigung der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Miteigentümer auf.

Das habe zur Abweisung des Antrags zu führen.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur entscheidenden Rechtsfrage der Auswirkungen eines Stimmrechtsausschlusses auf die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig.

Er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Bestellung eines Verwalters zählt gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (vgl 5 Ob 164/07i mwN), weshalb unbeschadet der Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 30 WEG die Mehrheit der Wohnungseigentümer entscheidet. Die Mehrheit der Stimmen der Wohnungseigentümer richtet sich zufolge § 24 Abs 4 WEG nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile, wofür der Grundbuchstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich ist (vgl 5 Ob 1086/92 = wobl 1993/54). Eine stimmrechtsrelevante Änderung der Nutzwerte tritt erst mit der Verbücherung einer Änderung bzw Korrektur der Mindestanteile ein (vgl 5 Ob 2298/96v = wobl 1998/176). Der Antragsteller war daher nur mit 25/472 Anteilen stimmberechtigt.

§ 24 Abs 6 WEG gesteht jedem Wohnungseigentümer das Recht zu, mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag zu verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses gerichtlich festgestellt wird. Als Anfechtungsgründe bezeichnet das Gesetz, soweit nicht Beschlüsse über Angelegenheiten der außerordentlichen Verwaltung (§ 29 WEG) betroffen sind, formelle Mängel, Gesetzwidrigkeit oder das Fehlen der erforderlichen Mehrheit.

Unter letzteren Anfechtungsgrund subsumieren die Materialien zum WEG 2002 (zu § 24 WEG 2002: RV 989 BlgNR 21. GP) auch den Umstand, dass einem zustimmenden Miteigentümer gemäß § 24 Abs 3 WEG kein Stimmrecht zukam. Dieser Ansicht schlossen sich auch H. Löcker (aaO Rz 42 zu § 24 WEG) und Würth (Die Wohnrechtsnovelle 1999 - krit betrachtet, Teil II in wobl 2000, 133 f) an.

Im Fall der Anfechtung hat daher das Gericht das behauptete Fehlen der erforderlichen Mehrheit zu überprüfen. Ergibt sich im Überprüfungsverfahren, dass die Stimmauszählung unrichtig war, der Mehrheitsberechnung ein unzulässiger Stimmrechtsausschluss zugrunde lag, die Berücksichtigung der Stimmen vom Stimmrecht Ausgeschlossener oder außerhalb einer Abstimmungseinheit stehender Wohnungseigentümer erfolgte oder aber ein Irrtum über das erforderliche Quorum bestand (vgl dazu H. Löcker Rz 63 zu § 24 WEG), hat das Gericht unter Beurteilung der maßgeblichen Vorfrage das rechtlich richtige Ergebnis zugrunde zu legen. Insofern ist zutreffend, wenn H. Löcker (aaO Rz 42 zu § 24 WEG) ausführt, der Anfechtungsgrund des § 24 Abs 6 WEG schlage nur dort durch, wo er für das Beschlussergebnis „kausal" gewesen sei.

Ergibt sich also unter Abzug der vom Stimmrecht Ausgeschlossenen immer noch die erforderliche Stimmenmehrheit, liegt der Anfechtungsgrund des Fehlens der erforderlichen Mehrheit nicht vor.

Implicite, wenn auch nicht ausdrücklich, hat der erkennende Senat schon bisher diese Ansicht vertreten. So wurde in der Entscheidung 5 Ob 164/07i in einem Aufhebungsbeschluss dem Erstgericht aufgetragen, für vorliegende Mehrheitsbeschlüsse jeweils getrennt - mit und ohne Stimmrechtsausschluss - die erforderlichen Stimmenmehrheiten zu prüfen. Soweit im Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung 5 Ob 246/03t Bezug genommen wird, wo die Rechtsunwirksamkeit eines Verwalterbestellungsbeschlusses aus einem Stimmrechtsausschluss resultierte, ist darauf hinzuweisen, dass diesfalls eben keine Beschlussmehrheit mehr bestand.

Abgesehen davon, dass jede andere Betrachtungsweise unpraktikable und unwirtschaftliche Folgen für die Eigentümergemeinschaft hätte, davon letztlich auch bloße Rechenfehler oder Zuordnungsfehler erfasst wären, besteht kein sachlicher Grund, die Unwirksamkeit eines derart zustande gekommenen Mehrheitsbeschlusses zu bejahen. Nur das Fehlen erforderlicher Mehrheit bewirkt die Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses, wie § 24 Abs 6 WEG deutlich macht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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