Spruch:
Zur weiteren Führung des Sachwalterschaftsverfahrens wird das Bezirksgericht St. Pölten bestimmt.
Text
Begründung
Das beim Bezirksgericht Rohrbach geführte Sachwalterschaftsverfahren betrifft eine Tochter des Leitenden Visitators des Oberlandesgerichts Linz. Zu diesem Verfahren gab das Landesgericht Linz mit Beschluss vom 18. Juni 2008, 15 Nc 17/08x, den Befangenheitsanzeigen aller bei den Bezirksgerichten des Landesgerichtssprengels tätigen Richterinnen und Richter Folge. In weiterer Folge legte es den Akt dem Oberlandesgericht Linz zur Bestimmung eines zuständigen Gerichts vor. Die Mitglieder des nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für Delegierungssachen zuständigen Senats zeigten ihre Befangenheit an. Sie verwiesen dabei auf mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, denen die Auffassung zugrunde liegt, dass in den die Kinder des Leitenden Visitators betreffenden Sachen alle Richter des Linzer Oberlandesgerichtssprengels befangen seien (6 Ob 93/08g, 12 Ns 66/07p, 11 Ns 80/07i). Der Präsident des Oberlandesgerichts legte den Akt „gemäß §§ 23, 30 JN" zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:
1. Ist ein Gericht aus einem der in § 19 JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, so hat nach § 30 JN das im Instanzenzug übergeordnete Gericht ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen.
2. Im vorliegenden Fall sind nach der - unanfechtbaren (§ 24 JN) - Befangenheitsentscheidung des Landesgerichts Linz alle Bezirksgerichte des Landesgerichtssprengels an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert. Aus diesem Grund ist eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Landesgericht Linz als jenen Gerichten im Instanzenzug übergeordnetes Gericht nicht möglich. Die Entscheidung über die Delegierung obliegt daher nach § 30 JN dem Obersten Gerichtshof, der dem Landesgericht Linz im Instanzenzug der Hauptsache unmittelbar übergeordnet ist. Da das Oberlandesgericht Linz aufgrund dieser Rechtslage für die Delegierung nicht zuständig ist, kommt es auf die mögliche Befangenheit seiner Richterinnen und Richter nicht an.
3. Zwar ist der Vater der Betroffenen nicht Partei des Sachwalterschaftsverfahrens. Ungeachtet dessen ist aber - wie schon in den Entscheidungen 6 Ob 93/08g, 11 Ns 80/07i und 12 Ns 66/07p - anzunehmen, dass die vom Landesgericht Linz festgestellte Befangenheit in gleicher Weise auch bei den Richterinnen und Richtern der anderen Bezirksgerichte im Sprengel des Oberlandesgerichts Linz vorliegen wird. Zur weiteren Behandlung der Sachwalterschaftssache ist daher aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Raschheit gleich das außerhalb dieses Sprengels gelegene Bezirksgericht St. Pölten zu bestimmen.
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