OGH 12Os24/08h

OGH12Os24/08h22.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Yetka A***** wegen des Vergehens des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Oktober 2007, GZ 28 U 298/06m-11, und den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Oktober 2007, GZ 28 U 298/06m-11, im § 292a StGB;

2. der unter einem gefasste Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO auf Absehen von Widerruf der zum AZ 36 Hv 115/05i des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht in den §§ 494a Abs 1 und 495 Abs 2 StPO sowie im § 55 Abs 1 StGB.

Das Urteil und der unter einem gefasste Beschluss vom 30. Oktober 2007 werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Yetka A***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 28. November 2005 in Salzburg ein falsches bzw unvollständiges Vermögensverzeichnis, nämlich den Antrag auf Verfahrenshilfe vom 28. November 2005, unterfertigt, in dem er seine Liegenschaft in der Türkei verschwiegen hatte, wodurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet wurde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 36 Hv 115/05i des Landesgerichts Salzburg wurden Yetka A***** mit Strafantrag vom 20. Juni 2005 (ON 3) das Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zur Last gelegt. Am 28. November 2005 beantragte der Beschuldigte unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses (Formular ZPForm 1) Verfahrenshilfe (ON 8a), die ihm auch bewilligt wurde (ON 11).

Nach Abschluss des - mit einer Verurteilung endenden - Verfahrens zeigte der Privatbeteiligte an, der Verurteilte sei im Widerspruch zum Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe, in dem kein Liegenschaftsvermögen angegeben war (S 48), Eigentümer mehrerer Grundstücke in der Türkei. Unter einem legte er die beglaubigte Übersetzung eines türkischen Grundbuchsauszugs vor (ON 38).

Nach polizeilicher Vernehmung (S 29 ff im Bezugsakt AZ 28 U 298/06m des Bezirksgerichts Salzburg) stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Bestrafung des Yetka A***** wegen § 292a StGB (ON 7).

Yetka A***** wurde mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Oktober 2007, GZ 28 U 298/06m-11, des Vergehens des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB schuldig erkannt, weil er am 28. November 2005 in Salzburg ein falsches bzw unvollständiges Vermögensverzeichnis, nämlich den Antrag auf Verfahrenshilfe am 28. November 2005, unterfertigt hat, in dem er seine Liegenschaften in der Türkei nur zum Teil angegeben hatte, wodurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet wurde.

Das Bezirksgericht verhängte über ihn unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1 und 40 StGB auf das zum AZ 36 Hv 115/05i des Landesgerichts Salzburg ergangene Urteil eine Zusatzstrafe und fasste aus Anlass dieser Verurteilung gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluss auf Absehen vom Widerruf der zum AZ 36 Hv 115/05i des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen dieses Urteil und der unter einem gefasste Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach dem klaren Wortlaut des § 292a StGB werden von dieser Strafbestimmung nur solche Vermögensverzeichnisse erfasst, die im Zuge eines Exekutions- oder Insolvenzverfahrens oder vor einem Vollstreckungsorgan abgegeben werden. Ein solches Vermögensverzeichnis soll dem betreibenden Gläubiger einen Überblick über das Vermögen des Verpflichteten oder des Gemeinschuldners verschaffen (Plöchl/Seidl in WK2 § 292a Rz 8).

Das Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe hingegen dient der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers als Voraussetzung für die Gewährung von Verfahrenshilfe und ist daher schon wegen seiner gänzlich anderen Zweckbestimmung vom Vermögensverzeichnis im Sinne des § 292a StGB zu unterscheiden.

Das unrichtige Ausfüllen eines Vermögensbekenntnisses ausschließlich zur Erlangung der Verfahrenshilfe ist demnach nicht tatbildlich im Sinne des § 292a StGB.

Das inkriminierte Verhalten ist auch nicht als Betrug zu beurteilen. Denn die diesbezüglichen Vermögensinteressen des Bundes stehen im Dienste des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und sind diesem gleichzuhalten. Der staatliche Strafanspruch ist aber für sich allein gegen den Beschuldigten nicht strafrechtlich geschützt (Kirchbacher/Presslauer in WK2 [2006] § 146 Rz 42a; vgl auch Murschetz, Erschleichung der Verfahrenshilfe im Strafverfahren: ein Betrug?, ÖJZ 2001, 836, die neben jenen [überwiegenden] Fällen, in denen bereits ein Vermögensschaden ausscheidet, auf der Rechtfertigungsebene zum selben Ergebnis gelangt).

Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur ist die Tathandlung aber auch nicht der Strafbestimmung des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB zu subsumieren. Ungeachtet der von der Generalprokuratur hervorgehobenen wirtschaftlichen Komponente als eine der Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe ist das inhaltlich unrichtige, weil unvollständige Ausfüllen des Formblatts auf Erlangung der Verfahrenshilfe mangels eigenständigen, über die bloße Behauptung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen hinausgehenden Beweiswerts gleich einer mündlichen Lüge nicht als Herstellen einer inhaltlich unrichtigen Urkunde und somit eines falschen Beweismittels im Sinne des § 293 Abs 1 erster Fall StGB zu beurteilen (Tipold in SbgKomm Rz 20 und Plöchl/Seidl in WK2 Rz 18 f, jeweils zu § 293; 13 Os 81/93 verstärkter Senat = JBl 1995, 386; vgl auch RIS-Justiz RS0103663 [T5 bis T9]). Anders verhält es sich jedoch mit - von wem auch immer stammenden - unwahren schriftlichen Erklärungen, denen Beweisrelevanz zugedacht wird und auch zukommt (13 Os 31/03, 12 Os 77/05y; die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte sind mit dem vorliegenden aber nicht vergleichbar; siehe überdies 11 Os 54/08p).

§ 494a Abs 1 StPO stellt ausdrücklich auf die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung ab, die vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht begangen worden ist, während § 31 StGB nur in Bezug auf Taten zur Anwendung gelangt, welche vor der früheren Verurteilung begangen worden sind. Daher kommt eine Zuständigkeit des erkennenden Gerichts zur Beschlussfassung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung nach § 55 Abs 1 StGB gemäß § 494a Abs 1 StPO bei Beachtung der Wortlautgrenze nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0111521; Jerabek in WK2 § 55 Rz 5). Vielmehr steht in diesen Fällen die Entscheidung gemäß § 495 Abs 2 StPO, also auch der Ausspruch vom Widerruf abzusehen (Jerabek, WK-StPO § 495 Rz 3), jenem Gericht zu, dessen Urteil die bedingte Nachsicht enthält.

Da sich diese Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten auswirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil samt dem zugleich gefassten Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und Yetka A***** von der ihm als Vergehen des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB angelasteten Tat freizusprechen.

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